Verkehrsrecht

Fahrtenbuchauflage

Aktenzeichen  11 CS 18.1240

Datum:
15.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26915
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVZO § 31a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lehnt ein Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, aber kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben; sie muss erst weiter ermitteln, wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Nichteinhaltung der Zwei-Wochenfrist für die Benachrichtigung des Halters ist unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist, insbsondere wenn die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruht (Fortführung von BayVGH BeckRS 2013, 49043 Rn. 18 mwN). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Ausübung eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO im Hinblick auf seine sicherheitsrechtliche Zwecksetzung nicht entgegen (Fortführung von BayVGH BeckRS 2015, 42424 Rn. 24 mwN). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist bei einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h gerechtfertigt, bei der es sich – auch im Falle einer ersten derartigen Zuwiderhandlung – um eine Ordnungswidrigkeit von einigem Gewicht im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung handelt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 S 18.174 2018-05-17 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.800,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein Mitgeschäftsführer einer Tierklinik, wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, und die hierzu ergangenen Nebenverfügungen.
Am 6. September 2017 wurde mit einem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 10 km/h um 21 km/h überschritten. Der verantwortliche Fahrzeugführer konnte nicht festgestellt werden, da die Antragsgegnerin die auf dem Foto gezeigte männliche Person nicht identifizieren konnte, der Antragsteller auf Anhörungsschreiben und Telefonanrufe der Antragsgegnerin nicht reagierte und bei einer Vorsprache von Mitarbeitern des Straßenverkehrsamts (Zentrale Bußgeldstelle und Parküberwachungsdienst) keine Angaben zur Sache gemacht hat. Verfolgungsverjährung trat am 6. Dezember 2017 ein.
Nach Anhörung verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgelds von je 250,- EUR und der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 9. Januar 2018, für die Dauer von neun Monaten ab Zustellung des Bescheids ein Fahrtenbuch für das auf ihn zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen BA-* … und etwaige Ersatzfahrzeuge zu führen. Weiter gab sie ihm auf, ihr das Fahrtenbuch ab Februar 2018 bzw. – im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung – ab dem Folgemonat der Bestandskraft des Bescheids in monatlichen Abständen jeweils in der zweiten Woche des Monats unaufgefordert zur Prüfung vorzulegen und es nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, noch weitere sechs Monate aufzubewahren. Rechtsgrundlage sei § 31a StVZO. Es liege eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbuße von 80,- EUR zu ahnden sei und gemäß Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit einem Punkt bewertet werde. Nach gängiger Rechtsprechung gebe auch ein erstmaliger mit einem Punkt bewerteter Verkehrsverstoß Anlass zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Wegen der deutlichen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit handele es sich nicht um einen geringfügigen Verkehrsverstoß, so dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage pflichtgemäßem Ermessen entspreche.
Gegen den am 24. Januar 2018 zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 20. Februar 2018 Klage erheben, über die das Verwaltungsgericht Bayreuth (B 1 K 18.175) noch nicht entschieden hat, und gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2018 abgelehnt. In den Gründen wird ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 31a StVZO seien erfüllt. Es sei dokumentiert, dass mit dem Fahrzeug des Antragstellers ein Geschwindigkeitsverstoß begangen worden sei. Anwendungsfehler bezüglich der Messung mit dem Gerät Leivtec XV3 seien nicht zu erkennen. Es gehe um einen Verstoß gegen das Verkehrszeichen 274, anders als behauptet, nicht gegen das Zeichen 274.1. Der mit einem Punkt bewertete Verkehrsverstoß sei von einigem Gewicht, wobei es auf die Gesamtgeschwindigkeit von 31 km/h nicht ankomme. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei innerhalb der Verjährungsfrist trotz ausreichender, sachgemäßer Ermittlungen nicht möglich gewesen. Da der Antragsteller seine Mitwirkung verweigert habe, seien der Antragsgegnerin weitergehende Ermittlungen nicht zumutbar gewesen. Die Überschreitung der Zweiwochenfrist sei hier nicht kausal für die Erfolglosigkeit der Ermittlungen gewesen und damit unerheblich, da der Antragsteller sich nicht darauf berufen habe, wegen Erinnerungslücken den Fahrer nicht benennen zu können. Es liege ein deutliches Beweisfoto vor, aufgrund dessen er unschwer seinen Sohn als Fahrer habe identifizieren können. Durch sein Gesamtverhalten habe der Antragsteller der Behörde zu erkennen gegeben, nicht an der Feststellung des Fahrers mitwirken zu wollen. Er habe die beiden Anhörungsbögen nicht zurückgesandt. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass er zumindest eines der beiden Schreiben erhalten habe. Darüber hinaus habe sein sonstiges Verhalten, insbesondere anlässlich des Vor-Ort-Termins am 16. November 2017, den fehlenden Willen, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, zum Ausdruck gebracht. Nachdem er überhaupt keine Mitwirkungsbereitschaft habe erkennen lassen, sei es auch unerheblich, ob er als Betroffener oder als Zeuge angehört worden sei. Ermessensfehler, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Anordnung, seien gemessen an der einschlägigen Rechtsprechung ebenfalls nicht ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung wird ausgeführt, die gerichtliche Annahme einer verwertbaren Geschwindigkeitsmessung erscheine rechtsfehlerhaft, da sie nicht von einem Polizeibeamten vorgenommen worden sei. Die Qualifikation der Messperson sei nicht erkennbar, ebenso wenig, wann, durch wen und in welcher Weise die Auswertung erfolgt sei. Zudem sei das Messung-Start-Bild nicht vorgelegt worden, so dass nicht erkennbar sei, ob die Messung vollständig außerhalb des Messfeldrahmens erfolgt sei. Ferner hätten nach Weisung des Freistaats Bayern spätestens ab 2014 weder von staatlicher noch kommunaler Seite Geschwindigkeitskontrollen des Tempo-10-Gebots durchgeführt werden dürfen. Ausweislich der Anlage A5 handele es sich an der Messstelle um eine Tempo-10-Zone, die den Bereich Sutte und Maternstraße betreffe. Damit hätte eine Messung an dieser Stelle nicht erfolgen, zumindest ein Geschwindigkeitsverstoß nicht geahndet werden dürfen. Rechtsfehlerhaft erscheine auch, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h bei einer Gesamtgeschwindigkeit von 10 km/h die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertige, da hierdurch per se Anwohner und sonstige Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet seien. Ebenso rechtsfehlerhaft sei die Annahme, der Antragsteller habe gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen. Es gebe keinen Anscheinsbeweis, dass abgeschickte Schreiben den Empfänger auch erreichten. Der Gegenbeweis, dass ein Schreiben nicht eingegangen sei, wäre im Übrigen nicht möglich. Vom Verwaltungsgericht werde auch nicht berücksichtigt, dass es sich bei den Anhörungen vom 13. September und 9. Oktober 2017 um Betroffenenanhörungen gehandelt habe, so dass – selbst wenn diese zugegangen wären – keine Mitwirkungspflicht des Antragstellers bestanden hätte. Das Foto habe offensichtlich einen jungen Mann und nicht den Antragsteller gezeigt. Hierauf dürfte es jedoch nicht ankommen, nachdem jedenfalls die Beweislast für den Zugang bei der Antragsgegnerin liege. Grob rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung, dass es keinen Unterschied mache, ob eine Betroffenen- oder eine Zeugenanhörung erfolgt sei. Bei der Betroffenenanhörung habe der Betroffene ein Schweigerecht. Hieraus könnten keine nachteiligen Schlüsse hergeleitet werden.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und führt dazu aus, der Vortrag des Antragstellers zur Verwertbarkeit der Messung erschöpfe sich in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, so dass schon dem Darlegungserfordernis nicht genügt sei. Sie habe bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass die Messung von gesondert geschultem Messpersonal vorgenommen worden sei, wofür es Nachweise gebe. Die gefestigte Rechtsprechung gehe davon aus, dass es sich bei Messungen mit dem Gerät Leivtec XV3 um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handele. Folglich müssten Ausführungen zur Beachtung der Verfahrensbestimmungen erst bei konkreten Anhaltspunkten für deren Nichteinhaltung oder bei der Behauptung konkreter Messfehler gemacht werden, was hier nicht der Fall sei. An der Messstelle sei keine „Tempo-10-Zone“ festgesetzt, sondern eine auf der verkehrsbehördlichen Anordnung aus dem Jahr 1987 beruhende Geschwindigkeitsbeschränkung mit Verkehrszeichen 274 festgesetzt. Bei