Aktenzeichen 332 C 20219/21
Leitsatz
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 512,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.10.2021 sowie weitere 66,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.01.2022 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 527,08 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist nahezu in vollem Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 512,04 € aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG, § 1 PflVG.
Der Kläger kann die Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 714,22 € netto ersetzt verlangen. Hierauf hat die Beklagte bereits 201,68 € geleistet, so dass der Klägerin noch 512,04 € ersetzt verlangen kann.
Der Kläger kann die Mietwagenkosten für 12 Tage ersetzt verlangen. Aus dem Reparaturablaufplan, vorgelegt als Anlage K17, geht hervor, dass der klägerische Pkw am 23.08.2018, noch am Unfalltag, durch den Sachverständigen besichtigt wurde, an diesem Tag zur Reparatur freigegeben wurde und die Ersatzteile bestellt wurden. Die Ersatzteile wurden sieben Tage später, am 30.08.18 geliefert und zwei Tage vorher wurde mit der Reparatur begonnen, die dann bis zum 03.09.2018 gedauert hat. Die Reparatur hat dann sieben Tage gedauert. Dass die Reparatur evtl. nicht so lange hätte dauern dürfen, geht nicht zu Lasten der Klägerseite.
Der Schädiger hat insoweit das so genannte „Werkstattrisiko” zu tragen. Bei Mietkosten oder Nutzungsausfall hat deshalb nur diejenige Zeit des Nutzungsausfalls unberücksichtigt zu bleiben, die der Geschädigte wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflicht zur Geringhaltung des Schadens zu verantworten hat. Verzögerungen durch die fehlerhafte Organisation des Reparaturbetriebs, Ausfall von Arbeitskräften, unwirtschaftliche oder fehlerhafte Handhabung der Reparatur sind dem Einfluss und der Kontrolle des Geschädigten entzogen und gehen deshalb grundsätzlich zu Lasten des Schädigers. Es wurde nicht vorgetragen, dass die von Klägerseite ausgewählte Werkstatt bei Auftragserteilung vorhersehbar für eine ordnungsgemäße und gleichzeitig wirtschaftliche Reparatur nicht geeignet gewesen wäre. Ein Verschulden der Klägerseite bei der Auswahl der Werkstatt und deren Überwachung ist nicht dargelegt worden. Ob eine Reparatur in objektiv geringerer Zeit hätte durchgeführt werden können, ist für das Verhältnis der Parteien unerheblich (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 22. 10. 2003, 4 U 131/03).
Von der Klägerin wurde nicht unter Beweis gestellt, dass es sich bei dem hier vermieteten Mietwagen um ein als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassenes Fahrzeug handelte.
Das Gericht geht bei der Bemessung der angemessenen Vergütung davon aus, dass die Klägerin dem Geschädigten kein als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassenes und versichertes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat.
Dabei ist es angemessen, dass bei Fahrzeugen, welche zur Nutzung vermietet werden, welche jedoch nicht als Mietfahrzeuge im technischen Sinne (Selbstfahrervermietfahrzeuge) zugelassen und versichert sind, nicht die gleichen Preise verlangt und bezahlt werden, wie bei der Anmietung von professionellen Fahrzeugvermietern.
Der Gesetzgeber unterscheidet bei den Anforderungen der Zulassung zwischen Fahrzeugen, die gewerblich zur Personenbeförderung und Nutzung durch Selbstfahrer zur Verfügung gestellt werden (etwa Anlage Ziffer 2.1.1.2.2 zu § 29 StZVO) und sonstigen Fahrzeugen. Auch die Versicherungsbranche unterscheidet bei den diesbezüglich angebotenen Versicherungsverträgen. Selbstverständlich ist zunächst zivilrechtlich immer ein Vertrag möglich, durch welchen eine Person einer anderen Person auf Zeit ein Kraftfahrzeug zur Nutzung vermietet. Die entscheidende Frage lautet, ob in diesen Konstellationen die gleichen Preise ortsüblich und angemessen sind, welche bei Anmietung von einem professionellen Fahrzeugvermieter, welcher Fahrzeuge anbietet, welche als Selbstfahrervermietfahrzeuge zugelassen und versichert sind, gezahlt werden. Dies ist eindeutig zu verneinen. Kein Mensch würde bei der Anmietung privat vom Freund oder Nachbarn den Preis zahlen, welchen er einem etablierten Fahrzeugvermieter zahlen würde. Bei einem als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassenen Fahrzeug wird diese Verwendung in der Zulassungsbescheinigung eingetragen. Diese Zulassung muss sowohl der Krafthaftpflichtversicherung, als auch der Kaskoversicherung mitgeteilt werden. Da die Vermietung an Dritte das Unfallrisiko erhöht, steigt sodann die Versicherungsprämie. Hinzu kommt, dass Selbstfahrervermietfahrzeuge zur jährlichen Hauptuntersuchung vorgeführt werden müssen, anders als Werkstattersatzwägen.
Bei Mietwagenfirmen müssen daher die Fahrzeuge regelmäßig gewartet, geputzt, sowie auf Schäden untersucht werden. Sie müssen jährlich zur Hauptuntersuchung vorgeführt werden. Dafür besteht ein gesteigerter Verwaltungsaufwand mit der Folge, dass mehr Personal zu beschäftigen ist. Die Kosten sind daher deutlich höher als bei Werkstattersatzwägen.
Das Gericht hält es daher in der Konstellation, in der kein Selbstfahrervermietfahrzeug angemietet wird, für angezeigt, die erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach Fraunhofer zu kürzen. Das Gericht hält bei der Schätzung nach § 287 ZPO einen Abschlag von 30% für angemessen.
Nach der Fraunhofer Liste (Schwacke Klassifikation, Internetbefragung) gibt sich für die Anmietdauer von 12 Tagen der Fahrzeugklasse 10 ein Mittelwert von einmal x 760,31 € (7 Tage) zuzüglich in Höhe von 721,61 €, also von 1481,92 € also von 1200,36 € netto.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass bei der Anmietung eines Mietwagens, der anstelle eines eigenen beschädigten Fahrzeugs tritt, ein angemessener Abzug wegen ersparter eigener Aufwendungen für das beschädigte Fahrzeug vorzunehmen ist. Das Gericht hält im Rahmen des § 287 ZPO hierbei einen pauschalen Abzug in Höhe von 15% für angemessen und ausreichend (vgl. z.B. OLG Nürnberg, Urteil vom 26.10.1993, Az.: 3 U 1806/93; LG München, Urteil vom 2.10.1997, 19 S. 10517,97; AG München, Urteil vom 29.05.1998, Az.: 345 C 4033/98; KG Berlin, Urteil vom 02.09.2010, 22, U 146/09 auch das LG München I,. Urteil vom 30.09.2011, 17 S 31120/10 hat einen Abzug von 15% ausdrücklich als ermessensfehlerfrei bezeichnet und nicht beanstandet).
Bei einem Abzug von 15% verbleibt es bei einem angemessenen Mietwagentarif von 1020,31 €. Ein Aufschlag wegen der Besonderheiten der Unfallsituation ist vorliegend nicht zu berücksichtigen, da diesbezüglich nichts vorgetragen wurde und das Fahrzeug nicht unmittelbar nach dem Unfall angemietet wurde.
Weiterhin ist ein Abschlag von 30% zu machen, da es sich gerade nicht um ein als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassenes Fahrzeug handelt, so dass noch 306,09 € abzuziehen sind, so dass es bei einem angemessenen Mietwagentarif von 714,22 € verbleibt.
Hierauf hat die Beklagte 201,68 € geleistet, so dass die Klägerin noch 512,54 € ersetzt verlangen kann.
Da tatsächlich kein Nutzungsausfallschaden anstelle der Mietwagenkosten gefordert wurde, ist hier der höhere Betrag auch nicht erstattungsfähig.
Verzug: §§ 280, 286, 288 BGB.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin geltend machen eine 1,3-Gebühr aus dem Gegenstandswert der berechtigten Forderung zuzüglich pauschaler Auslagen. Dies sind unbestritten weitere 66,30 €.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.