Aktenzeichen RO 8 S 17.206
FeV § 11 Abs. 8 S. 1, § 13 S. 1 Nr. 2 b, § 46 Abs. 1
StVG § 29 und § 65
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts S. vom 1.2.2017, mit welchem ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden ist.
Der 1967 geborene Antragsteller wurde in der Vergangenheit wiederholt durch Trunkenheitsfahrten verkehrsauffällig, so am 9.1.2001 (2,02‰ BAK), am 17.9.2001 (2,41 ‰ BAK), am 18.2.2008 (1,98‰ BAK) und am 23.12.2010 (2,30‰ BAK). Nach Vorlage eines positiven Gutachtens der DEKRA vom 14.2.2014, welches von einer durch umfassende Veränderung der Lebenssituation überwundenen Alkoholabhängigkeitserkrankung ausgeht, wurde dem Antragsteller am 6.3.2014 wieder eine Fahrerlaubnis erteilt (Klassen AM, B, BE, L) und am 2.7.2014 erweitert (Klassen C1, C1E, C, CE). Am 15.4.2016 führte der Antragsteller erneut ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr (1,06‰ BAK). Unter Bezugnahme auf die zitierten Trunkenheitsfahrten forderte das Landratsamt R. den Antragsteller mit Schreiben vom 18.8.2016 auf, die sich daraus ergebenden Zweifel an der Fahreignung durch Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis spätestens 18.10.2016 zu klären. Der Antragsteller brachte das geforderte Gutachten nicht bei. Vielmehr verlegte er seinen Wohnsitz ab 13.10.2016 in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts S. Nachdem der Antragsteller der behördlichen Aufforderung nicht nachkam, entzog ihm das Landratsamt S. mit Bescheid vom 1.12.2016 – auf den Bezug genommen wird – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis, verfügte die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung ein Zwangsgeld von 250,- € an. An Kosten wurde eine Gebühr von 120,- € erhoben. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 9.12.2016 ist bisher nicht entschieden.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2.2.2017 hat der Antragsteller vorliegenden Antrag stellen lassen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nur formelhaft begründet. Die lange zurückliegenden Trunkenheitsfahrten aus dem Jahr 2001 seien nicht mehr verwertbar. Seit Jahren habe sich der Antragsteller unfall- und beanstandungsfrei gezeigt. Bei der Trunkenheitsfahrt am 15.4.2016 sei er nur geringfügig alkoholisiert gewesen. Ein ETG-Screening vom 19.2.2016 habe unauffällige Werte ergeben. Der Antragsteller habe sich auch kooperativ verhalten und mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten nochmals um Fristverlängerung und die Übersendung einer Liste der Begutachtungsstellen nachgesucht. Privat und beruflich sei er auf den Führerschein angewiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des anhängigen Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts S. vom 1.12.2017 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
den Antrag abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung des anhängigen Widerspruchs hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheids) wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Androhung von Zwangsgeld (Nr. 3 des Bescheids) und der Erhebung von Verwaltungskosten (Nrn. 4 und 5 des Bescheids) anzuordnen. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO u. a. in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung durch die Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids hat die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann dann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Die aufschiebende Wirkung entfällt außerdem gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in anderen durch Bundesgesetz oder Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen sowie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Die Androhung von Zwangsgeld ist gemäß Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar, bei der streitgegenständliche Gebührenerhebung handelt es sich um Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
2. Der gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) gerichtete Antrag führt nicht zum Erfolg.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig.
Ihre Begründung genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Sie setzt sich mit den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls auseinander und macht das besondere Vollzugsinteresse hinreichend deutlich. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die Behörde hat im streitgegenständlichen Bescheid ausführlich dargelegt, warum sie den Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht. Das besondere öffentliche Interesse, bereits mit Zustellung des Bescheids die weitere Teilnahme am Straßenverkehr zu unterbinden, wurde mit den nicht ausgeräumten Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen. Dabei wurden die besonderen Umstände des Einzelfalls und die Interessenlage des Antragstellers konkret berücksichtigt und gewürdigt. Im Übrigen sind die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Inhabers einer Fahrerlaubnis ergibt, regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Anordnung zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.3847 – BayVBl 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr einerseits und der zu schützenden Güter wie Leben oder körperlicher Unversehrtheit der übrigen Verkehrsteilnehmer andererseits grundsätzlich sofort das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt werden muss. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt; allein der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl von anderen Fällen zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden könne, führt deshalb nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139; BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453).
b) Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass der anhängige Widerspruch und eine eventuell nachfolgende Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 1.12.2017 erfolglos bleiben wird, weil die behördliche Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtmäßig war und die Entziehung der Fahrerlaubnis den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO):
aa) Genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO, so hat das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägen des öffentlichen Interesses mit den Interessen des Antragstellers selbst zu beurteilen, ob ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Dabei ist das Gericht nicht auf die Prüfung der öffentlichen Interessen beschränkt, die die Behörde in der Begründung der Anordnung genannt hat. In die Interessenabwägung sind insbesondere auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens einzubeziehen. Hat eine Hauptsacheklage offensichtlich keinen Erfolg, so ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, falls nicht der Sofortvollzug dennoch eine unbillige, vom geltend gemachten besonderen öffentlichen Interesse nicht gebotene Härte zur Folge hätte. Bestehen nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. BayVGH vom 24.3.2009 Az. 11 CS 08.3273).
bb) Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheids vom 1.12.2017 ist rechtmäßig.