der vom Antragsteller in Bezug genommenen Anlage 5 handele es sich um eine Auskunft aus der Straßenverkehrsdatei zu einem anderen Vorfall in Burgebrach. Auf dem Messprotokoll (Anlage 4 zum Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO) sei unter der Rubrik „innerhalb geschlossener Ortschaften“ gerade das „Zeichen 274“ angekreuzt und nicht das Feld „Zeichen 274.1 (Zone)“. Weiter sei nicht nachvollziehbar, wie der Antragsteller zu der Überzeugung gelange, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h nicht beachtet werden müsse und bei 31 km/h keine Gefährdung der Anwohner zu besorgen sei, zumal das Messprotokoll auf besondere Straßenverhältnisse, nämlich „enge Gehwege“, hinweise. Auch die Behauptung des Antragstellers, nur als Betroffener angehört worden zu sein, sei falsch. Das mit „Anhörung des Betroffenen“ überschriebene Schreiben vom 9. Oktober 2017 gehe auch darauf ein, dass es sich bei dem Adressaten um einen Zeugen handeln könne. Wenn der Antragsteller suggerieren wolle, er habe im Glauben, es handle sich um eine Betroffenenanhörung, die Mitwirkung verweigert, setze er sich in Widerspruch zu seiner Aussage, er werde keine Mitarbeiter verraten. Ein Ermittlungsdefizit bestehe nicht. Auch habe das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beweislast hinsichtlich des Zugangs der an den Antragsteller adressierten Schreiben Rechnung getragen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 bis 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre.
Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Oktober 2017 (BGBl I S. 3723), voraus, dass nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen steht der zum Anlass für die Fahrtenbuchauflage genommene Verkehrsverstoß mit hinreichender Sicherheit (vgl. dazu BayVGH, B.v. 9.1.2012 – 11 CS 11.2727 – juris Rn. 29; OVG NW, B.v. 15.5.2018 – 8 A 740/18 – DVBl 2018, 961 = juris Rn. 7 f. m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 16) fest, dass nämlich mit einem auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeug am 6. September 2017 die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 10 km/h um 21km/h überschritten worden ist.
Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist weder rechtlich unzulässig noch der Verkehrsüberwachung oder eine Zuwiderhandlung hiergegen der Ahndung entzogen. Aus der rechtlichen Grundlage (§ 41 Abs. 1 StVO und Anlage 2) für das hier durch Zeichen 274 angeordnete Gebot, nicht schneller als mit der angegebenen Höchstgeschwindigkeit zu fahren, ergibt sich keine Regelungsuntergrenze. Vielmehr sehen sowohl die allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (Anlage 8 zur VwV-StVO, Ordnungsnummer 274-10) als auch der Verkehrszeichenkatalog (Nummer 5-130), welcher sämtliche Verkehrszeichen einschließlich Zusatzzeichen und Verkehrseinrichtungen gemäß §§ 39 bis 43 StVO sowie zulässige Varianten von diesen enthält, – anders als für Tempozonen gemäß Zeichen 274.1 – ein entsprechendes Verkehrsschild für eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 10 km/h vor. In dem vom Antragsteller seinem Eilantrag beigefügten Artikel über angeblich unzulässige „Tempo 10-Schilder“ (Anlage A 5) wird insofern lediglich eine hinsichtlich der konkret aufgestellten Verkehrszeichen und ihrer Standorte unbestimmte Meinung des Verfassers wiedergegeben, der sich auch nicht, wie vorgetragen, entnehmen lässt, dass am Messort in der Storchsgasse eine Tempo 10-Zone durch Zeichen 274.1 eingerichtet war. Nicht nachvollziehbar ist der hergestellte Zusammenhang zwischen dem Messort und einer in einiger Entfernung in der Sutte und Maternstraße eingerichteten Tempo 10-Zone durch Zeichen 274.1. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gilt gemäß § 47 OWiG das Opportunitätsprinzip, wonach die Verfolgungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob sie ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitet oder durchführt. Dabei besteht innerhalb der Grenzen der Bedeutung der jeweiligen Ordnungswidrigkeit, der Zweckmäßigkeit der Verfolgung und dem staatlichen Verfolgungsinteresse ein weiter Ermessensspielraum (A. Bücherl in BeckOK OWiG, Stand 15.6.2018, § 47 Rn. 7). Nachdem die Anordnung der sehr niedrigen Höchstgeschwindigkeit hier offensichtlich dem – wie von der Antragsgegnerin vorgetragen – engen, teils nur einseitig vorhandenem Gehweg an einer weitgehend geschlossen bebauten, nur drei Meter breiten Einbahnstraße Rechnung trägt und die angeordnete Geschwindigkeit um das Dreifache überschritten worden ist, erscheint die Verfolgung von Zuwiderhandlungen weder ermessenswidrig noch willkürlich.
