Aktenzeichen M 23 S 17.1592
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5
Leitsatz
1. Ein mit einem Punkt bewerteter Verkehrsverstoß – hier: Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft – rechtfertigt grundsätzlich die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, ohne dass es auf die näheren Umstände und die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes ankommt (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 49135). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist neben dem Gewicht der Verkehrszuwiderhandlung auch das Verhalten des Fahrzeughalters bei der Ermittlung des Fahrzeugführers zu würdigen; die Dauer von 12 Monaten für eine Fahrtenbuchauflage ist bei einem mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoß regelmäßig nicht unverhältnismäßig (vgl. BayVGH BeckRS 2010, 36833). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage fällt das besondere öffentliche Vollzugsinteresse im Regelfall mit dem Interesse an dem Erlass des Verwaltungsaktes zusammen, so dass sich die Behörde bei der Abwägung und Begründung des Sofortvollzugs im Wesentlichen auf das Vorliegen eines Ausnahemefalls beschränken kann (vgl. BayVGH BeckRS 2002, 25764). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.
Auf den Antragsteller ist der Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichnen „…“ zugelassen. Am 8. Juli 2016 wurde mit diesem PKW auf der Bundesautobahn A7, Gemarkung S…, Richtung Hamburg, Kilometer 73,350 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 25 km/h überschritten. Diese Feststellung wurde mittels Messung mit Lasergerät Leivtec XV3 sowie einem Frontfoto des Fahrzeugs dokumentiert.
Mit Schreiben des Landeskreises H… vom 15. Juli 2016 wurde Antragsteller wegen der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit als Betroffener angehört. Der Anhörungsbogen enthielt sowohl die Belehrung als Betroffener sowie als Zeuge, einschließlich des Hinweises auf die Möglichkeit zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs. zusätzlich enthielt der Anhörungsbogen das Frontfoto. Am 25. Juli 2016 meldete sich der Antragsteller telefonisch bei dem Landkreis H… und erkundigte sich, ob für den Verstoß ein Punkt vorgesehen sei. Er bat um Übermittlung einer besseren Ausfertigung des Beweisfotos. Nachdem ihm dieses übersandt wurde, teilte der Antragsteller telefonisch am 1. August 2016 mit, dass er nicht der Fahrer gewesen sei und er keine Angaben zum Fahrzeugführer machen möchte.
Die Stadt Ingolstadt übermittelte dem Landkreis H… auf Anforderung vom 25. Juli 2016 zur Personenidentifikation ein Lichtbild des Antragstellers.
Die ermittelnde Behörde stellte schließlich das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller ein, da der Antragsteller als Täter ausscheide. Mit Schreiben vom 2. August 2016 teilte der Landkreis H… dies dem Antragsteller mit und übersandte einen Zeugenfragebogen mit entsprechender Belehrung und abermals dem Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung eines Fahrtenbuches. Der Fragebogen kam nicht in den Rücklauf.
Am 16. August 2016 richtete der Landkreis H… ein Ermittlungsersuch an die Polizeiinspektion Ingolstadt, das diese an die zuständige Stadt Ingolstadt – Verkehrsüberwachungsdienst – weiterleitete. Die Stadt Ingolstadt teilte dem Landkreis H… mit Schreiben vom 30. August 2016 mit, dass die angegebene Adresse des Antragstellers an mehreren Tagen, u. a. auch am Wochenende zu unterschiedlichen Zeiten aufgesucht worden sei. Es sei jedoch niemand angetroffen worden. Man gehe davon aus, dass der verantwortliche Fahrzeugführer der Bruder des Antragstellers sei.
Mit Schreiben vom 1. September 2016 hörte der Landkreis H… daraufhin den Bruder des Antragstellers als Betroffenen an. Ein Rücklauf erfolgte nicht.
Die Stadt Ingolstadt übermittelte dem Landkreis H… auf Anforderung vom 8. September 2016 zur Personenidentifikation ein Lichtbild des Bruders des Antragstellers.
