Aktenzeichen 11 C 1941/17
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 249, § 823
Leitsatz
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalles darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigten Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 1995, 01930). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den restlichen Reparaturkosten in Höhe von 169,82 € gegenüber der Firma …
desheim zur Rechnung … freizustellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 169,82 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Am 24.09.2017 kam es zwischen dem klägerischen Fahrzeug, und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug zu einem Verkehrsunfall, bei welchem das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt wurde. Die Reparaturkosten beliefen sich ausweislich der vorgelegten Rechnung auf 32.225,66 €. Die Beklagte regulierte bis auf einen Betrag in Höhe von 169,82.
Der Klägerin steht im tenorierten Umfang ein Anspruch auf restlichen Schadensersatz gegen die Beklagte gemäß §§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG zu.
Die Parteien streiten um restliche Verbringungskosten und Kosten für Prüf- und Probefahrt sowie Reinigungskosten. Die geltend gemachten restlichen Verbringungskosten stellen nach Ansicht des Gerichts dem Grunde als auch der Höhe nach den erforderlichen Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Verbringungskosten überhöht und damit nicht erforderlich gewesen seien und bestreitet, dass eine Verbringung tatsächlich erfolgt ist.
Die Beklagte hat die geltend gemachten Verbringungskosten mit einem pauschalen Betrag von 80,00 € netto beglichen. Warum die Beklagte diesen Betrag für angemessen erachtet, erschließt sich dem Gericht nicht. Aus einer Vielzahl von gleichartigen Verfahren weiß das Gericht, dass die Beklagte offenbar immer 80,00 € ohne jegliche Einzelfallprüfung reguliert. Die Beklagte legt aber weder in den entsprechenden Abrechnungsschreiben noch im Verfahren dar, warum dies der erforderliche Betrag sein soll.
Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind insofern regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Absatz 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.
Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers (AG Norderstedt, Urteil vom 14.9.2012 – 44 C 164/12; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 9 S 314/13). Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigten Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, NJW, 302, 304; AG Düsseldorf, 21.11.2014 – 37 C 11789/11). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendung sind im allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier gleichartige Aufwendung sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind hier die Kosten der Verbringung sowie die Kosten für die Fahrzeugreinigung und die Prüf- und Probefahrt ersatzfähig.
Ein Berufen auf das Werkstatt- und Prognoserisiko ist auch sachgerecht. Der Geschädigte soll aus Divergenzen zwischen der Haftpflichtversicherung und der Werkstatt herausgehalten werden. Der Geschädigte kann, sofern entsprechende Kosten im Sachverständigengutachten ausgewiesen werden, auf die Erforderlichkeit dieser vertrauen. Mithin ist von ihm auch nicht zu erwarten, dass er jede Rechnungsposition hinterfragt und sich belegen lässt. Der Haftpflichtversicherung steht es frei, sich entsprechende Ansprüche gegen die Werkstatt abtreten zu lassen.
Nicht relevant ist, ob der Kläger die Kosten bereits beglichen hat. Seinerseits sieht er sich in jedem Fall einer entsprechenden Forderung der Reparaturwerkstatt gegenüber, der er auch nicht substantiiert entgegen treten kann, da sie keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, warum die Forderung überzogen sein soll.
Die Klage war mithin vollständig begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.