Verkehrsrecht

Eigenersparnisabzug bei Mietwagenkosten im Falle der Nichtzulassung des Ersatzfahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug

Aktenzeichen  343 C 5987/17

Datum:
24.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159586
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7 Abs. 1
BGB § 242, § 249, § 254, § 398
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Mietet der Geschädigte eines Verkehrsunfalls von einem Mietwagenunternehmen kein Selbstfahrervermietfahrzeug an und macht der Eigentümer bzw. Halter dieses Ersatzfahrzeugs den Anspruch auf Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer geltend, sind die erstattungsfähigen Mietwagenkosten um die gegenüber dem Halter eines Selbstfahrervermietfahrzeugs nicht entstandenen Aufwendungen zu kürzen (s. auch AG Speyer BeckRS 2020, 3941). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dieser Eigenersparnisabzug kann nach § 287 ZPO durch Herabsetzung der Mietwagenkosten gem. Fraunhofer-Liste um 20% erfolgen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.03.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 57 % und die Beklagte 43 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 79,53 € festgesetzt.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 33,88 € aus abgetretenem Recht §§ 115 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 VVG, 1 PflVG, 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 398 BGB.
Die Parteien streiten vorliegend über restliche Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 79,53 €.
Die Klägerin ist eine Autohändlerin mit Reparaturwerkstatt und vermietet Fahrzeuge.
Die Beklagte haftet als Haftfpflichversicherung unstreitig dem Grunde nach zu 100 % für die Unfallschäden des Geschädigten, welcher für die Zeit der Instandsetzung seines Fahrzeugs, einem BMW 116d, Mietwagenklasse 6, vom 28.11.2016 bis 02.12.2016 – mithin 5 Tage – bei der Klägerin ein Unfallersatzwagen angemietet hat.
Den Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten hat der Geschädigte an die Klägerin gemäß Erklärung vom 16.11.2016, vgl. Anlage K 1, wirksam abgetreten.
Streitig ist vorliegend, ob die Klägerin für das vermietete Ersatzfahrzeug Mietwagenkosten gemäß der Fraunhofer-Liste 2016, welche üblicherweise am Amtsgericht München bei der Abrechnung von Mietwagenkosten Anwendung findet, erstattet verlangen kann. Die Beklagte bestreitet dies unter Hinweis auf die – unstreitige – Nichtzulassung des Ersatzfahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug.
Das Gericht ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Auffassung, dass die Nichtzulassung des Ersatzfahrzeugs als Selbstfahrervermietfahrzeug bei der Abrechnung der Mietwagenkosten zu berücksichtigen ist.
Dem liegt folgende Annahme zugrunde:
Grundsätzlich kann der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kosten für einen Mietwagen ersetzt verlangen. Die Mietwagenkosten gehören zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger nach § 249 BGB zu ersetzen hat, wenn der Geschädigte diesen Weg der Schadensbeseitigung wählt. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Erforderlichkeit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs zu zweifeln. Die Klägerin hat vorgetragen, der Geschädigte habe mit dem angemieteten Fahrzeug 450 km zurückgelegt. Dies wurde von der Beklagtenseite zuletzt nicht in Abrede gestellt.
Allerdings ist ein Ersatz nur insoweit zu leisten, als der Betrag zur Herstellung objektiv erforderlich ist oder war. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Dabei ist auch der Rechtsgedanke des § 254 BGB anzuwenden. Die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten.
Der Geschädigte kann daher im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts Mietwagenkosten gemäß der Tabelle des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation ersetzt verlangen (vgl. dazu z.B. auch OLG München, Schlussurteil vom 25.07.2008, 10 U 2539/08). Dies steht zwischen den Parteien im Grundsatz nicht in Streit.
Die Beklagtenseite weist allerdings zu Recht darauf hin, dass grundsätzlich eine Herabsetzung der Mietwagenkosten in Betracht kommt, wenn der Geschädigte einen Unfall auf Kosten des Schädigers für sich und einen Dritten ausnutzt.
