Verkehrsrecht

Höhe der ersatzfähigen Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall

Aktenzeichen  123 C 481/16

Datum:
7.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 249, § 398
ZPO ZPO § 287, § 495a
JVEG JVEG § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 2
StVG StVG § 7 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Geschädigte ist vor der Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der Schadenshöhe nach einem Verkehrsunfall nicht verpflichtet, Sachverständigenpreise zu vergleichen. Ihn trifft insoweit keine Erkundigungspflicht; Marktforschung braucht er nicht zu betreiben. (redaktioneller Leitsatz)
Der Geschädigte genügt mit der Vorlage der Rechnung des Sachverständigen seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe; die Rechnungshöhe belegt im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten (ähnlich BGH BeckRS 2014, 04270; enger, nämlich nur für die beglichene Rechnung: BGH BeckRS 2016, 11737). (redaktioneller Leitsatz)
Anders als hinsichtlich der honorarmäßigen Vergütung des Sachverständigen kann hinsichtlich der angefallenen Nebenkosten das JVEG Anhaltspunkte zur Schadensschätzung gemäß § 249 BGB, § 287 ZPO liefern (ebenso BGH BeckRS 2016, 11737).  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 114,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.10.2015 sowie weitere 70,20 € zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 114,82 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Der klägerische Anspruch folgt aus §§ 398. 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB. Die Klägerin kann die bei der Erstzessionarin angefallenen Sachverständigenkosten netto in voller Höhe von 660,20 € geltend machen als nach § 249 BGB zur Ermittlung der Schadenshöhe aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall erforderliche Kosten.
Die Auftragserteilung erfolgte durch die Geschädigte als Erstzessionarin, die, wie auch die Beklagtenseite einräumt, zu einem Preisvergleich nicht verpflichtet war. Insoweit zitierte die Beklagtenseite das Auftragsschreiben Anlage K2 (Bl. 10) wie die Rechnung Anlage K1 (Bl. 9 d. A.), in der als Auftraggeber gerade der AS = Anspruchsteller, … benannt wird, unzutreffend. Vertreter der Anspruchstellerin waren im Übrigen bei der Besichtigung des Fahrzeugs zugegen ausweislich der Seite 3 des Gutachtens. Da der Geschädigte auch nicht für ein Auswahlverschulden seiner Werkstatt haftet, diese jedenfalls gegenüber der Beklagten irgendwelche Pflichten nicht hatte, und die Auftragserteilung an welchen Sachverständigen auch immer Sache des Geschädigten war, blieb es bei der fehlenden Verpflichtung zum Vergleich vor Sachverständigenpreisen vor Beauftragung.
Da den Geschädigten keine Erkundigungspflicht trifft bezüglich Preisen von Sachverständigen, er Marktforschung nicht zu betreiben braucht, und der Geschädigte mit der Vorlage der Rechnung seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe genügt, die Rechnungshöhe die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten belegt im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO (BGH vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, R 7 und 8 bei juris), ist ein Grund für die Berechtigung des von der Beklagtenseite vorgenommenen Abzugs nicht ersichtlich. Insbesondere besteht kein Grund, an der Berechtigung des Ansatzes einer Relation von Schadenshöhe zu Sachverständigenkosten zu zweifeln, zu der die Klägerseite auf die BVSK-Tabelle 2015 heranzog. Dass die beklagte Haftpflichtversicherung ihre eigene Tabelle fertigt, wie sich aus ihrem Abrechnungsschreiben ergibt, spricht nicht gegen die Anwendbarkeit der von der Klägerseite angeführten Tabelle, sondern nur für Wunsch und Bemühungen der Beklagten, durch Marktmacht die von ihr gewünschten Preisvorstellungen gegenüber unabhängigen Sachverständigen durchzusetzen. Da mit höherem Schadensumfang in der Regel auch der Aufwand für die Untersuchung und Reparaturkostenberechnung steigt, der Geschädigte auf die Art der Honorarberechnung keinen Einfluss hat, der Zeitaufwand allein im Hinblick auf die beim Sachverständigen anfallenden Gemeinkosten, auch gar nicht geeignet wäre, die erforderlichen Kosten abzubilden, sieht das Gericht keinen vernünftigen Grund, die Schadenshöhe als Grundlage der Honorarberechnung abzulehnen. Im Übrigen hat der BGH in seiner Rechtsprechung auch die Abrechnung nach Schadenshöhe nicht für unzulässig erklärt.
Dass eine Aufteilung des Sachverständigenhonorars in ein Grundhonorar und Nebenkosten erfolgt, sondern entspricht auch der gesetzlichen Aufteilung für gerichtlich bestellte Sachverständige in § 8 Abs. 1 JVEG. Die Herausnahme der Restwertermittlung aus dem Grundhonorar ist nachvollziehbar, da diese nur bei in Betracht kommendem Totalschaden anfällt und im Einzelfall, je nach verunfalltem Fahrzeug auch verschieden hohen Aufwand verursacht durch Internet-Recherche und Abgleich bei lokalen Autoverwertern und Wiederverkäufern, die vorliegend auch erfolgten, mithin einen von der durchschnittlichen Gestaltung der Schadensermittlung abweichenden Verlauf darstellt.
Den pauschalen Ansatz von 35,00 € für Porto, Telefon und andere Nebenkosten, nachdem Kopierkosten nicht gesondert angeführt sind, ebenso die Schreibkosten, die auch das JVEG vorsieht, das nur hinsichtlich der honorarmäßigen Vergütung des Sachverständigen nicht anwendbar ist, wohl aber Anhaltspunkte für die Schadensschätzung gem. §§ 249 BGB, 287 ZPO bezüglich der Nebenforderungen geben kann (LG Saarbrücken v. 19.12.2014, Az. 13 S 41/13 mit Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung), erachtet das Gericht als nachvollziehbar.
Der Ansatz für Fotokosten ist zutreffend. Insoweit wird die Beklagte auf den Ansatz in § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG verwiesen, der für den Abzug 2,00 € dem gerichtlich bestellten Sachverständigen zuspricht. Da in die Fotokosten, die zu farbaufwändigen und damit kostenträchtigen Ausdrucken entweder des ganzen Gutachtens bei Einarbeitung oder des Fotoanhangs führen, auch der Zeltaufwand für ihre Fertigung und gerade bei Digitalfotos auch der Zeitaufwand ihrer Bearbeitung einfließen um technische Gegebenheiten optimal hervorzuheben für die Beteiligten, z. B. durch Beschriftungen, sieht das Gericht einen von der Beklagten vorgesehenen Abzug, der nicht konkret beziffert ist, weder für den ersten noch für weitere Fotosätze veranlasst.
Die Fahrtkosten sind weder entfernungsmäßig … noch der Höhe nach zu beanstanden, da der Sachverständige insoweit seine aufgewendete Fahrzeit mit einkalkulieren kann.
Damit waren Abzüge von der Sachverständigenrechnung nicht zu machen, so dass die Klägerin den von der Beklagten bislang nicht ausgeglichenen noch offenen Restbetrag von 114,82 € verlangen kann.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Aschaffenburg, Erthalstr. 3, 63/39 Aschaffenburg einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Amtsgericht Aschaffenburg, Erthalstr. 3, 63739 Aschaffenburg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden, die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

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