Das Ermittlungsverfahren gegen den Bruder des Antragstellers wurde ebenfalls eingestellt, da er als Täter nicht in Frage komme. Dies wurde dem Bruder des Antragstellers mitgeteilt und dieser als Zeuge nochmals angehört. Auch hierzu erfolgte kein Rücklauf.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 teilte der Landkreis H… dem Antragsteller mit, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt worden sei und die zuständige Verkehrsbehörde gebeten worden sei, zu prüfen, ob dem Antragsteller ein Fahrtenbuch auferlegt werde.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 hörte die Stadt Ingolstadt den Antragsteller zu der beabsichtigen Anordnung eines Fahrtenbuchs an. Nach Terminverlängerung bestellten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 28. November 2016 und führten insbesondere aus, dass sich der Antragsteller nicht daran erinnern könne, dass er am 8. Juli 2016 die Geschwindigkeit mit seinem PKW überschritten habe. Das Foto des Anhörungsbogens sei schlecht gewesen. Dem Antragsteller sei es daher nicht möglich, den Fahrer zu identifizieren. Hinzu komme, dass der Antragsteller seinen Betrieb an die … veräußert und zeitnah übergeben habe, was mit erheblichem personellen und Verwaltungsaufwand verbunden gewesen sei.
Mit Bescheid vom 6. März 2017, den Bevollmächtigten am 9. März 2017 zugestellt, legte die Stadt Ingolstadt dem Antragsteller für sechs Monate die Führung eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug und ein etwaiges Nachfolgefahrzeug (Nr. 1 des Bescheids) auf und legte die Mindestinhalte des Fahrtenbuchs fest (Nr. 2 des Bescheids). Des Weiteren wurde die Verpflichtung zur Vorlage und Aufbewahrung (Nr. 3 des Bescheids) verfügt sowie die sofortige Vollziehung der Nummern 1 bis 3 angeordnet (Nr. 4 des Bescheids). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt; die Gebühr wurde in Höhe von 120,00 € festgesetzt (Nr. 5 des Bescheids). Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass dem Erfordernis des angemessenen Ermittlungsaufwandes entsprochen worden sei. Der Antragsteller habe zu der Mitwirkung bei der Fahrerfeststellung nichts beigetragen. Weitere Nachforschungen seien nicht erfolgreich gewesen. Als Halter eines Fahrzeuges sei der Antragsteller regelmäßig in der Lage, Aussagen darüber zu machen, wem der Fahrzeugschlüssel und die Fahrzeugpapiere zugänglich seien bzw. zugänglich gemacht worden seien. Anhaltspunkte für eine betriebliche Zulassung des Fahrzeugs, wie im Anhörungsverfahren vorgebracht, lägen nicht vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers erhoben gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 5. April 2014, eingegangen am 7. April 2014, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 23 K 17.1591) und beantragten die Aufhebung des Bescheids sowie der zugehörigen Kostenfestsetzung. Mit weiterem Schreiben, ebenfalls am 7. April 2017 eingegangen, beantragten sie,
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Zur Begründung führten die Bevollmächtigten insbesondere aus, dass der Bescheid bereits fehlerhaft sei, da im Rahmen des Tatvorwurfs von einer festgesellten Geschwindigkeit von 25 km/h berichtet werde, sodass gar kein Verkehrsverstoß vorgelegen hätte. Darüber hinaus läge einer Verletzung einer Verkehrsvorschrift in nennenswertem Umfang nicht vor. Die Anordnung der Maßnahme sei nicht verhältnismäßig; eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich. Der Kläger könne nicht für die schlechte Qualität des Lichtbilds verantwortlich gemacht werden. Aufgrund des Verkaufs seines Betriebs sei der Antragsteller in einer kurzzeitigen Sondersituation gewesen. Der Antragsteller habe sogar durch Nachfrage bei der Behörde mit seiner Bitte um Übersendung eines besseren Lichtbildes versucht, an der Aufklärung mitzuwirken. Allein die Zeitdauer zwischen Verstoß und Bescheidserlass betrage acht Monate, eine prognostizierte Gefahr, welche Zulässigkeitsvoraussetzung für eine solche Anordnung sei, scheide daher aus. Des Weiteren sei die Dauer der Fahrtenbuchauflage zu lang bemessen. Ermessenserwägungen seien nicht erkennbar.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 legte die Antragsgegnerin die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung bezog sie sich insbesondere auf die Ausführungen im Bescheid. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass die fälschliche Angabe von 25 km/h durch einen Flüchtigkeitsfehler zustande gekommen sei; dieser Fehler sei offensichtlich. Nach Ansicht der Antragsgegnerin sei der Fahrer auf dem Lichtbild erkennbar. Der Antragsteller hätte sich in dem kurzen Zeitraum erinnern können, wem er sein Fahrzeug zur Nutzung überlassen habe. Das Vorbringen des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten.
