Verkehrsrecht

Entlastung des Betreibers einer Autowaschanlage bei Beschädigung eines Pkw

Aktenzeichen  31 S 2137/17

Datum:
12.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114004
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 S. 2, § 631, § 634 Nr. 4, § 823 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Gegen den Betreiber einer Autowaschanlage kann der Vorwurf der Fahrlässigkeit nur dann erhoben werden, wenn er nicht das beachtet hat, was der Verkehr von ihm berechtigterweise erwarten kann. Der Rechtsverkehr kann aber im Normalfall nicht mehr erwarten, als dass der Betreiber einer risikobehafteten Anlage die dafür maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet und diejenigen Sicherheitsvorkehrungen trifft, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Waschanlagenbetreiber hat nicht die Pflicht, über jede auch nur theoretisch denkbare Gefährdung aus der Wechselwirkung von Fahrzeug und Waschanlagentechnik aufzuklären. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein solches schädigendes Zusammenwirken von Fahrzeugbeschaffenheit und Waschanlage vorliegt, welches so atypisch ist, dass eine Aufklärung darüber auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und nach Treu und Glauben nicht erwartet werden kann. Ihm ist nicht zumutbar, von jedem existierenden Fahrzeugtyp Kenntnis darüber zu erlangen, welche Bauteile den Einwirkungen einer den technischen Vorgaben entsprechenden Waschanlage möglicherweise doch nicht standhalten könnten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