Auch die gegen die Verwertbarkeit der streitgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung gerichteten Einwände greifen nicht durch. Zum einen ist die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen nicht allein Polizeibeamten vorbehalten. Bei der festgestellten Geschwindigkeitsübertretung handelt es sich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit im Sinne von § 24 Abs. 1 StVG, für deren Verfolgung und Ahndung (§ 47 Abs. 1 OWiG) gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 26 Abs. 1 StVG, § 88 Abs. 3 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184, BayRS 2015-1-1-V), zuletzt geändert durch § 5 des Gesetzes vom 24. Juli 2018 (GVBl. S. 613), neben Bediensteten der Polizei (§ 91 ZustV) auch die Gemeinden zuständig sind (wie bis zum 30.6.2015 nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZuVOWiG). Die mit dieser Regelung entstehenden Mehrfachzuständigkeiten werden in § 39 Abs. 1 Satz 1 OWiG vorausgesetzt und sind damit zulässig (Graf in BeckOK OWiG, § 88 ZustV Rn. 5). Zum andern ist die Geschwindigkeitsmessung, wie sich aus dem bis zum 31. Dezember 2018 gültigen Eichschein ergibt, mit dem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt am 2. Juli 2009 zugelassenen Messgerät Leivtec XV3 und damit in einem anerkannten und standardisierten Messverfahren (vgl. OLG Celle, B.v. 7.6.2018 – 2 Ss (OWi) 118/18 – ZfSch 2018, 470 = juris Rn. 5; OLG Köln, B.v. 20.4.2018 – III-1 RBs 115/18 u.a. – ZfSch 2018, 470 = juris Rn. 18 ff.; KG Berlin, B.v. 12.7.2017 – 3 Ws (B) 166/17 u.a. – VRS 132, 31 = juris Rn. 9 f. jeweils m.w.N.) gewonnen worden, d.h. in einem durch Normen vereinheitlichten technischen Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH, B.v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 – BGHSt 43, 277/284 = juris Rn. 27). Daher hätte sich das Verwaltungsgericht nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Messfehler von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugen müssen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 3 StVO Rn. 56b; BGH, a.a.O. Rn. 26) und ein Fahrzeughalter, der den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen müssen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (vgl. OVG NW, B.v. 15.5.2018 – 8 A 740/18 – DVBl 2018, 961= juris Rn. 9 m.w.N.). Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt (OVG NW, a.a.O. Rn. 11). Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall, da der Antragsteller im Kern nur rügt, den Messvorgang, dessen Auswertung und die Qualifikation der Messperson nicht nachprüfen zu können, ohne dass er Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung genannt hat oder solche ersichtlich sind. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Antragsgegnerin kein Messung-Start-Foto vorgelegt hat. Auf Blatt 9 der Behördenakten, in die der Bevollmächtigte des Antragstellers Einsicht genommen hat, befinden sich die Fotos von Start und Ende der Messung, auf denen innerhalb des Messrahmens kein anderes Fahrzeug als das des Antragstellers zu sehen ist, so dass nichts gegen eine klare Zuordnung der Messung spricht (vgl. Krumm, NZV 2015, 174/175). Nachdem die Antragsgegnerin die Schulung der Messperson durch den Schulungsnachweis vom 14. Mai 2016 belegt hat, kann offen bleiben, ob ihr dies im Hinblick auf die unsubstantiierte Kritik an der Geschwindigkeitsmessung oblegen hätte. Die Auswertung der Messung findet mittels der Referenz-Auswertesoftware Leivtec Speed Check statt, welche Bestandteil der Zulassung des Geräts ist (Krumm, NZV 2015, 174).