Durch Beschluss der Kammer vom 19. Juni 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 23 K 17.1591 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Stadt Ingolstadt vom 6.März 2017 hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teil-weise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen gegen den angefochtenen Bescheid keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Klage wird daher aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung überwiegt somit das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.
Mit einer Fahrtenbuchauflage soll in Ergänzung der Kennzeichnungspflicht dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung ei-nes Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Anordnung richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Gefährdet er die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugnutzung angehalten werden. Ob vom Fahrzeughalter selbst als Führer seines Kraftfahrzeugs Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen zu besorgen sind, ist demnach rechtlich nicht ausschlaggebend. Vielmehr genügt regelmäßig die bei jeder Kraftfahrzeugnutzung nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der jeweilige Fahrer Verkehrsvorschriften zuwiderhandelt (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704).
Um eine Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen, müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Schon bei einem einmaligen Verstoß ist die Auflage zulässig, wenn es sich um einen nicht unwesentlichen Verstoß handelt, der sich verkehrsgefährdend auswirken kann.
Anhaltspunkte dafür, dass die mit Tatfoto belegte Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt der am 8. Juli 2016 erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung um 25 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft mit dem auf dem Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen „… nicht begangen wurde, liegen nicht vor und wurden auch durch den Antragsteller nicht behauptet. Der insoweit vorliegende Schreibfehler im Bescheid ist als offensichtlicher Schreibfehler unbeachtlich. Der Verkehrsverstoß in Gestalt der erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung wäre nach dem zum Zeitpunkt der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit geltenden Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße von 70,00 € (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV – i.V.m. Nr. 11.3.4 Tabelle 1 Buchst. c des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatV) und einem Punkt im Verkehrszentralregister geahndet worden (Nr. 3.2.2. der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr – FeV).
Diese sachverständige Bewertung der Verkehrsordnungswidrigkeit durch den Verordnungsgeber belegt, dass es sich um einen erheblichen Verstoß handelt, unabhängig von einer damit verbundenen Gefährdungslage. Nach ständiger Rechtsprechung reicht auch bereits grundsätzlich ein lediglich mit einem Punkt (bereits nach dem bis zum 30. April 2014 geltenden Punktekatalog) bewerteter Verkehrsverstoß für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aus, ohne dass es auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Gefährlichkeit des Verstoßes ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99; OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – jeweils juris).
Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt vor, da die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Für die Beurteilung der Angemessenheit der polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen kommt es wesentlich darauf an, ob die zuständige Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, kann sich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es – wie hier – um die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten geht, die nur einen Sinn hat, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen (§ 33 Abs. 1 bis 3 OWiG) so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann und die daran anknüpfenden polizeilichen Maßnahmen eingeleitet werden können (BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C-3/80 – BayVBl 1983, 310).
