Aktenzeichen M 7 K 16.82
Leitsatz
1. Hat sich bei einem Unfall die kraftfahrzeugtypische Gefahr eines Lkw als Transport- und Fortbewegungsmittel verwirklich, sind die Kosten für dadurch verursachte Feuerwehreinsätze zu erstatten. (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter notwendige Aufwendungen iSv Art. 28 Abs. 1, 2 BayFwG fasst man solche, die von der Feuerwehr den Umständen entsprechend für erforderlich gehalten werden durften, um den Einsatz erfolgreich durchzuführen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern, soweit in diesem Verfahren angefochten (Nummern 1 und 2), sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Über die Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung in Nummer 3 des Widerspruchsbescheids ist in dem abgetrennten Verfahren (M 7 K 16.5295) zu entscheiden.
Der Kostenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BayFwG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Satzung über Aufwendungsersatz für Einsätze und andere Leistungen bei Pflichtaufgaben der Feuerwehr der Landeshauptstadt München (Feuerwehr-Aufwendungsersatzsatzung). Danach kann die Beklagte für Einsätze im technischen Hilfsdienst, bei denen die Gefahr oder der Schaden durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen veranlasst war, Ersatz der notwendigen Auslagen verlangen, die durch Ausrücken und Einsätze ihrer Feuerwehr entstanden sind (vgl. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayFwG).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der mit Getränkekisten beladene Sattelschlepper der Klägerin verunglückte auf einer Hauptverkehrsstraße im Münchner Stadtgebiet, als er wegen Missachtung der Höhenbegrenzung in einer Bahnunterführung stecken blieb. Sein Aufbau und große Teile der Ladung wurden dabei beschädigt und verrutschten bzw. fielen teilweise vom Fahrzeug auf die Fahrbahn herab und verunreinigten diese. Die Feuerwehr musste den verkeilten Lastwagen mittels einer Seilwinde aus der Unterführung ziehen und die Ladung bergen bzw. umladen. Die Kosten für Feuerwehreinsätze bei derartigen Unfällen gehören typischerweise zum Schaden, der durch den Betrieb der vom Gesetzgeber als potentiell gefährlich eingestuften Kraftfahrzeuge verursacht wird (vgl. BayVGH, U.v. 7.5.2009 – 4 BV 08.166 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 19.7.2013 – 4 ZB 12.2339 – juris Rn. 13 ff.). Bei dem Unfall hat sich die kraftfahrzeugtypische Gefahr des Lkw als Transport- und Fortbewegungsmittel verwirklicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2013 – 4 ZB 12.2339 – juris Rn. 14). An der Behebung von Verkehrshindernissen auf öffentlichen Straßen besteht auch grundsätzlich ein öffentliches Interesse (vgl. Forster/Pemler/Remmele, BayFwG, 41. Lieferung, Stand Januar 2016, Art. 1 Rn. 48). Der Klägerin ist daher nicht zu folgen, wenn sie meint, dass die von dem verunglückten Lkw ausgehende Gefahrenlage bzw. der hierdurch bedingte Schaden eine technische Hilfeleistung der Feuerwehr zur Gefahrenabwehr bzw. zur Schadensbeseitigung nicht erfordert habe, da ein Tätigwerden der Feuerwehr zur Beseitigung dieser Gefahrenlage (zumindest teilweise) nicht im öffentlichen Interesse gelegen habe. Die umgehende Beseitigung der von dem verunglückten Lkw ausgehenden Gefährdungen und Behinderungen im öffentlichen Straßenraum – auf einer gerade zu Berufsverkehrszeiten überaus wichtigen Verkehrsverbindung im Münchner Stadtgebiet – durch die Feuerwehr lag im erheblichen öffentlichen Interesse.
Die Beklagte kann daher für den Einsatz ihrer Feuerwehr Kostenersatz für die notwendigen Aufwendungen verlangen (Art. 28 Abs. 1, 2 BayFwG), der sich der Höhe nach aus der Satzung der Beklagten ergibt, die darin Pauschalsätze (vgl. Art. 28 Abs. 4 BayFwG) festgelegt hat. Das Gericht ist überzeugt, dass die von der Feuerwehr getroffenen und gegenüber der Klägerin abgerechneten Maßnahmen notwendig waren.