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die erfolglos gebliebenen Bemühungen der Antragsgegnerin, den verantwortlichen Fahrer zu ermitteln, den rechtlichen Anforderungen genügen. Dies gilt ungeachtet dessen, ob und wann dem Antragsteller zumindest einer der beiden Anhörungsbogen zugegangen ist. In dem fernmündlichen Gespräch vom 6. Oktober 2017 hat der zuständige Sachbearbeiter der Antragsgegnerin den Antragsteller über die mit seinem Fahrzeug begangene Verkehrsordnungswidrigkeit und den Versand des Anhörungsschreibens vom 13. September 2017 benachrichtigt und die Übersendung eines zweiten Anhörungsbogens angekündigt. Mit Nichtwissen bestritten ist insoweit nur, ob dem Antragsteller das Datum der Tat mitgeteilt worden ist. Nachdem keiner der Anhörungsbögen in Rücklauf gekommen war, suchten am 16. November 2017 zwei Mitarbeiter der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, um ihn als Zeugen hierzu, insbesondere auch zu männlichen Fahrzeugführern im privaten Umfeld, zu befragen. Nach Angabe des das Gespräch führenden Mitarbeiters reagierte der Antragsteller hierauf gleich zu Beginn durch einen Verweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Er weigerte sich, einen Anhörungsbogen zur Kenntnis zu nehmen und sagte, er werde keine Angaben machen, denn er verrate keine Mitarbeiter, und leiste keine Unterschrift „an der Tür“. Selbst wenn man der Darstellung des Antragstellers im Schreiben vom 6. Dezember 2017 folgen würde, er habe lediglich gesagt, er wisse nicht, ob er hierüber Angaben machen wolle, und sodann, dass er keine Unterschriften an der Tür gebe, sind auch dies keine sachdienlichen Aussagen, sondern Ausdruck einer von vornherein abwehrenden Haltung, die bei den Mitarbeitern der Antragsgegnerin den Eindruck erwecken musste, dass er nicht willens war, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Insbesondere ist diesen Äußerungen nicht zu entnehmen, dass ihm die Mitwirkung, z.B. wegen fehlender Kenntnis des Datums der Tat, nicht möglich gewesen wäre. Allerdings überzeugt die Darstellung des Antragstellers über den Verlauf des Gesprächs vor dem Hintergrund, dass sich der Außendienstmitarbeiter in Begleitung seiner Dienstvorgesetzten in einer Beurteilungssituation befand und kein Interesse an einer schlechten Beurteilung und einem Scheitern seiner Ermittlungsbemühungen haben konnte, nicht. Darüber hinaus ist auch die Ignorierung der Bitte um Rückruf vom 21. November 2017 ein Zeichen fehlender Mitwirkungsbereitschaft. Lehnt aber ein Fahrzeughalter wie hier erkennbar die Mitwirkung an den Ermittlungen ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, aber kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben (vgl. stRspr BVerwG, B.v. 1.3.1994 – 11 B 130.93 – VRS 88, 158 = juris Rn. 4 m.w.N.). Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 31a StVZO Rn. 39 m.w.N.). Solche Umstände lagen hier jedoch nicht vor. Nachdem der Antragsteller mit seiner Bemerkung, er werde keine Mitarbeiter verraten, den Verdacht weg von männlichen Familienangehörigen hin zu den Mitarbeitern seiner Praxis gelenkt und die Antragsgegnerin eine vergebliche Facebook-Recherche nach Personen im privaten Umfeld durchgeführt hatte, waren weitere Ermittlungsbemühungen ihrerseits nicht gefordert.
Aufgrund der mündlichen Gespräche vom 6. Oktober 2017 und vom 16. November 2017 war – nachdem kein anderer Verkehrsverstoß im Raum stand – ungeachtet des genauen Datums der Tat auch der inhaltliche Bezug des Schreibens der Antragsgegnerin vom 22. November 2017 klar, mit dem sie nochmals um die Benennung des Fahrers bat. Soweit der Antragsteller mit Schreiben vom 28. November 2017 erstmals geltend gemacht hat, eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers sei ihm aufgrund der vergangenen Zeit ohne genauere Angaben nicht möglich, beruhte die Unkenntnis auf seinem vorangegangenen Verhalten und war nicht der Antragsgegnerin anzulasten. Im Hinblick darauf hätte es dem Antragsteller oblegen, rechtzeitig eine nunmehr gegebene Mitwirkungsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen und von sich aus geeignete Nachfragen zu stellen.
