Verkehrsrecht

Wiederlegung der Feststellungen eines Privatsachverständigen im Bagatellverfahren

Aktenzeichen  9 C 593/17

Datum:
16.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 160286
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ebersberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 138, § 495a
BGB § 249

 

Leitsatz

Ein Prüfbericht, der ohne Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges erstellt wird, ist im Verfahren nach § 495a ZPO nicht geeignet, die durch ein vom Kläger in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten festgestellte Reparaturnotwendigkeit in Zweifel zu ziehen.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 305,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.05.2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 305,58 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Unstreitig ist der Beklagte mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … in München am 02.04.2017 auf das geparkte, nicht ganz 3 Jahre alte Fahrzeug der Klägerin der Marke VW mit dem amtlichen Kennzeichen … aufgefahren; die 100 %ige Haftungsquote des Beklagten steht nicht in Streit.
Die Klägerin rechnet den an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden auf Basis eines Sachverständigengutachtens vom 07.04.2017 fiktiv ab. Von der dort ermittelten Schadenssumme hat der Beklagte unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht seiner Haftpflichtversicherung, der …, ebenso wie seine Haftpflichtversicherung einen offenen Restbetrag von 305,58 € nicht reguliert. Er beruft sich ebenso wie sein Haftpflichtversicherer darauf, dass die Klägerin das Fahrzeug mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen bei dem Autohaus … in Moosburg kostengünstiger reparieren lassen könne, was eine Ersparnis von 96,02 € bedeute. Außerdem werden technische Abzüge gemacht, weil eine Beschädigung des Kennzeichens mit der Folge eines Gebührenanfalls für die Abstempelung und der Kosten für eine Neubeschaffung nicht erforderlich bzw. nicht belegt sei (58,78 € Abzug), ein Richtbankeinsatz nicht erforderlich sei (129,39 €) und Kleinersatzteile nicht zusätzlich pauschal abrechenbar seien (21,46 €).
Dass der Beklagte sich auf das Schreiben seines Haftpflichtversicherers vom 28.04.2017 und den angefügten Prüfbericht vom 19.04.2017 bezieht, kann im vereinfachten Verfahren im Rahmen des schlüssigen Sachvortrages hingenommen werden.
Inhaltlich sind die Einwendungen des Beklagten jedoch nicht gerechtfertigt. Die Klägerin hat einen fachkundigen Sachverständigen beauftragt, der das Fahrzeug untersucht und ein Gutachten zu dem „Haftpflichtschaden“ erstellt hat. Inwieweit das ein Parteigutachten sein soll, das nicht aussagekräftig genug ist, um den geltend gemachten Schaden in voller Höhe zu begründen, erschließt sich nicht. Der Sachverständige ist zertifiziert, an der Fachkompetenz des Sachverständigen wurden keine Zweifel erhoben und solche sind auch nicht ersichtlich.
Ein Prüfbericht, der noch dazu ohne jegliche Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges erstellt wird, ist nicht geeignet, die festgestellte Reparaturnotwendigkeit in Zweifel zu ziehen. Die technischen Abzüge sind somit nicht gerechtfertigt. Insbesondere ist die Beschädigung des Kennzeichens sogar lichtbildlich dokumentiert und die Geschädigte ist hinsichtlich sämtlicher Schadenspositionen zur fiktiven Schadensabrechnung befugt.
Der Verweis auf eine günstigere Fachwerkstatt greift nicht, weil die Klägerin berechtigt ist, sich an die Fachwerkstatt zu wenden, die sie für geeignet hält. Eine Fahrt in einen anderen Ort, nämlich nach Moosburg zu einer günstigeren Fachwerkstatt, auch wenn VW-Fachbetrieb, ist ihr nicht zumutbar. Zudem ist nicht dargetan, warum der in Landshut ansässige Sachverständige den ortsüblichen Stundenverrechnungssatz der Fachwerkstätten in seinem Einzugsbereich unzutreffend ermittelt haben soll.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Klägerin hat Frist zur Zahlung des offenen Restbetrages bis 12.05.2017 gesetzt. Zahlung erfolgte nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

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