262 C 19865/14 2017-02-01 Berichtigungsbeschluss AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 11.01.2017, Az. 262 C 19865/14, aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.037,22 € festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Berufungsrechtsstreits ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der Beschädigung ihres Pkw Audi Q 5 in der Waschanlage des Beklagten.
Das Amtsgericht München hat mit Endurteil vom 11.01.2017 den Beklagten zur Zahlung der Reparaturkosten in Hohe von 1037,22 € € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2014 und zur Zahlung von Nebenforderungen in Gestalt vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 201,71 €€ an die Klägerin verurteilt.
Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung der Reparaturkosten und Nebenforderungen. Der Beklagte meint, zum Ersatz des entstandenen Schadens nicht verpflichtet zu sein, da es seinerseits schon an einer Pflichtverletzung fehle, jedenfalls aber ein Vertretenmüssen und Verschulden zu verneinen sei, da er alles Erforderliche getan habe, was von einem sorgfaltsgemäß handelnden Waschanlagenbetreiber im Verkehr zu erwarten gewesen sei, um Schäden an den Fahrzeugen zu verhindern.
Der Beklagte beantragt,
1.Das Urteil des Amtsgerichts München vom 1.2.2017 wird aufgehoben.
2.Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung vom 08.02.17 zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie ist insbesondere der Meinung, dass sich eine Pflichtverletzung des Beklagten schon daraus ergebe, dass das Fahrzeug durch den Waschvorgang beschädigt worden sei, da damit eine erfolgsbezogene Leistungspflicht aus dem Werkvertrag durch den Beklagten verletzt worden sei. Ein Entlastüngsbeweis sei dem Beklagten nicht gelungen.
Im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen. Etwaige Änderungen oder Ergänzungen sind nicht veranlasst.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die erstinstanzliche Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung nach § 513 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 546 ZPO, weil der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu Unrecht zugesprochen wurde.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten kann weder aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht, noch aus §§ 631, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung vertraglicher Pflichten begründet werden.1. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus §§ 631, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB
a) Der Beklagte hat aus dem Werkvertrag die Verpflichtung, das Fahrzeug ohne Beschädigung zu waschen.
Eine Ansicht geht deshalb von einer erfolgsbezogenen Pflicht aus, bei welcher sich der Beweis -der objektiven Pflichtverletzung bereits daraus ergibt, dass die Leistung nicht ordnungsgemäß, nämlich mangelhaft erbracht wurde. Somit wird dann durch den Nachweis des Schadens zugleich die Pflichtverletzung bewiesen (OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 660-662). Nach dieser Ansicht wäre vorliegend somit ohne weiteres von einer Pflichtverletzung des Beklagten auszugehen.
Man kann demgegenüber aber auch nur das reine Waschen als Hauptleistungspflicht aus dem „Waschvertrag“ mit einer Schutzpflicht als eine vertragliche Nebenpflicht dahingehend ansehen, das Eigentum, also die Fahrzeuge der Anlagenbenutzer vor jeglicher Beschädigung im Zusammenhang mit der Vertragsumsetzung zu bewahren (§ 241 Abs. 2 BGB) (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18. Mai 2017 – 2 O 8988/16).
Es kann dahinstehen, welcher Ansicht man folgt, da das Ergebnis in beiden Fällen dasselbe ist.
Denn es ist abweichend von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigtenin der Rechtsprechung anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden, so auch eines Waschanlagenbetreibers, geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrührt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2002,1459, OLG Hamburg, DAR 1984, 260; LG Bayreuth, NJW 1982, 1766, 1767) (sog. Beweislastverteilung nach Verantwortungs- und Gefahrbereichen). Die erstinstanzlich aufgrund der Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin festgestellte Tatsache, dass die Beschädigung nur während des Waschvorgangs eingetreten sein konnte, da sie zuvor nicht vorhanden gewesen sei und auch bis zur Feststellung des Schadens nicht durch einen Unfall entstanden sei, ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen, da Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellung nicht bestehen.
Der Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass die tatsächliche Frage der technischen Verursachung der Beschädigung während des Waschvorgangs letztlich auch durch den Sachverständigen nicht in Gänze aufgeklärt werden konnte. Denn die Beschädigung ist jedenfalls innerhalb der zur Verantwortungssphäre des Beklagten als Betreiber gehörenden Waschanlage und während des Reinigungsvorgangs entstanden.
b) Das gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vermutende Vertretenmüssen der Pflichtverletzung durch den Beklagten wurde jedoch widerlegt. Denn trotz einer etwaigen erfolgsbezogenen Pflicht, handelt es sich nicht um eine verschuldensunabhängige Gefährdungs- bzw. Garantiehaftung (vgl. BGH NJW 1975, 685).
Noch zutreffend führt das Erstgericht aus, dass der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Fahrzeugwaschanlagen sowie Schäden an Fahrzeugen und Transportanlagen Dipl.-Ing. Eugen Haberkorn aus technischer Sicht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass als Möglichkeit für die Beschädigungen des Fahrzeugs sowohl eine zu geringe Haltewirkung der linken Heckverkleidung als auch eine zu dichte Positionierung der Front-Seite-Bürste zu nennen ist, sodass im Zusammenwirken der beiden Kriterien links die Heckverkleidung beschädigt werden konnte, während an der rechten Seite kein Schaden entstanden ist (Seite 14 Erstgutachten, Bl. 65 d.A.),. Hieraus lässt sich aus Sicht der Kammer jedoch entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht der Schluss ziehen, dass aufgrund dieser Feststellungen des Sachverständigen der Beklagte den Entlastungsbeweis nicht geführt hat.
