Aktenzeichen 11 CS 18.1545
Leitsatz
Bei einer Gutachtensanordnung ist die Behörde nicht verpflichtet, auf Listen von Begutachtungsstellen im Internet hinzuweisen. Sie trifft lediglich die Pflicht, eine willkürfreie Auswahl möglicher Begutachtungsstellen mitzuteilen, die sich auch auf eine begrenzte Zahl der Stellen im näheren Einzugsbereich der Fahrerlaubnisbehörde oder des Wohnsitzes des Betroffenen beschränken kann (Abweichung von VG Oldenburg BeckRS 2010, 55031). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 8 S 18.524 2018-07-05 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Nach einer Mitteilung der Polizeiinspektion Altdorf b. Nürnberg, wonach der Antragsteller am 19. Februar 2017 nach Konsum von Cannabis als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilgenommen hat (4,7 ng/ml THC, 2,5 ng/ml 11-Hydroxy-THC und 80 ng/ml THC-Carbonsäure im Blutserum; nach eigenen Angaben ca. 5 Joints innerhalb der letzten 24 Stunden; rechtskräftig mit Bußgeldbescheid vom 6. April 2017 geahndet), forderte das Landratsamt Landshut (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf, das bis zum 22. Dezember 2017 vorzulegen sei. Das Schreiben enthält eine Anlage mit 24 einzeln aufgelisteten Begutachtungsstellen und den Hinweis, der Antragsteller könne zur Untersuchung auch jede andere Begutachtungsstelle für Fahreignung auswählen, die von der Bundesanstalt für Straßenwesen akkreditiert sei. Hierzu werde auf die Internetseite www.bast.de verwiesen, wo mit dem Suchbegriff „Fahreignung“ die Listen mit den aktuellen Begutachtungsstellen gezeigt würden.
Nachdem der Antragsteller das Gutachten innerhalb der festgelegten Frist nicht vorgelegt hat, entzog ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 18. Mai 2018 die Fahrerlaubnis (Nr. 1), verpflichtete ihn zur Ablieferung des Führerscheins innerhalb einer Woche (Nr. 2) und ordnete hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 die sofortige Vollziehung an (Nr. 3). Aus der Nichtbeibringung des Gutachtens habe auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfen.
Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Widerspruchsbehörde – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 5. Juli 2018 wegen Begründungsmängeln stattgegeben, soweit sich der Widerspruch gegen Nr. 2 des Bescheids (Sofortvollzug hinsichtlich der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins) richtet. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.
Gegen die Ablehnung des Antrags richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt. Zur Begründung lässt der Antragsteller vortragen, die Gutachtensaufforderung sei rechtswidrig, da das Landratsamt nicht alle Begutachtungsstellen benannt habe, die für den Antragsteller im Umkreis von zwei Stunden Fahrzeit erreichbar seien. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV müssten sämtliche für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen angegeben werden. Die beigefügte Liste sei nicht vollständig gewesen. Sieben Begutachtungsstellen in München, Augsburg, Buchloe, Nürnberg und Erlangen seien nicht genannt worden. Eigene Internetrecherchen seien dem Antragsteller nicht zumutbar, denn es sei nicht erkennbar, ob es sich bei Anbietern im Internet um amtlich anerkannte Begutachtungsstellen handele.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.
1. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S.566), darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung ihrerseits rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr., zuletzt BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.). Da die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nicht isoliert anfechtbar ist, stellt die Rechtsprechung an sie strenge Anforderungen, die im Falle einer Folgemaßnahme (hier die Entziehung der Fahrerlaubnis) inzident zu prüfen sind. Zu den Anforderungen an die Beibringungsaufforderung gehört unter anderem die Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV).
Gemessen an diesen Vorgaben ist die Begutachtungsanordnung rechtmäßig. Sie benennt nicht nur eine Vielzahl der in Betracht kommenden Begutachtungsstellen, sondern weist darüber hinaus auf die beiden übersichtlich geordneten, vollständigen und aktuellen Listen auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Straßenwesen hin, wo alle akkreditierten Begutachtungsstellen zu finden sind. Dieser Hinweis genügt den Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Eine Auflistung einzelner Begutachtungsstellen ist daneben nicht erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es einem Kraftfahrer unzumutbar sein sollte, die aktuellen Listen im Internet unter www.bast.de aufzurufen und sich eine Begutachtungsstelle herauszusuchen. Sollte ein Kraftfahrer tatsächlich über keinen Internetzugang verfügen oder sollten Unklarheiten bestehen, kann er sich an die Behörde wenden, die ihm dann eine aktuelle Liste oder einen Auszug daraus ausdrucken kann.
Selbst wenn das Landratsamt nicht auf die Listen im Internet hingewiesen hätte, wäre es entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht erforderlich gewesen, alle für den Antragsteller in einer zweistündigen Autofahrt erreichbaren Begutachtungsstellen ausdrücklich zu nennen, um die Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu erfüllen (a.A. VG Oldenburg, B.v. 10.8.2010 – 7 A 1458/10 – juris Rn. 19). Es trifft zwar zu, dass Begutachtungsstellen anzugeben sind und das völlige Fehlen einer Angabe die Begutachtungsanordnung rechtswidrig macht (vgl. VG München, B.v. 11.10.2016 – M 26 S 16.3697 – ZfSch 2016, 719). Dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV ist aber nicht zu entnehmen, nach welchen Kriterien die Fahrerlaubnisbehörde eine Auswahl unter den im Bundesgebiet zahlreich vorhandenen und für jeden Verkehrsteilnehmer frei wählbaren Begutachtungsstellen treffen soll. Eine Entfernung entsprechend einer zweistündigen Autofahrt vom Wohnort des Betroffenen ist jedenfalls kein sinnvolles Kriterium, denn es ist nicht ersichtlich, wie die Fahrerlaubnisbehörde eine solche Abgrenzung rechtssicher treffen könnte. Die Auswahl muss demgegenüber nur willkürfrei sein und kann sich auch auf eine begrenzte Zahl der Stellen im näheren Einzugsbereich der Fahrerlaubnisbehörde oder des Wohnsitzes des Betroffenen beschränken. Dass die vom Landratsamt vorgenommene Auswahl willkürlich wäre, hat der Antragsteller weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Außerdem erweckt die vom Landratsamt übersandte Anlage nicht den Anschein der Vollständigkeit, sondern enthält den ausdrücklichen Hinweis, der Antragsteller könne das Gutachten unabhängig von den Vorschlägen des Landratsamts bei jeder entsprechend qualifizierten Stelle erstellen lassen.
Da der Antragsteller das geforderte Gutachten nicht fristgemäß beigebracht hat, konnte das Landratsamt nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, Anh. § 164 Rn. 14).
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).