Aktenzeichen 21 S 185/17
Leitsatz
Ein Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nach Unfallbeschädigung eines Kraftfahrzeugs setzt die tatsächliche Instandsetzung des Wagens voraus. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 C 1635/17 2017-09-14 Endurteil AGREGENSBURG AG Regensburg
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 14.09.2017, Az. 10 C 1635/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Kammer hat die gegen das Endurteil vorgebrachten Einwendungen überprüft und gewürdigt. Die mit der Berufung vorgetragenen Aspekte können ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, die ausschließlich mit der – nach Auffassung der Klagepartei unberechtigten – Verneinung eines Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts begründet wird, ist nach Auffassung der Kammer unberechtigt. Vielmehr hat das Amtsgericht zu Recht angenommen, dieser Anspruch setze die tatsächliche Durchführung der Reparatur des Klägerfahrzeugs voraus. Auf die diesbezügliche Begründung im Ersturteil wird Bezug genommen.
Ergänzend zu den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils ist noch Folgendes auszuführen:
Die in der Berufungsbegründung zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.10.1961 (BGH VI ZR 238/60, Urteil vom 03.10.1961 – Juris) ist nicht geeignet, die vom Berufungsführer vertretene Rechtsauffassung zu stützen. Der Senat hatte in dieser lediglich seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach der Eigentümer eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs im Falle seiner Weiterbenutzung keinen Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts habe. Zur Begründung wird hierbei unter anderem ausgeführt, die ohne die bisherige Beschränkung anzuerkennende Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts führe nicht zu einer unangemessenen Bereicherung des Geschädigten, da dieser sich durch den Entschluss, den Wagen weiter zu gebrauchen, sich mit der Benutzung eines Fahrzeugs begnüge, dessen Wert nach der allgemeinen Verkehrsauffassung geringer sei, als derjenige eines unfallfreien Fahrzeugs. Dieser minderen Einschätzung liege die aus der Erfahrung gewonnene Einsicht zugrunde, dass mit der Benutzung eines solchen Wagens durchweg auch dann ein größeres Risiko verbunden sei, wenn nach der Reparatur in der Werkstatt das Zurückbleiben eines technischen Mangels nicht feststellbar sei (BGH a.a.O. Rd.Nr. 5 – zitiert nach Juris).
Aus dieser Begründung ist zu ersehen, dass der Senat für die Anerkennung der Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts die Durchführung der Reparatur des Unfallfahrzeugs voraussetzte. Denn erst durch diese Reparatur wird der Wagen in einen Zustand versetzt, in dem sich die nach Beseitigung des technischen Minderwerts noch verbleibende Beeinträchtigung bei der Nutzung des Fahrzeugs realisiert. Erst ab diesem Zeitpunkt kann insoweit eine für den Geschädigten fühlbare Nutzungsbeeinträchtigung festgestellt werden. Die Fühlbarkeit der Beeinträchtigung ist jedoch – wie etwa vom Bundesgerichtshof für die Frage der Zubilligung einer Nutzungsentschädigung in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.1966, VI ZR 271/64 Rd.Nr. 14 – zitiert nach Juris) unabdingbare Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch des Geschädigten. Solange der Geschädigte die Reparatur nicht durchführen lässt, ist hingegen offen, ob sich eine Beeinträchtigung im Sinne eines merkantilen Minderwerts – sei es durch Eigennnutzung oder Veräußerung des reparierten Fahrzeugs – überhaupt realisieren wird. Das Fehlen einer fühlbaren (aktuellen) Beeinträchtigung muss jedoch ebenso wie das Fehlen des Nutzungswillens und/oder der hypothetischen Nutzungsmöglichkeit im Falle der Nutzungsentschädigung schon deshalb zur Versagung des Entschädigungsanspruchs führen, um der Ausnutzung des Schadensfalls zur Gewinnerzielung vorzubeugen (so BGH a.a.O. zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Gebrauchsmöglichkeit eines Kfz). Dementsprechend hat derselbe Senat in einer späteren Entscheidung (BGH, Urteil vom 2.12.1966, 6 ZR 72/65 – zitiert nach Juris Rd.Nr. 13) betont, die Bedeutung seiner Entscheidung vom 15.04.1966 liege gerade darin, dass sie gegenüber der früheren Rechtsprechung die sogenannte Differenztheorie eingeschränkt habe, wenn sich bei der Beeinträchtigung eines einzelnen Vermögensgutes das Maß der Wertminderung nach objektiven im Verkehr anerkannten Maßstäben schätzen lässt. Damit kommt wiederum zum Ausdruck, dass im konkreten Fall tatsächlich eine Beeinträchtigung eines einzelnen Vermögensgutes festgestellt werden muss. Im übrigen ist das Maß der Wertminderung ohnehin erst aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Reparatur feststellbar.
Die vorstehende Rechtsauffassung der Kammer wird offensichtlich auch in der einschlägigen Fachliteratur geteilt, in dem als für die Feststellung und Bemessung des merkantilen Minderwerts maßgebender Zeitpunkt derjenige der abgeschlossenen Instandsetzung zugrunde gelegt wird (so etwa Knerr, in Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 3. Kapitel, Rd.Nr. 56). Der hiervon abweichenden – nicht näher begründeten – Auffassung von Oetker (Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, BGB § 249, Rd.Nr. 53) vermag die Kammer nicht zu folgen.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der in der Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2017 angekündigte Antrag nicht geeignet ist, eine für den Berufungsführer günstige Entscheidung herbeizuführen.
Da nach alledem die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen deren Rücknahme nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).