Dem liegt folgender Gedanke zugrunde: Bei einem privaten Vermieter, der grundsätzlich bereit ist, sein Fahrzeug zu vermieten, ist der finanzielle Anreiz bei Mietkosten in Höhe der Hälfte eines gewerblichen Mietwagenunternehmers regelmäßig ausreichend groß, um auf ein entsprechendes Angebot einzugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei ihm zahlreiche Aufwendungen, die beim gewerblichen Vermieter den Gewinn schmälern, wie Unterhaltung des Geschäftsbetriebes mit Anschaffung und Instandhaltung des Wagenparks, Unkosten für Personal und Miete oder Pacht und Werbungskosten nicht anfallen beziehungsweise von der Unterhaltung des vermieteten Fahrzeuges unabhängig sind. Die gezahlte Miete kommt ihm damit weitgehend als echter Gewinn zugute und das getätigte Geschäft erweist sich als ausgesprochen günstig. Gleiches gilt, wenn der Vermieter das Fahrzeug nicht als sog. Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen hat. In diesem Fall entfallen etwa die Kosten für die jährliche Hauptuntersuchung, welche bei Selbstfahrervermietfahrzeuge vorgeschrieben ist. Auch versicherungsrechtlich ist die Zulassung von Relevanz. Bei einem Selbstfahrervermietfahrzeug ist mit höheren Versicherungsprämien zu rechnen, da dieses Fahrzeug von einer Vielzahl von Personen gefahren wird. Bei einer derartigen Vermietung liegt es daher grundsätzlich nahe, dass nur deshalb eine Miete in Höhe der gewerblichen Miete vereinbart wird, weil der Schädiger für sie aufzukommen hat. Im Regelfall lässt sich ein wirtschaftlich denkender Mensch nicht auf ein Geschäft ein, bei dem er mit preisbildenden Faktoren – eben den unternehmensbezogenen Aufwendungen – belastet wird, die dem Vertragspartner gar nicht entstehen. Wer bei Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeuges diesen allgemeinen Grundsatz des Haftungsrechtes verletzt, muss es sich gefallen lassen, dass die überhöhte Mietkostenrechnung bei Bemessung der Entschädigung auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß zurückgeführt wird, sofern er nicht vorzieht, anstatt „konkret“ nach den ihm erwachsenen Mietwagenkosten, „abstrakt“ nach dem Wert der entgangenen Gebrauchsvorteile des Unfallfahrzeuges abzurechnen (siehe hierzu Ausführung: LG Karlsruhe, Urteil v. 24.02.1989, 9 S 476/88). Vorliegend ist allerdings nicht ersichtlich, dass ein solches Geschäft zwischen dem Geschädigten und der Klägerin vorgenommen wurde. Die Anmietung erfolgte nicht bei einem Verwandten oder Bekannten, d.h. einer Privatperson, oder einem Unternehmen, welches in keinem Zusammenhang mit einer Autovermietung steht, sondern vielmehr bei einem Autohaus. Eine derartige Absprache ist mithin nicht ersichtlich.
Der Geschädigte hat daher den vollen Anspruch auf Ersatz der begehrten Mietwagenkosten gegen die Beklagte.
Hieran ändert im Grundsatz auch die Abtretung des Ersatzanspruches an die Klägerin nichts, da der Inhalt des Anspruchs – worauf die Klageseite zu Recht hinweist – durch die erfolgte Abtretung nicht verändert wird.
Allerdings muss sich die Klägerin nach Ansicht des Gerichts die sog. dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) entgegenhalten. Wie oben dargestellt, kann die Klägerin in Folge der Nichtzulassung des Ersatzfahrzeugs als Selbstfahrervermietfahrzeug eine Reihe von Aufwendungen, die dem Halter eines Selbstfahrervermietfahrzeugs entstehen (z.B. Kosten für jährliche Hauptuntersuchung, höhere Versicherungsprämien), als echten Gewinn abschöpfen. Nach Auffassung des Gerichts ist dies mit der objektiven Interessenlage, wonach gem. § 249 BGB lediglich die erforderlichen Mietwagenkosten zu erstatten sind, unvereinbar.
Das Gericht hält in dieser Konstellation, in der kein Selbstfahrervermietfahrzeug angemietet wird und der Eigentümer bzw. Halter dieses Ersatzfahrzeugs den Anspruch auf Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht geltend macht, für angezeigt, die erstattungsfähigen Mietwagenkosten um die gegenüber dem Halter eines Selbstfahrervermietfahrzeugs nicht entstandenen Aufwendungen zu kürzen.
Im Rahmen des tatrichtlichen Ermessens nach § 287 ZPO hält das Gericht eine Herabsetzung der Mietwagenkosten gemäß Fraunhofer-Liste in Höhe von 20 % für angemessen und gerechtfertigt.
Zu erstatten sind damit vorliegend Mietwagenkosten in Höhe von 202,92 € (80 % der Mietwagenkosten nach Fraunhofer-Tabelle) abzüglich eines Eigenersparnisanteils in Höhe von 10 % – hier 20,29 € – mithin 182,63 €.
Unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung in Höhe von 148,75 €, welcher Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB zukommt, verbleibt der Klägerin ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 33,88 €.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
II.
Der Anspruch ist antragsgemäß seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB, 291 S. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
IV.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Berücksichtigung der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel