Aktenzeichen 5 S 2590/19
Leitsatz
Die allgemeine Vertragsklausel über die Abtretung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten an den Sachverständigen muss zumindest einen Hinweis auf die Verpflichtung des Sachverständigen enthalten, zunächst die Erfüllung seines Anspruchs beim Schädiger, bzw. dessen Versicherung zu versuchen. Bei fehlendem Hinweis ist sie intransparent und führt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, zur unangemessenen Benachteiligung des Geschädigten. (Rn. 17 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
2 C 262/19 2019-08-28 Urt AGALTOETTING AG Altötting
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28.08.2019, Az. 2 C 262/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Altötting ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 42,44 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Zahlung von restlichen Sachverständigengebühren aus abgetretenem Recht.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Mit Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28.08.2019, das der Klägerin am 06.09.2019 zugestellt wurde, wurde die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 01.10.2019, eingegangen bei Gericht am 02.10.2019.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund einer wirksamen Abtretung der Ansprüche durch den Unfallgeschädigten aktiv legitimiert sei. Die Abtretungsklausel im Auftrag zur Gutachtenerstellung vom 06.10.2016 sei nicht intransparent. Diese Klausel unterscheide sich wesentlich von der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018 – VI ZR 274/17 zugrunde liegenden Klausel. Im vorliegenden Fall sei ganz konkret nur der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an die Klägerin abgetreten worden und nicht eine Gesamtheit von Forderungen. Darüber hinaus läge keine mehrfache Abtretung vor. Auch sei in der Klausel nicht die Formulierung erfüllungshalber verwendet worden. In der Klausel sei dem Zedenten auch klar vor Augen geführt worden, dass trotz der Abtretung seine persönliche Haftung bestehen bliebe. Die Abtretungsklausel sei auch nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, da sie sich konkret auf den Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus dem Unfall beziehe. Die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung sei keineswegs ungewöhnlich in der Sachverständigenbranche. Die vorliegende Abtretungsvereinbarung sei drucktechnisch so im Dokument platziert, dass sie weder überlesen noch unbeachtet bleiben kann und sei durch eine fett gedruckte Überschrift hervorgehoben. Ebenso führe die Klausel auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Die Abtretung entspreche dem Interesse des geschädigten Auftraggebers, der unter Beschränkung seines eigenen Aufwands möglichst schnell einen Ausgleich vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer erhalten wolle. Als Ausgleich für die Abtretung sei es dem Auftraggeber bzw. Geschädigten möglich, nicht in Vorleistung der Sachverständigenkosten treten zu müssen oder bis zur endgültigen Klärung eventueller Haftungsfragen eine Stundung gegenüber der Klägerin zu erreichen. Eine gesonderte Regelung, was mit dem zitierten Anspruch passiere, wenn der Auftraggeber seinerseits den Werklohnanspruch erfüllt habe, sei nicht explizit erforderlich gewesen. Es würden sich daraus auch keine Unklarheiten ergeben, insbesondere wenn der Unfallgegner bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung nicht zu 100 % einstandspflichtig seien. Nach lebensnaher Auslegung verstünde ein verständiger Geschädigter die streitgegenständliche Klausel vielmehr zwanglos so, dass ihm für den Fall der Inanspruchnahme durch den Sachverständigen auf Zahlung des Honorars diesem gegenüber Ansprüche auf Rückabtretung seiner abgetretenen Ansprüche zustehe. Dies sei im vorliegenden Falle insbesondere deshalb möglich, da weder eine weitere Abtretung noch eine mehrfache Abtretung der Ansprüche erfolgt sei. Zudem liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten vor. Die Beklagte habe die Wirksamkeit der Abtretung erstmals im Prozess bestritten, nachdem sie bereits vorher teilweise und vorbehaltlos den Schaden reguliert habe. Sie habe dadurch erkennen lassen, dass sie den Anspruch dem Grunde nach für begründet halte. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie sich nunmehr im Rechtsstreit darauf berufe, dass der Anspruch mangels Abtretung bereits dem Grunde nach nicht bestehe.
Die Klägerin beantragt daher zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 42,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2017 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine intransparente Klausel handeln würde. Es spiele keine Rolle, dass keine Mehrfachabtretung und keine Gesamtheit von Forderungen vorliegen würde. Die Klausel sei aufgrund der unklaren Auswirkungen einer Teilzahlung des gegnerischen Haftpflichtversicherers auf die eigene Haftung des Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen intransparent. Die Klagepartei würde sich durch Verwendung der Klausel nur eine weitere Leistungsquelle verschaffen, ohne dem Geschädigten eine Gegenleistung zu bieten. Auch könne der Geschädigte seine ihm zur Verfügung stehenden Rechte in der jeweiligen Situation gar nicht kennen, da die Zahlung auf die Gutachterkosten gemäß der Zahlungsanweisung der klägerischen Klausel ohne Kenntnismöglichkeit des Geschädigten an den Sachverständigen selbst erfolgen würde. Durch die Klausel werde ein Durchschnittskunde letzten Endes von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen.