Weiterhin genügt die Behörde ihrer Ermittlungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt, wobei die hierzu eingeräumte Anhörungsfrist im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten darf (BVerwG, B.v. 14.5.1997 – 3 B 28/97 – juris; erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054). Die Zwei-Wochen-Frist ist jedoch kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze. Sie beruht auf dem Erfahrungssatz, wonach Vorgänge nur in einem begrenzten Zeitraum erinnerbar oder noch rekonstruierbar sind. Irrelevant ist die Zwei-Wochen-Frist insbesondere, sofern ein – wie hier – zur Identifizierung ausreichendes Lichtbild existiert, da eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers anhand des Fotos keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stellt (st. Rspr.; vgl. OVG Lüneburg, B.v. 2.11.2004 – 12 ME 413/04, VG Oldenburg, B.v. 30.3.2009 – 7 B 1004/09 – OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97; VG München, B.v. 30.6.2014 – M 23 S. 14.652 – jeweils juris m.w.N.). Die Anhörung des Antragstellers erfolgte hier innerhalb dieser Zwei-Wochen-Frist. Es wäre von dem Antragsteller daher selbst ohne Vorlage eines entsprechenden Fotos zu erwarten gewesen, dass er in der Lage ist, innerhalb eines solch kurzen Zeitraums zu ermitteln, wem er sein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt zur Verfügung gestellt hat. Dass dem Antragsteller darüber hinaus zur Verfügung gestellte Tatfoto – dass das Gericht im Übrigen durchaus als geeignet zur Identifizierung einer bekannten Person erachtet – dient daher insoweit nur zur weiteren Ermöglichung der Täterfeststellung. Die Aussage des Antragstellers, dass er den Fahrer innerhalb dieses kurzen Zeitraums mit Vorlage eines Fotos nicht ermitteln könne, erscheint daher als ausschließliche Schutzbehauptung. Darüber hinaus hat der Kläger in keiner Weise dargelegt, warum sein Auto möglicherweise durch eine undurchschaubare Vielzahl von Personen genutzt werden könnte, so dass ihm eine Zuordnung nicht möglich wäre. Die angeblich schlechte Qualität des Lichtbilds kann damit nicht als Argument für die fehlende Mithilfe des Antragstellers angeführt werden. Auch der nur kursorisch angedeutete Verkauf des Betriebs des Antragstellers im Zeitraum des Tatvorwurfs und die damit „kurzzeitige Sondersituation“ des Antragstellers kann das Nichterkennen des Fahrers nicht begründen. Im Übrigen hätte der Antragsteller, sofern der Vortrag auf eine gewerbsmäßige Verwendung des Fahrzeugs hindeuten soll, bei gewerblich verwendeten Fahrzeugen besondere Dokumentationspflichten (vgl. BayVGH, B.v.14.5.2013 – 11 C S. 13.606 – juris.)
Die Feststellung des Fahrzeugführers war tatsächlich – bis zum Verjährungseintritt – unmöglich. Der Antragsteller wurde im vorliegenden Fall sowohl durch den Anhörungsbogen vom 15. Juli 2016 – der auch bereits mit einer entsprechenden Zeugenbelehrung und dem Hinweis auf eine mögliche Fahrtenbuchauflage versehen war (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 23.6.2015 – 11 CS 15.950 – juris, Rn. 17) – als auch nochmals mit Schreiben vom 2. August 2016 als Zeuge gehört. In beiden Fällen machte der Antragsteller – außer der Aussage, dass er nicht der Fahrer gewesen sei – keine Angaben. Die weitergehenden Ermittlungsversuche der ermittelnden Behörden waren im vorliegenden Fall ausreichend, aber erfolglos.Die ermittelnden Behörden haben laut dem Vermerk vom 30. August 2016 mehrfach versucht, unter der Wohnadresse des Antragstellers Personen anzutreffen, was jedoch nicht erfolgreich war. Des Weiteren wurde aufgrund verwaltungsinterner Recherche der Bruder des Antragstellers ermittelt. Auch die Ermittlungen gegen den Bruder verliefen im Ergebnis erfolglos. Schließlich haben die ermittelnden Behörden sowohl bezüglich des Antragstellers als auch des Bruders des Antragstellers über einen Fotovergleich versucht, die Täterschaft zu ermitteln, was im Ergebnis jedoch erfolglos blieb. Über diese vorgenommenen Ermittlungsversuche hinausgehende konkrete Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen boten sich im vorliegenden Fall auch mangels Hinweise des Klägers nicht an. Die Ermittlungen waren damit ausreichend und erfolglos.
