Aktenzeichen 21 U 2723/17
Leitsatz
Verfahrensgang
51 O 1820/16 2017-07-11 Endurteil LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.07.2017, Az. 51 O 1820/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.11.2017.
Gründe
I.
Der Kläger macht wegen eines Sturzes am 11.11.2015 in der Gaststätte des Beklagten gegen diesen wegen Verletzung von Vertrags- und Verkehrssicherungspflichten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Der Kläger trägt vor, dass er gegen 20 Uhr auf einem Holzstuhl in der Gaststätte gesessen habe und dieser Stuhl auf einmal ohne Vorwarnung unter ihm auseinander gebrochen sei, vgl. Lichtbild, Anlage B 1. Durch den Sturz zu Boden habe er sich Frakturen zugezogen, die operativ versorgt werden mussten. Hätte der Beklagte, so die Auffassung des Klägers, wie es seine Pflicht gewesen sei, den Stuhl auf seine Tauglichkeit überprüft, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Der Beklagte hingegen ist der Meinung, dass es sich um ein schicksalhaftes Geschehen handelt und der Unfall nicht hätte vermieden werden können. Die Stühle in der Gaststätte würden an den Öffnungstagen täglich beim Staubwischen und Wischen des Bodens in die Hand genommen und kontrolliert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte seine Sicherungspflicht nicht verletzt habe. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.
II.
Der Senat beabsichtigt, sein eingeschränktes Ermessen (“soll“) dahingehend auszuüben, dass er die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Senat nimmt daher auf die ausführlichen Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug und macht sich diese zu eigen.
Die Berufungsbegründung vom 10.10.2017, ergänzt durch den Schriftsatz vom 13.10.2017, hat weder aufzeigen können, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht, noch dass die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, § 513 Abs. 1 ZPO.
Im Einzelnen:
Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Haftung des Beklagten weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage gegeben ist. Der insoweit beweispflichtige Kläger konnte nicht nachweisen, dass der Beklagte ihm obliegende Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt hat und hierauf der Unfall des Klägers zurückzuführen ist. Eine Verpflichtung zum Ersatz des dem Kläger durch den Sturz entstandenen Schadens besteht deshalb nicht.
1. Ein Gastwirt ist zwar verpflichtet, von seinen Gästen Gefahren, die ihnen beim Besuch der Gaststätte drohen, abzuwenden. Die Räume der Gastwirtschaft einschließlich der Sitzplätze sind so einzurichten sind, dass die Gäste vor Schäden möglichst bewahrt werden, vgl. BeckOK BGB, 43. Edition, Stand 15.06.2017, Rn. 436 ff. Dem Kläger kann hier aber keine Verletzung von Schutzpflichten vorgeworfen werden, weil er seiner Verpflichtung zur Kontrolle der Stühle nachgekommen ist. Es war hier ausreichend, die Stühle regelmäßig einer Sichtkontrolle zu unterziehen, die anlässlich der Reinigung jeweils erfolgt ist, vgl. auch Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 4. Zivilsenat, Urteil vom 12.10.2017, Az. 4 U 149/16. Weitergehende Maßnahmen, etwa eine Belastungsprobe jedes einzelnen Stuhles, würde die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Gaststätteninhabers überspannen. Eine nähere Kontrolle des Stuhles wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn sich aus dem Zustand des Stuhles oder Vorkommnissen mit vergleichbaren Stühlen vor dem hier streitgegenständlichen Unfall die naheliegende Gefahr ergeben hätte, dass der Stuhl auseinanderbrechen könnte. Solche Anhaltspunkte für eine gesteigerte Untersuchungspflicht wegen einer konkreten Gefahrensituation, hat der Kläger aber weder dargelegt noch bewiesen. Der Kläger hat vielmehr selbst im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt, dass der Stuhl nicht gewackelt habe und auf den ersten Blick in Ordnung gewesen sei. Der Kläger selbst beschreibt damit keine Gefahrensituation, die eine Belastungsprüfung durch den Beklagten erfordert hätte. Damit liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine lockere Verleimung und eine damit einhergehende Instabilität bei einer Kontrolle hätten bemerkt werden müssen.
Allein aus der Tatsache, dass der Kläger durch einen auseinandergebrochenen Gaststättenstuhl verletzt worden ist, kann nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass der Beklagte hier schuldhaft ihn treffende Versicherungspflichten verletzt hat. Die Sorgfaltspflichtverletzung kann auch nicht schon darin gesehen werden, dass sich der Stuhl hier letztlich nicht als stabil erwiesen hat. Es gibt vielmehr auch Fälle, in denen keine weiteren Vorkehrungsmaßnahmen getroffen werden mussten und eine Person gleichwohl zu Schaden kommt. So hart dies im Einzelfall sein mag, hat der Geschädigte in solchen Fällen den ihm entstandenen Schaden selbst zu tragen. Nicht jedes erlittene Unglück ist auch ein Unrecht, für das ein anderer haftbar gemacht werden kann.
2. Der Umstand, dass der Stuhl nach dem Vortrag des Beklagten nach einem Wasserschaden entsorgt worden ist, bewirkt keine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte das Beweisobjekt deshalb beseitigt hat, um die Beweislage des Klägers nachteilig zu beeinflussen, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2003, Az. XI ZR 380/00. Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt aber einen doppelten Schuldvorwurf, nämlich ein Verschulden in Bezug auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung der Beweisfunktion. Daran fehlt es hier.
3. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht veranlasst. Ob der Stuhl 15 oder 30 Jahre alt war, spielt für die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht keine Rolle, weil sich der Umfang der Kontrollpflichten nicht nach einem abstrakten Alter bemisst, sondern vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sind. Auch die Frage, ob der Stuhl schon einmal nachgeleimt worden ist, musste aus den gleichen Gründen nicht sachverständig geklärt werden, was im Übrigen allein anhand des noch vorhandenen Lichtbildes des Stuhles nicht mehr möglich sein dürfte. Die Frage, welches Holzmaterial der Stuhl hat, kann hier ebenfalls dahinstehen, weil nicht das Holz gebrochen ist, sondern sich eine Querverstrebung mit zwei Stuhlbeinen vom übrigen Stuhl gelöst hat, vgl. Lichtbild, Anlage B 1.
4. Die Einvernahme der Zeugin D. zu einem weiteren Vorfall nach dem streitgegenständlichen Ereignis war nicht erforderlich. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter 1. sowie Seite 9 oben des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Dieser spätere Vorfall ist nicht geeignet, den Umfang der Verkehrssicherungspflichten des Beklagten im Rahmen des hier streitgegenständlichen Unfalls zu beeinflussen.
5. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen empfiehlt der Senat dem Kläger die Berufung zurückzunehmen. Auf Ziffer 1222 des Kostenverzeichnisses wird Bezug genommen.