Unter notwendige Aufwendungen fasst man solche, die von der Feuerwehr den Umständen entsprechend für erforderlich gehalten werden durften, um den Einsatz erfolgreich durchzuführen (Forster/Pemler/Remmele, a. a. O. Art. 28 Rn. 8). Ob der Feuerwehreinsatz und die dabei getroffenen Maßnahmen nach Art und Umfang erforderlich sind, ist eine vom Gericht in vollem Umfang zu prüfende Rechtsfrage, wobei allerdings die exante-Sicht maßgeblich ist, es also auf den Sach- und Kenntnisstand zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns ankommt (vgl. BayVGH, U.v. 3.9.2009 – 4 BV 08.696 – juris Rn. 33). Ferner ist es sachgerecht, wenn die Feuerwehr entsprechend ihres auf Erfahrungswerten basierenden Alarmierungskonzeptes und ihrer Ausrückeordnung, die Art und Umfang des sächlichen und personellen Einsatzes bei bestimmten Schadensereignissen vorsieht, verfährt, um sicherzustellen, dass bei einem Schadensereignis mit in der Regel unbekanntem Ausmaß dies bereits im ersten Zugriff wirkungsvoll bekämpft werden kann und das erforderliche Personal und die technische Ausstattung bereitstehen (BayVGH, U.v. 20.2.2013 – 4 B 12.717 – juris Rn. 19, 21; VGH BW, U.v. 8.6.1998 – 1 S 1390/97 – juris 1. Ls, Rn. 22).
Nach diesen Maßgaben sind die von der Feuerwehr der Beklagten geltend gemachten Aufwendungen nicht zu beanstanden. Es handelte sich um einen Einsatz auf einer Hauptverkehrsader im Münchner Stadtgebiet wegen eines verunfallten Getränkelasters. Der Zeuge, der als Einsatzleiter bei dem Feuerwehreinsatz vor Ort war, hat in der Verhandlung dargelegt, dass die Feuerwehr am … … 2015 um 7.10 Uhr aufgrund des Alarmstichworts „technische Hilfe groß, ein Lkw steckt in der Unterführung“ ausgerückt ist. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass nach dem Eingang des Alarms zunächst fünf Fahrzeuge ausgerückt sind (Ausrückzeiten zwischen 7.13 Uhr und 7.29 Uhr) und zwei weitere Fahrzeuge etwas später nachgerückt sind (Ausrückzeiten um 7.48 Uhr und 8.17 Uhr). Nachdem sich der Zeuge ein Bild von der Situation vor Ort gemacht hatte, wurden die notwendigen Maßnahmen mit dem Zugführer besprochen. Neben der von der Polizei vorgenommenen Straßensperrung der Fahrbahn Richtung stadtauswärts hat die Feuerwehr zunächst auch die stadteinwärts führende Fahrspur gesperrt, um mit der Winde des Rüstwagens den Lkw rückwärts aus der Unterführung zu ziehen, wofür ein bestimmter Sicherheitsabstand notwendig war. Der nicht mehr benötigte Rüstwagen rückte nach erfolgreichem Zurückziehen des verunfallten Fahrzeugs aus der Unterführung und dem Abstellen auf der rechten Fahrspur um 8.18 Uhr mit seiner Besatzung (2 Mann) wieder ein (Einsatzbericht, BA Bl. 5 ff.) Die stadteinwärts führende Straßenstrecke wurde daraufhin zwischen 8.00 Uhr und 8.45 Uhr zeitweise wieder freigegeben. In dieser Zeit haben die Einsatzkräfte den beschädigten Spriegelaufbau teilweise demontiert. Nach Eintreffen des von der Firma … bereitgestellten Ersatz-Lkw haben die Feuerwehrleute die Straßensperre stadteinwärts wieder errichtet und die verrutschte und beschädigte Ladung teilweise händisch, teilweise mit einem Stapler abgeladen, auf Paletten gestapelt, mit Folie umwickelt und auf den bereitgestellten Ersatz-Lkw umgeladen. Dies hat etwa von 9.00 Uhr bis 10.45 Uhr gedauert. Der Kommandant hat nachvollziehbar angegeben, dass es sich dabei um eine schwere körperliche Arbeit gehandelt hat, bei der das Personal durchgetauscht werden musste. Weiter wurde verfahrensökonomisch parallel an der Umladung und der Demontage des Spriegelaufbaus gearbeitet. Danach waren noch Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf die auf dem Lkw verbliebene Ladung (Sicherung mit Gurten) notwendig, auch musste die Fahrbahn gereinigt werden. Um 11.06 Uhr und 11.24 Uhr rückten zwei Fahrzeuge noch vor beendetem Einsatz wieder ein. Um 11.55 Uhr konnte das beschädigte Fahrzeug mit der auf dem Lkw verbliebenen und gesicherten Ladung im Schritttempo unter Begleitung durch die Polizei und ein Hilfeleistungslöschfahrzeug zur Brauerei zurückfahren, gleichzeitig gab die Polizei die Straße am Unfallort wieder für den Verkehr frei. Die Einrückzeiten der übrigen vier Fahrzeuge nach beendetem Einsatz liegen dementsprechend zwischen 12.06 Uhr und 12.19 Uhr.
