Aktenzeichen 3 C 876/16
Leitsatz
1. Der Schutz einer Hausratversicherung umfasst den in Sammelgaragen aufbewahrten Hausrat nicht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer sich bloß unbemerkt und geräuschlos Zutritt in eine Sammelgarage einer Wohnungseigentumsanlage verschafft, schleicht sich nicht ein und hält sich dort auch nicht verborgen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.766,19 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.766,19 €.
Ein Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 1 Satz 1 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag i.V.m. den Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen der Beklagten (VHB 2010 – …).
a. Der Versicherungsschutz der zwischen den Parteien bestehenden Hausratversicherung erstreckt sich bereits nicht auf den Tiefgaragenstell Platz. Gemäß § 6 Nr. 1 VHB 2010 ist nur der am Versicherungsort befindliche Hausrat versichert. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGH, VersR 2014, 1118 m.w.N.).
aa. Entgegen der Auffassung der Klägerin fällt der streitgegenständlichen Tiefgaragenstell Platz nicht unter § 6 Nr. 3 d) VHB 2010. Nach dieser Bestimmung gehören zur Wohnung privat genutzte Garagen, soweit sich diese in der Nähe des Versicherungsortes befinden. Von dieser Bestimmung werden nur Garagen erfasst, die ausschließlich vom Versicherungsnehmer genutzt werden (Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, § 6 VHB Rn. 32). Dass „privat genutzt“ eine ausschließliche Nutzung durch den Versicherungsnehmer voraussetzt, ergibt sich auch unter Zugrundelegung des Verständnisses eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bereits aus dem Sinnzusammenhang mit § 6 Nr. 3 a) Satz 2 und 3 VHB 2010. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Garagen des Grundstücks, auf dem sich die versicherte Wohnung befindet, nur bei einer ausschließlichen Nutzung durch den Versicherungsnehmer oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person zur Wohnung gehören (§ 6 Nr. 3 b) VHB 2010). Es ist ohne weiteres erkennbar, dass bei einer nur in der Nähe befindliche Garage Sammelgaragen erst recht nicht Versicherungsort im Rahmen der Hausratversicherung sein können, da die Einwirkungs- und Beobachtungsmöglichkeiten des Versicherungsnehmers in diesem Fall naturgemäß noch weiter eingeschränkt sind.
bb. Der streitgegenständliche Tiefgaragenstell Platz wird auch von § 6 Nr. 3 c) VHB 2010 nicht erfasst. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine Verschließbarkeit im Sinne dieser Bestimmung gegeben ist. Dies kann indes dahinstehen, da der Tiefgaragenstell Platz jedenfalls kein Raum ist, in dem Hausrat bestimmungsgemäß vorgehalten wird. Der Raum muss zur Abstellung des dort befindlichen Hausrats vorgesehen („ausgewiesen“) sein (Knappmann, in Prölss/Martin, VVG, § 6 VHB Rn. 35). Der Tiefgaragenstell Platz ist nicht zur Lagerung von Reifen, sondern zum Abstellen eines Pkw vorgesehen. Die tatsächliche Nutzung durch die Klägerin führt nicht dazu, dass der Tiefgaragenstell Platz für die Lagerung von Reifen vorgesehen wäre. Auch der Umstand, dass ein Fahrradkeller in der Bestimmung ausdrücklich genannt wird, führt nicht zu einer anderen Bewertung, denn auch in einem Fahrradkeller sind nur dort befindliche Fahrräder und nicht jede Form von Hausrat versichert.
b. Unabhängig davon hat die Klägerin auch das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls nicht schlüssig dargetan. Mangels Einbruchspuren stützt die Klägerin sich auf einen Einbruchdiebstahl durch Einschleichen oder Sichverborgenhalten, ohne jedoch die Voraussetzungen dieser Einbruchsvarianten vorzutragen.
Gemäß § 3 Nr. 2 c) der VHB 2010 liegt ein Einbruchsdiebstahl vor, wenn der Dieb aus einem verschlossenen Raum eines Gebäudes Sachen entwendet, nachdem er sich in das Gebäude eingeschlichen oder oder dort verborgen gehalten hatte.