2. Die Berufung ist in der Sache nicht begründet, da das Ersturteil im Ergebnis zutreffend ist.
2.1 Das Erstgericht weist zwar zu Unrecht die Klage als unzulässig wegen fehlender Aktivlegitimation ab. Die Frage der Aktivlegitimation, also die Frage nach der Inhaberschaft der Forderung, ist im Rahmen der Begründetheit einer Klage zu prüfen. Sie stellt keine Prozessvoraussetzung dar. Ihr Fehlen führt daher nicht zu einer Abweisung der Klage als unzulässig, sondern zu einer Klageabweisung wegen Unbegründetheit.
2.2 Die Klage war jedoch wegen fehlender Aktivlegitimation als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin ist wegen Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung im Auftrag zu Gutachtenerstellung vom 06.10.2016 nicht Inhaberin der Forderung und somit nicht aktiv legitimiert.
Die Begründung der fehlenden Aktivlegitimation durch das Erstgericht ist zutreffend, lediglich der Schluss der Unzulässigkeit der Klage ist fehlerhaft.
Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich um eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die wirksam in den Vertrag einbezogen wurden bzw. in diesem enthalten sind. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
Wie das Erstgericht zutreffend feststellt, ist die Klausel wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.
Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird (BGH, Urteil vom 17.7.2018 – VI ZR 274/17, NJW 2019, 51). Maßgeblich sind dabei die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH, Urteil vom 17.7.2018 – VI ZR 274/17, NJW 2019, 51).
Danach hat der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rechte und Pflichten des Vertragspartners auch unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen klar und durchschaubar offenzulegen (Tamm/Tonner, Verbraucherrecht, Kapitel 5, § 11, Rn. 208). Hinter dem Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit verbirgt sich das Gebot, dass der typische Durchschnittskunde den Sinn und die Tragweite der Allgemeinen Geschäftsbedingung samt den damit verbundenen Folgen durchschauen kann und nicht von der Geltendmachung und Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (BGH, Urteil vom 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211, 213).
Diesen Anforderungen wird die Klausel „Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung“ nicht gerecht (a.A. LG Nürnberg, Urteil vom 29.01.2020 – 8 S 3926/19). Unklar ist die Klausel, weil aus ihr für den durchschnittlichen Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, welche Rechte diesem gegenüber dem Sachverständigen zustehen sollen, wenn der Sachverständige nach Abtretung des Schadensersatzanspruchs den ihm nach der Klausel verbleibenden vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend macht. Nach der Klausel haftet der Geschädigte dem Sachverständigen weiterhin für den Anspruch. Die Klausel enthält keinerlei Aussage darüber, dass der Sachverständige zunächst mit verkehrsüblicher Sorgfalt den abgetretenen Anspruch gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung geltend machen muss (MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, BGB § 364 Rn. 13). Ebenso enthält die Klausel keine Aussage über die Rechte des Geschädigten, wenn die Forderung des Sachverständigen vom Geschädigten ganz oder teilweise erfüllt wird, wie zum Beispiel die Verpflichtung des Sachverständigen auf Rückabtretung der Schadensersatzforderung.
Der Hinweis auf die Rechte des Geschädigten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist für die Klägerin auch zumutbar (a.A. LG Nürnberg, Urteil vom 29.01.2020 – 8 S 3926/19). Die Verpflichtung des Sachverständigen zunächst mit der verkehrsüblichen Sorgfalt die Befriedigung aus dem Erfüllungssurrogat zu suchen, ergibt sich gerade nicht aus dem Gesetz, sondern aus einer ergänzenden Auslegung des Vertrages (MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, BGB § 364 Rn. 13). Daher hätte die Klausel zumindest einen Hinweis auf diese Verpflichtung des Sachverständigen, zunächst die Erfüllung seines Anspruchs beim Geschädigten bzw. dessen Versicherung zu versuchen, enthalten müssen (a.A. LG Nürnberg, Urteil vom 29.01.2020 – 8 S 3926/19).
Die damit intransparent geregelte Frage, was mit der vom Geschädigten an den Sachverständigen abgetretenen Schadensersatzforderung geschehen soll, wenn der Sachverständige nach der Abtretung seinen vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend macht, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der „nicht an Erfüllungs statt“ erfolgten Forderungsabtretung selbst. Die dargestellte Intransparenz führt deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel über die „Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung“.
Dabei führt schon die Intransparenz einer Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu deren Unangemessenheit. Einer zusätzlichen, besonderen Feststellung einer „unangemessenen Benachteiligung“ des Kunden durch die Intransparenz der AGB bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 24.5.2006 – IV ZR 263/03, NJW 2006, 2545, 2547).
§ 307 Abs. 3 BGB steht der Unwirksamkeit der Klausel nicht entgegen. Im Streitfall greift die Vorschrift bereits deshalb nicht, weil sie – wie § 307 Abs. 3 S. 2 BGB zeigt – nach ihrem Zweck eine Verständlichkeits- und Transparenzprüfung von vornherein nicht ausschließen soll (BGH, Urteil vom 17.7.2018 – VI ZR 274/17, NJW 2019, 51, 52).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
IV.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Die Instanzrechtsprechung zur Wirksamkeit der streitgegenständlichen Abtretungsvereinbarung ist uneinheitlich. So hat das Landgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 29.01.2020 – 8 S 3926/19 die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung für wirksam erachtet und die Revision in diesem Verfahren zugelassen. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist daher auch in dem vorliegenden Verfahren die Revision zuzulassen.