Das Gericht ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Zeugen und dem von der Beklagten vorgelegten Bildmaterial von der Unfallstelle überzeugt, dass die eingesetzten Personal- und die Sachmittel sämtlich notwendige Aufwendungen waren. Anhaltspunkte für einen überdimensionierten Einsatz haben sich nicht ergeben. Das sukzessive Aus- bzw. Einrücken der Fahrzeuge belegt, dass die Einsatzstärke an die Gegebenheiten vor Ort angepasst wurde und nicht mehr benötigte Fahrzeuge und Einsatzpersonal vor Beendigung des Einsatzes von der Unfallstelle abgezogen wurden. Soweit die Klägerin einwendet, dass ein Einsatzleitwagen ausreichend gewesen wäre, hat der Zeuge dargelegt, dass bei größeren technischen Hilfeleistungen wie der vorliegenden ein übergeordneter Einsatzleiter neben dem Zugführer zur Unfallstelle beordert wird. Der Zugführer soll vor allem die technischen Maßnahmen am verunfallten Fahrzeug koordinieren, während der Einsatzleiter insbesondere die Kommunikation nach außen übernimmt. Vertreter der Münchner Verkehrsgesellschaft und der Deutschen Bahn haben Informationen über die Dauer der Sperrungen und Verkehrseinschränkungen benötigt, da ihre Busse die gesperrte Straße nicht mehr passieren konnten und der Zugverkehr, der auf den Bahnschienen auf der Überführung stattfindet, zunächst eingestellt wurde, bis ein Sachverständiger die Überführung auf seine Statik hin überprüft hat. Ein Entladen auf dem Brauereigelände, wie die Klägerin behauptet, hat nicht mit Hilfe von Feuerwehrleuten stattgefunden. Die Einrückzeiten belegen, dass nach Freigabe der Unfallstelle um 11.55 Uhr bzw. nach beendeter Begleitung des Lkw zur Brauerei die Feuerwehrfahrzeuge zeitnah eingerückt sind.
Die Beklagte hat ihr Entschließungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Auch wenn Art. 28 Abs. 1 und 2 BayFwG nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vom 17.4.2008 – 4 C 07.3356 – juris Rn. 9; vom 14.12.2011 – 4 BV 11.895 – juris Rn. 35) kein sog. intendiertes Ermessen in Richtung einer Kostenerhebung im Regelfall festlegt, genügt im Rahmen des Ermessens der Verweis auf das haushaltsrechtliche Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach Art. 61, Art. 62 GO, wenn wie hier besondere Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen, auf den Kostenersatz zu verzichten, nicht zu erkennen sind. Solche zu berücksichtigende Gesichtspunkte ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht, wenn die Unfallbeteiligten eines Autounfalls haftpflichtversichert sind (vgl. BayVGH U.v. 20.2.2013 – 4 B 12.717 – juris Rn. 21 m. w. N.).
Hinsichtlich der Höhe des Kostenersatzes sind keine Fehler ersichtlich, ferner ist die Geltendmachung der angefallenen Kosten nicht unbillig. Auf Aufwendungsersatz soll zwar nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG verzichtet werden, wenn eine Inanspruchnahme der Billigkeit widerspräche. Eine solche Fallkonstellation ist aber ersichtlich fernliegend, wenn der Kostenersatz von einer KFZ-Haftpflichtversicherung abzudecken ist (vgl. BayVGH, U.v. 20.2.2013 a. a. O. Rn. 22).
Die Beklagte hat zu Recht die Halterin des verunglückten Lkw gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayFwG zum Kostenersatz herangezogen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 2.689,35 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-)
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.