Denn der Sachverständige hat noch weitere Feststellungen aus technischer Sicht getroffen. In seinem Ergänzungsgutachten vom 14.07.16 führt der gerichtliche Sachverständige weiter aus, dass am Klägerfahrzeug serienmäßig eine Stelle existiert, die einen ungestörten Borstenverlauf nicht garantiert (Seite 9, Bl. 90 d.A.). Im Ortstermin hat der Sachverständige keinen Defekt an der Front-Seite-Bürste festgestellt. Die Waschanlage war zum Ortstermin am 19.5.15 ohne technische Mängel (Erstgutachten Seite 12f., Bl. 63f. d.A.). Der Sachverständige führt zusammenfassend im Ergänzungsgutachten aus, dass sich der Vorfall technisch im Spannungsfeld zwischen der Erwartung des Klägers, ein sauberes und unbeschädigte Fahrzeug nach der Wäsche zu erhalten und dem Betrieb der Waschanlage, welche das gültige Regelwerk erfüllt, bewegt (Seite 8 Ergänzungsgutachten, Bl. 89 d.A.). Dass sich an der Waschanlage zwischen dem streitgegenständlichen Ereignis und der Begutachtung irgendwelche technischen Veränderungen an der Waschanlage ergeben hätten, wird weder vorgetragen noch ist diesbezüglich etwas ersichtlich.
Die Kammer schließt sich den zutreffenden technischen Ausführungen des als zuverlässig bekannten Sachverständigen vollumfänglich an und gelangt in Zusämmenschau aller dieser Punkte zu dem Ergebnis, dass der Beklagte hier den Entlastungsbeweis geführt hat. Denn aus Sicht der Kammer ist es grundsätzlich ausreichend, dass die Waschanlage sozusagen das gültige Regelwerk erfüllt, sofern nicht besondere Umstände gegeben sind. Solche sind vorliegend aber nicht gegeben.
Insbesondere ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass etwa ein solcher Vorfall in der Waschanlage des Beklagten schon ein- oder mehrmals vorgekommen wäre.
Der Vorwurf der Fahrlässigkeit kann nur dann erhoben werden, wenn der Betreiber einer Autowaschanlage nicht das beachtet hat, was der Verkehr von ihm berechtigterweise erwarten kann. Der Rechtsverkehr kann aber im Normalfall nicht mehr erwarten, als dass der Betreiber einer risikobehafteten Anlage die dafür maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet (OLG München, OLGZ 1982, 381, 382). und diejenigen Sicherheitsvorkehrungen trifft, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH r+s 2014, 96; BGH BGHZ 195, 30; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18. Mai 2017- 2 O 8988/16).
Ein Fahrlässigkeitsvorwurf wäre auch im Hinblick auf einen etwaigen unterbliebenen Hinweis seitens des Beklagten auf ein Schadensrisiko zu verneinen. Zwar ist eine deutliche Warnung erforderlich, wenn die Anlage konstruktionsbedingt für bestimmte serienmäßig ausgerüstete Pkw nicht geeignet ist (Grüneberg, in: Palandt 76. Aufl. 2017, § 280 Rn. 85; OLG Karlsruhe NZV 2015, 593). da ein. Vorliegend hat der Beklagte weder gekannt, noch hätte er kennen müssen, dass sich die Borsten gerade am Fahrzeug der Klägerin verhaken können. Denn der Waschanlagenbetreiber hat nicht die Pflicht, über jede auch nur theoretisch denkbare Gefährdung aus der Wechselwirkung von Fahrzeug und Waschanlagentechnik aufzuklären. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein solches schädigendes Zusammenwirken von Fahrzeugbeschaffenheit und Waschanlage vorliegt, welches so atypisch ist, dass eine Aufklärung darüber auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und nach Treu und Glauben von einem sorgfältigen Waschanlagenbetreiber nicht erwartet werden kann. Denn die Anforderungen an die Sorgfalt eines Waschanlagenbetreibers dürfen auch nicht überspannt werden. Die Rechtsauffassung des Beklagten, dass ihm als Autowaschanlagenbetreiber nicht zumutbar ist, von jedem existierenden Fahrzeugtyp in jedweder, zumindest serienmäßiger Ausstattung Kenntnis darüber zu erlangen, welche Bauteile den Einwirkungen einer den technischen Vorgaben entsprechenden Waschanlage möglicherweise doch nicht standhalten könnte, ist zutreffend. Insbesondere kann von ihm nicht verlangt werden, vor Inbetriebnahme der Anlage zunächst entsprechende Sachverständigengutachten einzuholen, um dann vielleicht feststellen zu können, dass möglicherweise bei einem, bestimmten Fahrzeugtyp eine Beschädigungsgefahr besteht. So muss auch er sich grundsätzlich darauf verlassen können und dürfen, dass eine technisch mangelfreie Waschanlage grundsätzlich keine Schäden an den Fahrzeugen verursacht.c) Somit kam es hier auf die Frage, woraus sich die Aktivlegitima tion der Klägerin ergibt, nicht an, da bereits kein vertraglicher Schadenersatzanspruch besteht.
2. Auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB scheidet vorliegend jedenfalls ebenfalls mangels Verschuldens des Beklagten aus, wobei sich dies mit der Frage der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht überschneidet. So fehlt es auch an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, welcher der Betreiber einer Autowaschanlage grundsätzlich dadurch genügt, dass die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht (OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1459, 1460; OLG München, OLGZ 1982, 381, 382). Mehr ist – wie bereits erwähnt – vom Beklagten nicht zu verlangen. Die Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Kostenpauschale) waren nicht zuzusprechen, da diese das Schicksal des Hauptanspruchs teilen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 3 ZPO, 47 GKG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich vielmehr um einen Einzelfall.

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