(1) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis insbesondere dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. In Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV wird bezüglich Alkohol ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Von Alkoholmissbrauch wird in diesem Zusammenhang immer dann gesprochen, wenn ein Bewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits abhängig zu sein. Als alkoholabhängig wird in der Regel bezeichnet, wer die Kriterien der diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 erfüllt.
(2) Angesichts der auf wissenschaftliche Erkenntnisse (vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bergisch Gladbach im Februar 2000) gestützten Bewertungen in Anlage 4 zur FeV ist jeder Hinweis auf möglichen Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholabhängigkeit eines Fahrerlaubnisinhabers geeignet, Bedenken gegen seine Fahreignung zu begründen. Nach § 46 Abs. 3 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dann die in den §§ 11 bis 14 FeV geregelten Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. So hat die Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn der Betroffene wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Zuwiderhandlungen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV sind nicht nur Straftaten, z. B. nach den § 315c oder § 316 StGB, sondern auch Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 1 StVG (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, Rn 22 zu § 13 FeV). Von wiederholten Zuwiderhandlungen wird ab mindestens zwei verwertbaren Zuwiderhandlungen gesprochen (vgl. Hentschel u. a., a.a.O.). Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, ohne dass ihr hierzu ein irgendwie geartetes Ermessen eingeräumt wäre. Deshalb hat auch eine Prüfung, ob trotz Vorliegens der Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV besondere Umstände für eine dennoch gegebene Eignung sprechen, zu unterbleiben (Hentschel u. a., a.a.O.).
(3) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV unter der Voraussetzung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (siehe Hentschel u. a., a.a.O., Rn 22 und 24 zu § 11 FeV; BVerwG vom 30.12.1999, NZV 2000, 345; OVG Bremen vom 8.3.2000, NJW 2000, 2438; BayVGH vom 29.6.1999, NJW 2000, 304; VG Freiburg vom 9.3.2000, NZV 2000, 388).
(4) Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Behörde ihre Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, zu Recht auf § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV gestützt:
Die Beibringungsaufforderung vom 18.8.2016 ist formell und materiell nicht zu beanstanden (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13/01; BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 11 C 11.1939). Die Begutachtungsaufforderung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein, und der Betroffene muss erkennen können, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen. In der Anordnung ist dem Betroffenen die konkrete Fragestellung mitzuteilen und in verständlicher Form die Gründe darzulegen, die zu den Zweifeln an seiner Kraftfahreignung geführt haben; die genaue Rechtsgrundlage muss die Behörde in ihrer Anordnung nicht nennen, gibt sie eine solche an, muss diese aber zutreffend sein (Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, Rn. 42 ff. zu § 11 FeV mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Denn nur auf der Grundlage all dieser Informationen kann der Betroffene sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen oder die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingehen möchte (OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 10.9.2014 – 16 B 912/14).
Vorliegend nimmt die Behörde als Anlass für die bestehenden Fahreignungszweifel Bezug auf die Trunkenheitsfahrten vom 9.1.2001, vom 17.9.2001, vom 18.2.2008, vom 23.12.2010 und vom 15.4.2016 und fordert im Hinblick darauf mit entsprechender Fragestellung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV eine Klärung der Fahreignung durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss am 9.1.2001, am 17.9.2001, am 18.2.2008, am 23.12.2010 und am 15.4.2016 stellt eine Tatsache dar, die Bedenken hinsichtlich der Fahreignung begründet. Das gilt auch, wenn der Verstoß nur als Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG zu ahnden ist. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerseite ist der bei der letzten Trunkenheitsfahrt erreichte Wert (BAK 1,06 ‰) keinesfalls geringfügig, er liegt vielmehr an der Grenze zur Straftat (§ 316 StGB). Die entsprechenden Eintragungen im Fahreignungsregister (früher: Verkehrszentralregister) waren im Zeitpunkt der behördlichen Anordnung mit Schreiben vom 18.8.2016 noch nicht getilgt und daher auch noch verwertbar. Die Trunkenheitsfahrten vom 9.1.2001, vom 17.9.2001, vom 18.2.2008 und vom 23.12.2010 stellen Straftaten dar. Bei einer Straftat beträgt die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG in der bis 30.4.2014 geltenden und hier nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG weiterhin anwendbaren Fassung (StVG a.F.) zehn Jahre. Gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG a.F. beginnt die Tilgungsfrist mit dem Tag der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung. Im Fall des Antragstellers ist jedoch – abweichend hiervon – die Übergangsregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG einschlägig, so dass hier die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F. erst mit Neuerteilung der Fahrerlaubnis (6.3.2014) beginnt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass hier gemäß § 29 Abs. 6 StVG a.F. durch erneute Trunkenheitsfahrten eine Tilgung der vorangegangenen nicht erfolgen konnte. Die Trunkenheitsfahrt vom 15.4.2016 stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 24a StVG). Hierfür ergibt sich gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b StVG eine Tilgungsfrist von fünf Jahren. Gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG beginnt die Tilgungsfrist mit dem Tag der Rechtskraft der gerichtlichen Bußgeldentscheidung. Auch aus dem positiven medizinisch-psychologischen Gutachten vom 14.2.2014 kann der Antragsteller nichts zu seinen Gunsten herleiten. Vielmehr erweist sich die dortige positive Prognose angesichts der erneuten Trunkenheitsfahrt vom 15.4.2016 als unzutreffend.