Unter Einschleichen ist ein heimliches Eindringen zu verstehen, bei dem der Täter sich der Wahrnehmung anderer durch besondere Vorsichtsmaßnahmen entzieht (KG Berlin, Beschluss vom 08.10.2013, 6 U 88/13). Ein bloß geräuschloses, unbemerktes Hineingehen in ein Haus oder eine Wohnung reicht hierfür nicht aus (KG Berlin a.a.O.; Spielmann, VersR 2004, 964; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, § 3 VHB Rn. 8). Zu der Heimlichkeit muss vielmehr noch irgendeine Vorsichtsmaßnahme, eine listige Art der Ausführung hinzukommen (vgl. KG Berlin, a.a.O.; Knappmann, a.a.O.). Dieser Begriff gilt nicht nur im strafrechtlichen Bereich, sondern auch bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen, weil er sich aus der Wortbedeutung des Einschleichens herausgebildet hat und auch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen ankommt, so verstanden wird (KG Berlin, Beschluss vom 08.10.2013, 6 U 88/13).
Auch die Variante des Sichverborgenhaltens ist nicht schon dann gegeben, wenn sich jemand unbemerkt in einem Raum aufhält. Auch hier muss ein Verbergen hinzukommen, das nur dann gegeben ist, wenn sich der Täter innerhalb des Versicherungsortes versteckt, sodass er vor dem Verschließen nicht entdeckt wird. Er muss sich also unter Zuhilfenahme örtlicher Gegebenheiten der Wahrnehmung entziehen (KG Berlin, a.a.O.).
Der Vortrag der Klagepartei, nach dem Einbruchs- und Aufbruchspuren nicht vorhanden waren und die Möglichkeit, dass der oder die Täter mit einem nachgemachten Schlüssel von außen in die Tiefgarage gelangten, lebensfremd erscheine, schließt einen Einbruchdiebstahl nach § 2 a) der VHB 2010 aus.
Dies genügt aber nicht für eine schlüssige Darlegung eines Einschleichens oder Sichverborgenhaltens. Die Klagepartei trägt zum Geschehensablauf im Ergebnis lediglich vor, dass die Lebenswahrscheinlichkeit dafür spreche, dass der oder die Täter über das Treppenhaus zur Tiefgarage gelangt seien.
Selbst wenn der oder die Täter die Tiefgarage durch das Treppenhaus betreten haben sollten, fehlt es an der Darlegung eines konkreten Geschehensablaufes oder wenigstens von Anhaltspunkten dafür, dass die Täter sich in das Gebäude oder die Tiefgarage eingeschlichen oder sich in der Tiefgarage verborgen haben.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise die Täter das Gebäude und die Tiefgarage betreten haben. Dass die Täter besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätten, um sich der Wahrnehmung zu entziehen, wurde bereits nicht vorgetragen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass es sich im Streitfall um ein Mehrparteienhaus handelt zu dem eine Vielzahl von Personen, wie beispielsweise der Hausmeister, die Bewohner und deren Besucher Zutritt haben und bei dem auch weiteren Personen ein Betreten möglich sein kann, ohne dass sie dabei zwingend die Voraussetzungen eines Einschleichens verwirklichen müssten.
Auch dafür, dass die Täter sich in der Tiefgarage verborgen gehalten haben, hat die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann weder aus der Natur des Diebesguts noch aus dem Umstand, dass nicht nur die Reifen der Klägerin gestohlen wurden, geschlossen werden, dass es sich um einen Einbruchdiebstahl handelt. Dies führt dazu, dass für den Abtransport des Diebesguts ein Kfz erforderlich gewesen sein dürfte. Es bietet jedoch keine Anhaltspunkte dafür, auf welche Art die Täter ursprünglich in das Gebäude und in die Tiefgarage gelangt sind.
Das Gericht verkennt nicht, dass es für den Geschädigten gerade im Falle eines Einschleichens und Sichverborgenhaltens mangels Zeugen oder Videoaufzeichnungen häufig schwierig sein wird, einen Einbruchdiebstahl schlüssig darzulegen und zu beweisen. Aus diesem Grund kommen dem darlegungs- und beweisbelasteten Versicherungsnehmer gewisse Erleichterungen zugute. Erforderlich ist aber wenigstens, dass der Versicherungsnehmer nicht nur das äußere Bild einer Entwendung, sondern gerade einer Entwendung durch eine der nach den VHB 2010 versicherten Begehungsweisen darlegt. Eine weitere Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast des Versicherungsnehmers kommt nicht in Betracht. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der Versicherer auf die bloße Behauptung einer Entwendung durch eine versicherte Begehungsweise darlegen und beweisen müsste, dass es sich um einen einfachen Diebstahl handelt, was diesem ebensowenig gelingen dürfte. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf einen Einbruchdiebstahl würde im Ergebnis leer laufen.
2. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.