Auch soweit der Antragsteller von einem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben sollte, führt dies nicht zu einem Nachteil für ihn. Es entspricht der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs nicht verlangen kann, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (ständige Rspr.; vgl. BayVGH, B. v. 28. 1.2015 – 11 ZB 14.1129; B.v. 23.2.2009 – 11 CS 08.2948; BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – jeweils juris, m.w.N.).
Die Antragsgegnerin hat auch von dem ihr bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Wie aus den Gründen des angefochtenen Bescheids erkennbar ist, wurde gesehen, dass es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt und es erfolgte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahme. Die Argumentation der Bevollmächtigten kann insoweit daher nicht nachvollzogen werden. Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Insbesondere verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs nicht deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil es sich um einen erstmaligen Verstoß gehandelt hat. Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als Kriterium für ihre zeitliche Bemessung ist vor diesem Hintergrund vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist daneben das Verhalten zu würdigen, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris). Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Mindestdauer der Führung des Fahrtenbuchs erforderlich, so dass ein Zeitraum unter sechs Monaten nicht als geeignet erscheint. Vielmehr wird auch die Dauer der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs von 12 Monaten bei einem mit einem Punkt geahndeten Verkehrsverstoß regelmäßig nicht als unverhältnismäßig beanstandet (vgl. OVG NRW, B.v. 13.1.2016 – 8 A 1030/15; BayVGH, B.v. 19.10.2010 – 11 CS 10.2143 – jeweils juris).
Auch die weiteren Anordnungen im angefochtenen Bescheid zum Übergang auf Ersatzfahrzeuge, Vorlagepflichten sowie die Kostenentscheidung begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem angefochtenen Bescheid genügt auch den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist dargelegt worden, weshalb dem Interesse, vorläufig von der Führung eines Fahrtenbuchs verschont zu bleiben, der Nachrang gegenüber den Interessen der Allgemeinheit gebührt, dass künftig erhebliche Verkehrsverstöße unterbleiben oder jedenfalls geahndet werden können. § 31a StVZO gehört zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt und sich die Behörde bei der Abwägung der Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken kann, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (BayVGH, B.v. 17.7.2002 – 11 CS 02.1320 – juris; VGH BW, B.v. 17.11.1997 – 10 S 2113/97 – NZV 1998, 126 m.w.N.). Dementsprechend ist auch den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bei der Anordnung des Sofortvollzugs einer Fahrtenbuchauflage bereits dann genügt, wenn die Begründung der Anordnung erkennen lässt, dass die Behörde diese Gesichtspunkte bei ihrer Interessenabwägung berücksichtigt hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2015 – 11 CS 15.247, B.v. 17.7.2002– 11 CS 02.1320 – jeweils juris). Dies ist bei den Gründen des angefochtenen Bescheids der Fall. Besondere Umstände, die zu einem anderen Ergebnis hätten führen können, sind im Fall des Antragsstellers nicht ersichtlich. Auch der Zeitraum zwischen Verkehrsverstoß und Erlass des Bescheids zwingt nicht zu einer anderen Entscheidung, wobei abschließend darauf hinzuweisen ist, dass dieser Zeitraum nicht unmaßgeblich auch durch die lange Erwiderungszeit des Antragstellers auf die Anhörung verschuldet wurde.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Empfehlungen im Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5, 46.11).