(5) Nachdem der Antragsteller das rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt hat, durfte die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 FeV i.V.m.
§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und hatte ihm gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die behördlich gesetzte Frist bis 18.10.2016 war angemessen. Der Behauptung, der Antragsteller habe sich kooperativ verhalten, steht entgegen, dass er der behördlichen Aufforderung eben nicht nachgekommen ist, sondern tatsächlich die zeitnah gebotene Klärung seiner Fahreignung nicht herbeigeführt hat. Die Behörde musste im Interesse der Verkehrssicherheit nicht weiter zuwarten. Es geht zu Lasten des Antragstellers, dass er sich nach der behördlichen Aufforderung vom 18.8.2016 nicht umgehend um eine Begutachtung bemüht, sondern die Klärung seiner Fahreignung u.a. durch Wohnsitzwechsel verzögert hat. Insbesondere hätte er bei der Fahrerlaubnisbehörde lange vor Fristablauf auch eine Liste der Begutachtungsstellen erhalten können. Die Entziehung ist zwingend vorgeschrieben, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Wirtschaftliche und/oder persönliche Nachteile infolge des Verlusts der Fahrerlaubnis haben keine Bedeutung gegenüber dem öffentlichen Interesse, wenn dieses die Entziehung fordert. Billigkeitserwägungen können nicht entgegengesetzt werden (vgl. Hentschel u. a., a.a.O., Rn 11 zu § 3 StVG). Ein nachträgliches Wohlverhalten (ETG-Screening vom 19.10.2016) ist ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass der Antragsteller außer den genannten Trunkenheitsfahrten angeblich unfall- und beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat.
3. Der gegen die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheids) gerichtete Antrag hat ebenfalls keinen Erfolg.
Die Behörde hat auch die sofortige Vollziehung von Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids besonders angeordnet (vgl. Nr. 6 des Bescheids). Dabei wurde auch das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet. Im Hinblick auf die Entziehung wurde die Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet (vgl. oben); an die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs sind im Hinblick auf die Ablieferungspflicht keine weitergehenden Anforderungen zu stellen.
Für die vorzunehmende Interessenabwägung kommt es auch insofern maßgeblich auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Insoweit hängt die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Ablieferungspflicht maßgeblich von der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis und nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Der Widerspruch gegen die Entziehung wird aber, wie oben ausgeführt, aller Voraussicht nach erfolglos sein.
4. Der gegen die Androhung von Zwangsgeld (Nr. 3 des Bescheids) gerichtete Antrag hat ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO haben Widerspruch bzw. Anfechtungsklage gegen eine Zwangsgeldandrohung, bei der es sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt, keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Sollte der Führerschein bereits innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt worden sein (wofür nach den Behördenakten aber kaum etwas spricht), hätte sich die Zwangsgeldandrohung bereits erledigt und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wäre insoweit bereits unzulässig (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968; BayVGH, B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650).
Davon abgesehen liegen jedenfalls die maßgeblichen, in Art. 29, 31 und 36 VwZVG normierten Voraussetzungen, für die Zwangsgeldandrohung selbst vor. Insbesondere wurde das Zwangsgeld schriftlich angedroht (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und eine ausreichende Frist zur Erfüllung der sich aus Nr. 2 des Bescheids ergebenden Verpflichtung gesetzt (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (250 €) ist nicht zu beanstanden (vgl. Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Im Hinblick auf den Grundverwaltungsakt, mit dem die Zwangsgeldandrohung verbunden ist (vgl. Art. 36 Abs. 2 VwZVG), wird auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen.
5. Nach alledem begegnet schließlich auch die behördliche Kostenentscheidung (Nrn. 4 und 5 des Bescheids) keinen Bedenken. Die Kostenentscheidung beruht auf § 6a StVG i. V. m. § 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt, die angesetzte Gebühr von 120,- € ergibt sich aus der Gebühren-Nr. 206 GebOSt. Eine diesbezügliche Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist damit nicht veranlasst.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG.