Verkehrsrecht

Ersatzfähige Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall

Aktenzeichen  331 C 28362/15

Datum:
29.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DAR – 2016, 468
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 249, § 254

 

Leitsatz

1 Die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall gehören grundsätzlich zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 BGB zu ersetzen hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Als erforderlich iSd § 249 BGB sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde, wobei auch der Rechtsgedanke des § 254 BGB anzuwenden ist. (redaktioneller Leitsatz)
3 Dem Geschädigten steht es grundsätzlich frei, von wem er den Ersatzwagen anmietet. Von mehreren gleichwertigen Möglichkeiten hat er jedoch die preiswerteste wahrzunehmen. Zur “Marktforschung” ist er dabei nicht verpflichtet; insbesondere bei sehr hohen Mietwagenkosten trifft ihn aus § 254 BGB aber die Obliegenheit, den für ihn voraussichtlich günstigsten Tarif zu wählen und sich ggf. nach Sonder- und Pauschaltarifen zu erkundigen. (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Geschädigte kann das erste Angebot annehmen, sofern Anhaltspunkte fehlen, dass es überhöht ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 368,78 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.03.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 368,78 EUR festgesetzt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Unfall hinsichtlich der Sachverständigenkosten.
Die Haftung der Beklagten zu 100% ist dem Grunde nach unstreitig.
Mietwagenkosten
Streitig war die Ersatzfähigkeit weiterer Mietwagenkosten. Der Klägerin sind Mietwagenkosten von 1.421,93 EUR entstanden. Hierauf regulierte die Beklagte 1.053,15 EUR.
Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten von 368,78 EUR.
Grundsätzlich kann der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kosten für einen Mietwagen ersetzt verlangen. Die Mietwagenkosten gehören zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger nach § 249 BGB zu ersetzen hat, wenn der Geschädigte diesen Weg der Schadensbeseitigung wählt. Allerdings ist ein Ersatz nur insoweit zu leisten, als der Betrag zur Herstellung objektiv erforderlich ist oder war. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Dabei ist auch der Rechtsgedanke des § 254 BGB anzuwenden. Die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten.
Dem Gläubiger steht es grundsätzlich frei, von wem er den Wagen anmietet. Von mehreren gleichwertigen Möglichkeiten muss er jedoch die preiswerteste wahrnehmen. Allerdings verpflichtet ihn dies nicht zu einer „Marktforschung“ wegen § 254 Abs. 1 BGB trifft ihn aber die Obliegenheit, den für ihn voraussichtlich günstigsten Tarif zu wählen und sich ggf. nach Sonder- oder Pauschaltarifen zu erkundigen, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn sehr hohe Mietwagenkosten entstehen. Sofern Anhaltspunkte dafür fehlen, dass das Angebot überhöht ist (z.B. deutlich über dem marktüblichen Niveau liegender Tarif), kann der Geschädigte das erste Angebot annehmen (Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 431).
Der Verweis der Beklagten auf die …, einer … von der klägerischen Werkstatt ist nicht zumutbar. Der Kläger hat auch dargelegt, dass insoweit die Zustellung und Abholung mit weiterem Zeitaufwand verbunden gewesen wäre. Überdies sah die Mietwagenanmietung des Klägers keine Selbstbeteiligung vor.
Zudem ist keine Obliegenheitsverletzung des Klägers hinsichtlich der Anmietung erkennbar. Er hat insbesondere überdies ein klassentieferes Fahrzeug angemietet (vgl. LG München I, Urteil vom 22.12.1976, Az. 9 O 12318/76).
Zinsen
Der Klägerseite stehen antragsgemäß Verzugszinsen zu (§ 286 Abs. 1 BGB). Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 BGB.
Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit, Streitwert und Berufungszulassung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert folgt aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der Zinsforderung.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

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