Verkehrsrecht

Geltendmachung von abgetretenen Honorarforderungen aus Gutachtenerstellung durch Verrechnungsstelle

Aktenzeichen  14 C 1393/16

Datum:
31.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133298
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 398, § 823
VVG § 115
StVG § 7
RDG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Die Direktabrechnung des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer dient nur der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Schadensregulierung und bleibt damit beim Sachverständigen eine nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht kann sich bei der Schätzung (§ 287 ZPO) der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten am üblichen Sachverständigenhonorar orientieren, wie es in der Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ermittelt wird. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Schätzung des angemessenen Sachverständigenhonorars stellt das JVEG eine geeignete Schätzgrundlage dar, was aber nicht ausschließt, dass der Tatrichter andere Schätzgrundlagen heranzieht. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Aktivlegitimation der klagenden Verrechnungsstelle unter Berufung auf eine nach § 307 BGB unwirksame Abtretung verneinend, nachfolgend LG Coburg BeckRS 2017, 151643 und BGH BeckRS 2018, 22337. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84,11 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.09.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 105,41 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten gegen die Beklagte in Höhe von 84,11 € gem. §§ 823, 249, 398 BGB, 115 VVG, 7 StVG. Die Klage ist daher in diesem Umfang begründet.
I.
Der Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Schadensersatzanspruch wurde unstreitig vom Unfallgeschädigten an den Sachverständigen und von diesem an die Klägerin abgetreten.
Das Abtretungsformular benachteiligt den Geschädigten nicht unangemessen, da er dieselben Einwendungen, die er dem Gutachter entgegenhalten könnte, auch bei einer Weiterabtretung gegenüber dem Zessionar (der Klägerin) geltend machen kann, § 404 BGB.
Ein Verstoß gegen das RDG liegt nicht vor. Das Gericht verkennt nicht, dass zwar aufgrund der erfüllungshalber erfolgten Abtretung der Anwendungsbereich des RDG nach § 2 RDG eröffnet ist. Eine unzulässige Nebentätigkeit nach § 5 Abs. 1 RDG ist jedoch nicht gegeben.
Der Forderungseinzug ist als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Sachverständigen anzusehen, wenn der Haftungsgrund unstreitig ist. Dies entspricht den Interessen der Beteiligten. Das Sachverständigengutachten wird primär zur Absicherung der den Schaden tragenden Haftpflichtversicherung eingeholt. Die an der Erstattung des Gutachtens interessierten Unfallgeschädigten gehen deshalb – für den Sachverständigen erkennbar – davon aus, dass die hierdurch entstehenden Kosten von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, der ihnen gegenüber dem Grunde nach zu deren Übernahme verpflichtet ist, erstattet werden und sie mit der Schadensregulierung in keinem größeren Umfang behelligt werden, als unbedingt notwendig. Demzufolge sind Direktabrechnungen nicht nur von Autovermietern mit den gegnerischen Haftpflichtversicherern, sondern auch von Sachverständigen weit verbreitet. Im vorliegenden Streitfall ist die Haftung der Beklagten insgesamt dem Grunde nach von Anfang an unstreitig und die Beklagte greift die Rechnung des Sachverständigen allein ihrer Höhe nach an. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist der Forderungseinzug durch den Sachverständigen damit aber als Nebenleistung zu seinem Berufs- bzw. Tätigkeitsbild als Sachverständiger für Kfz-Schäden anzusehen und nach § 5 Abs. 1 RDG selbst dann, wenn es sich hierbei um eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG handeln würde, grundsätzlich erlaubt (OLG Dresden, 19.02.2014 7 U 111/12). Damit ist die Abtretung des Unfallgeschädigten an den Sachverständigen wirksam.
Dieser Ansicht hat ist bislang auch vom BGH vertreten worden (BGH Urteil vom 31.1.2012 VI ZR 143/11). Vorliegend ist zwischen den Parteien die Haftung dem Grunde nach unstreitig. Mithin handelt es sich nicht um eine unzulässige Tätigkeit. Ein Verstoß gegen das RDG ist demnach nicht gegeben.
II.
Die vom Sachverständigen gestellte Rechnung ist nicht vollständig erstattungsfähig.
Die Kosten der Schadensfeststellung sind grundsätzlich Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW-RR 1989, 956).
Der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW 1974, 35; BGH NJW 2007, 1451). § 249 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt den Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten auf den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nur den Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf (BGH VersR 2005, 380; BGH NJW 2007, 1452). Der Geschädigte hat dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.
Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 ff.).
Es ist dabei grundsätzlich anerkannt, dass ein Sachverständiger sein Honorar zeitunabhängig und pauschal nach Grundhonorar und Nebenkosten abrechnen darf.
Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei den vom Sachverständigen abgerechneten Preisen für die Begutachtung um den erforderlichen Herstellungsaufwand.
1. Das vom Sachverständigen berechnete Grundhonorar in Höhe von 320,00 € netto liegt für den Geschädigten nicht erkennbar erheblich über den üblichen Preisen.
Die Berechnung eines Grundhonorars in Höhe von 320,00 € bei einem Nettoschaden bis zu 1.250,00 € stellt sich für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nicht als erkennbar erheblich überhöht dar.
Dies ergibt sich daraus, dass das abgerechnete Grundhonorar über den höchsten Werten des Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2015 (HB III und HB IV) liegt.
Bei einem Schaden bis zu 1.250 € netto rechnen danach 90 % der BVSK-Mitglieder maximal 315,00 € bzw. 95 % der BVSK-Mitglieder maximal 320,00 € ab. Eine Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung im Rahmen der Schadensschätzung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO ist anerkannt und zulässig. Bei der Schadensschätzung können grundsätzlich Listen oder Tabellen Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, Aktenzeichen VI ZR 164/07). Dabei kann das Gericht sich am üblichen Sachverständigenhonorar orientieren, wie es in der Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ermittelt wird. Die Befragung wird bereits seit Jahrzehnten durchgeführt und bildet einen wichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren.
Zudem bildet der BVSK den größten Zusammenschluss freiberuflicher qualifizierter Kfz-Sachverständiger in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der Befragung erlangten Ergebnisse nicht ohne Realitätsbezug sind. Deshalb sind diese geeignet um einen Anhaltspunkt für eine Schätzung im Sinne des § 287 ZPO zu bilden.
Auch die Formulierung der vertraglichen Vereinbarung ändert hieran nichts. Das Grundhonorar soll hiernach innerhalb eines Korridors ermittelt werden, dies ist dann der „im Honorarbereich V ermittelte Wert“.
Mithin ist das Grundhonorar nicht erkennbar deutlich überhöht, die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 320,00 € netto Grundhonorar.
2. Auch für die Erforderlichkeit der Nebenkosten hält das Gericht die BVSK-Befragung 2015 für eine geeignete Schätzgrundlage.
An der Geeignetheit der BVSK-Tabelle als Schätzgrundlage gem. § 287 ZPO hat sich auch durch das Urteil des BGH vom 26.04.2016 nichts geändert. Der BGH stellt hier noch einmal ausdrücklich klar, dass die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist. In der Entscheidung hat der BGH zwar ausgeführt, dass das JVEG eine geeignete Schätzgrundlage darstellt, aber gerade nicht ausgeschlossen, dass der Tatrichter andere Schätzgrundlagen heranzieht.
Es ergeben sich daher folgende erforderliche Nebenkosten:
a) Fotokosten 16 Bilder zu je 1,50 €, ergibt 24,00 €.
2. Fotosatz: 16 Bilder zu je 0,50 €, ergibt 8,00 €.
Hinsichtlich der Höhe der Vergütung ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten and die Beklagte elektronisch übermittelt wurde und daher unstreitig nicht ausgedruckt wurde. Nachdem die Fotokosten jedoch nicht lediglich den Ausdruck umfassen sondern auch z.B. Kosten für die Anschaffung einer Kamera u.ä., sind sie grundsätzlich zu erstatten. Die Höhe der Kosten ohne Ausdruck schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO und zwar dergestalt, dass von den üblichen 2 € pro Foto 0,50 € abgezogen werden, dies ist der Betrag, der für eine 2. Ausfertigung, die nur den Ausdruck enthält, anfällt (vgl. BVSK-Befragung). Hingegen wurde das Gutachten an den Unfallgeschädigten nach Aussage des Zeugen … in Papierform zugesandt, so dass die Ausdruckkosten für den 2. Satz entstanden sind.
b) Schreibkosten: 9 Seiten zu je 1,30 €, ergibt 11,70 €
Kopierkosten: 12 Seiten zu je 0,50 €, ergibt 6,00 €.
Für den Geschädigten ist bei Rechnungserhalt erkennbar, dass Schreibkosten – also ein tatsächlicher Aufwand für Schreibarbeit – nur für die Seiten des Gutachtens angefallen sein können, mit denen ein Schreibaufwand verbunden war. Hierunter fallen nicht die Seiten des Gutachtens, die eine AUDATEX-Kalkulation enthalten, da es sich hierbei um einen computergenerierten Ausdruck handelt (so auch LG Coburg, a.a.O.). Hingegen fallen Kopierkosten auch für die Kalkulationsseiten an.
Das Gutachten enthält auf jedenfalls 6 Seiten vom Sachverständigen verfasste Texte, die nicht lediglich Ausdrucke aus Kalkulationsprogrammen darstellen.
Hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Betrages gilt das zu den Lichtbildern Ausgeführte entsprechend. Auch hier wurden Kosten dadurch gespart, dass die Seiten der Erstausfertigung nicht ausgedruckt werden mussten, so dass lediglich die Schreibarbeiten, hierfür erforderliches Material usw. zu ersetzen sind. Auch hier wurde bei der Schätzung der Höhe die Kosten für Kopien in Abzug gebracht.
c) Porto/Telefon pauschal: 15,00 €
Insoweit schätzt das Gericht den erforderlichen Aufwand ebenfalls aufgrund der BVSK-Befragung 2015. Hierbei ist ohne Belang, ob das Gutachten per Post versandt wurde, da es gerade Sinn einer Pauschale ist, dass nicht jede Position einzeln abgerechnet werden muss.
d) Fahrtkosten sind wie vom Sachverständigen abgerechnet in Höhe von 28,00 € zu erstatten.
Es ergibt sich daher ein erstattungsfähiger Aufwand von 491,11 € brutto €.
Hierauf bezahlt wurden 407,00 €, so dass ein Anspruch in Höhe von 84,11 € verbleibt.
3. Weiterhin hat die Klägerin einen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

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