Unschädlich ist, dass der Antragsteller nicht nachweisbar innerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten Zweiwochenfrist für die Benachrichtigung des Halters angehört worden ist. Die Zweiwochenfrist gilt nicht für vom Regelfall abweichende Gestaltungen, in denen – bei typisierender Betrachtung – auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist außerdem unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist. An einem derartigen Kausalzusammenhang fehlt es dementsprechend, wenn die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruht (BayVGH, B.v. 8.3.2013 – 11 CS 13.187 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 12.2.2007 – 11 B 05.427 – juris Rn. 17 f.; vgl. auch BVerwG, B.v. 25.6.1987 – 7 B 139.87 – DAR 1987, 393 = juris Rn. 2 f.; B.v. 14.5.1997 – 3 B 28.97 – juris Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 31a StVZO Rn. 30 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, war im Falle des Antragstellers nicht eine verspätete Anhörung ursächlich für die unterbliebene Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, sondern seine Weigerung, anlässlich der behördlichen Vorsprache am 16. November 2017 den Anhörungsbogen zur Kenntnis bzw. entgegenzunehmen, auf dem sich ein gut erkennbares Foto seines Sohnes befand, den er anhand dieses Fotos nach Ablauf der Verfolgungsverjährung auch zweifelsfrei identifizieren konnte.
Hiernach kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2016 – 11 BV 15.1164 – BayVBl 2015, 593 = juris Rn. 21) dem Antragsteller zu Recht nicht abgenommen hat, dass er keinen der beiden Anhörungsbögen erhalten hat, welche an dieselbe Anschrift wie die zugegangenen Schreiben vom 22. und 30. November 2017 und der angefochtene Bescheid zugestellt worden sind, ohne dass einer von ihnen als unzustellbar in Rücklauf gekommen wäre.
Die Ausübung eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht entgegen. Macht der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, von seinem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch, muss er gemäß § 31a StVZO die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (BVerwG, Bv. 11.8.1999 – 3 B 96.99 – BayVBl 2000, 380 = juris Rn. 3; B.v. 22.6.1995 – 11 B 7.95 – DAR 1995, 459 = juris Rn. 3; OVG Hamburg, B.v. 28.6.2016 – 4 Bf 97/15.Z – VRS 130, 328 = juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 28.1.2015 – 11 ZB 14.1129 – juris Rn. 24 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 3 B 90/14 – LKV 2015, 39 = juris Rn. 5). Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht, da es dem sicherheitsrechtlichen Zweck des § 31a StVZO widerspräche (BVerwG, B.v. 22.6.1995, a.a.O. Rn. 4 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568 = juris Rn. 7; BayVGH, a.a.O.).
Schließlich ist die Anordnung gemäß § 31a StVZO auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und einer zweckgerechten Ermessensausübung bei Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h (nach Abzug einer Toleranz von 3 km/h) gerechtfertigt, die gemäß Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zur FeV i.V.m. § 1 BKatV i.V.m. Nr. 11 Anlage zur BKatV (Bußgeldkatalog), Nr. 11.1.5 der Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog im Fahreignungsregister mit einem Punkt bewertet ist. Hierbei handelt es sich – auch im Falle einer ersten derartigen Zuwiderhandlung – um eine Ordnungswidrigkeit von einigem Gewicht im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227 = juris Rn. 9 f.; U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – BVerwGE 152, 180 = juris Rn. 23; OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.2.2015 – 1 B 1.13 – juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 18.12.2017 – 8 B 1104/17 – juris Rn. 32 m.w.N.). Insoweit genügt, dass sich der Verkehrsverstoß verkehrsgefährdend auswirken kann oder Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.1999 – 3 B 94.99 – juris Rn. 2; U.v. 17.5.1995 a.a.O. Rn. 10); zumal nach der Reform des Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 Punkte nur noch für Verstöße vergeben werden, die nach Einschätzung des Verordnungsgebers die Verkehrssicherheit beeinträchtigen (vgl. BT-Drs. 17/12636, S. 1, 17).
Ansonsten sind Ermessensfehler nicht gerügt worden und auch, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der auferlegten Verpflichtung von neun Monaten, nicht ersichtlich.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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