Versicherungsrecht

Kein Deckungsausschluss für fondsgebundene Lebensversicherungen und Vorvertraglichkeit in der Rechtsschutzversicherung

Aktenzeichen  2 S 1925/17

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
r+s – 2018, 248
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 169 Abs. 4
ARB 2015 § 3 Abs. 2 lit. g, § 4 Abs. 1, § 5
BGB § 305c Abs. 2

 

Leitsatz

1. Fondsgebundene Lebensversicherungen unterfallen nicht dem Ausschluss für “Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art” in einer Rechtsschutzversicherung (a.A. BGH BeckRS 2019, 9019 -Revisionsentscheidung-). (Rn. 14 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalls im Vertragsrechtsschutz der Rechtsschutzversicherung kommt es bei einem Widerspruch gegen eine im Policenmodell geschlossene Lebensversicherung nicht auf den Zeitpunkt der Widerspruchsbelehrung, sondern die Weigerung des Versicherers an, das Widerspruchsrecht anzuerkennen (Anschluss an BGH BeckRS 2013, 2003). (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 C 1009/16 2017-02-27 Endurteil AGHERSBRUCK AG Hersbruck

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 27.02.2017, Az. 5 C 1009/16, abgeändert:
a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Rechtsschutz für den Versicherungsfall vom 03.03.2016, Schaden-Nr. 2016080129, aufgrund des zwischen den Parteien unter der Versicherungsscheinnummer 840/4287759 abgeschlossenen Versicherungsvertrages zu gewähren.
b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozeßbevollmächtigten, von der Zahlung aus der Rechnung Nr. 16074 vom 09.09.2016 in Höhe von 334,75 € freizustellen.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird – auch für die erste Instanz – auf 2.658,10 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 f. ZPO).
A.
Das Amtsgericht hat die erhobene Feststellungklage auf Gewährung von Rechtsschutz für den Versicherungsfall vom 03.03.2016 (Widerruf einer bei der Z Lebensversicherung AG am 01.10.2004 abgeschlossenen Kapital-Rentenversicherung) und die Klage auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen. Versicherungsschutz sei nach § 3 Abs. 2 lit. g) ARB ausgeschlossen, da es sich bei der Kapital-Lebensversicherung der Z um ein „Kapitalanlagegeschäft“ i.S.d. Ausschlussklausel handele.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt.
Dem am 15.01.2016 geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die ARB mit Stand 01.10.2015 zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden. Es wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
B.
Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Berufung ist begründet.
I. Die auf Gewährung von Rechtsschutz gerichtet Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 ZPO):
Vor Fälligkeit des Kostenbefreiungsanspruchs nach § 5 ARB kann der Versicherungsnehmer nur auf Feststellung klagen, dass der Versicherer verpflichtet sei, Kostendeckung oder Rechtsschutz in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren (BGH, Urteil vom 14. April 1999 – IV ZR 197/98, r+s 1999, 285). Der auf die Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers gerichtete Feststellungsantrag muss die Angelegenheit, für die Rechtsschutz gewährt werden soll, bestimmt und im Einzelnen bezeichnen (BGH, Beschluss vom 08. März 2006 – IV ZB 19/05, r+s 2006, 328). Dem wird der streitgegenständliche Antrag gerecht, da er den Versicherungsfall nach Datum und Schaden-Nr. der Beklagten spezifiziert.
II. Der Kläger hat im Rahmen des unstreitig nach § 2 lit. d) ARB versicherten Vertrags-Rechtsschutzes Anspruch auf Versicherungsschutz.
1. Die vom Kläger angestrebte Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis – hier: Lebensversicherungsvertrag bei der Z Lebensversicherung AG – unterliegt nicht dem Ausschluss des § 3 Abs. 2 lit. g) ARB. Dies ergibt die Auslegung der Ausschlussklausel. Dort heißt es:
„In folgenden Fällen haben Sie keinen Versicherungsschutz:

(2)

g) Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art und deren Finanzierung.
…“
a) Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, wie sie die ARB darstellen, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BGH darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer jene bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (st. Rspr. zuletzt BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 – IV ZR 188/16, r+s 2017, 651).
Anhand dieses Auslegungsmaßstabes mag das von der Beklagten favorisierte Auslegungsergebnis, wonach eine fondsgebundene Lebensversicherung ein Kapitalanlagegeschäft ist, zutreffen. In diesem Sinne verhalten sich auch die von der Beklagten vorgelegten (unveröffentlichten) Entscheidungen (z.B. LG Kiel, Urt. v. 05.08.2016 – 1 S 257/15 und LG Paderborn, Urt. v. 21.01.2015 – 5 S 49/14).
Sämtliche dieser Entscheidungen übersehen jedoch – wie auch im Streitfall das Amtsgericht -, dass das nach dem Vorstehenden maßgebliche Interesse des Versicherungsnehmers bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahingeht, diese eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (st. Rspr. BGH, Beschluss vom 11. September 2013 – IV ZR 259/12, r+s 2013, 552 m.w.N.; BGH, Versäumnisurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR 124/06, r+s 2007, 154 s. auch Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. 2010, ARB 2000 § 3 Rn. 11).
b) Bei § 3 Abs. 2 lit. g) ARB handelt es sich um eine Ausschlussklausel (einhellige Ansicht, vgl. z.B. nur Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 54; Lensing in Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 4. Aufl. § 27 Rn. 412; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 322; Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. 2010, ARB 2000 § 3 Rn. 11; aus der Rspr. z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.November 2014 – 6 U 78/14, r+s 2015, 18). Sie enthält die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses („Kapitalanlagegeschäft“), für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will. Da die Klausel gerade nicht in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert, handelt es sich nicht um eine verhüllte Obliegenheit (zur Abgrenzung BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 – IV ZR 288/12, r+s 2014, 350 m.w.N.).
c) Die damit gebotene enge Auslegung führt dazu, dass ein Versicherungsvertrag – mag er auch bedeutende Züge einer Kapitalanlage tragen – kein Kapitalanlagegeschäft i.S.d. Ausschlussklausel ist:
Wörtlich genommen ist ein „Kapitalanlagegeschäft“ ein Vertrag über die Anlage von Kapital. Bei einer „Kapitalanlage“ geht es darum, Geld bzw. Vermögenswerte werterhaltend oder idealerweise werterhöhend anzulegen. Für die Überlassung des Kapitals wird der Anleger mit einer Rendite „entschädigt“. Eine fondsgebundene Kapitallebensversicherung wie die streitgegenständliche erfüllt „wirtschaftlich betrachtet“ diese Kriterien zweifelsohne (BGH, Urteil vom 05. April 2017 – IV ZR 437/15, VersR 2017, 677; auch OLG Nürnberg, Urteil vom 27. Juni 2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238 Rn. 92, wenngleich nicht im Zusammenhang mit der Auslegung einer Ausschlussklausel, sondern zur Anwendbarkeit der Aufklärungsgrundsätze bei Anlagegeschäften). Diese Einschätzung dürfte im Übrigen für jede Art von Kapitallebensversicherung gelten, nicht aber für eine „reine“ Risikolebensversicherung.
Die streitgegenständliche fondsgebundene Kapitallebensversicherung stellt aber – natürlich – auch einen Versicherungsvertrag dar: Ein Versicherungsvertrag liegt dann vor, wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt; zudem darf die betreffende Vereinbarung nicht mit einem anderen Vertrag, der seinerseits kein Versicherungsvertrag ist, verbunden und als unselbständige Nebenabrede dieses Hauptvertrages zu werten sein (BGH, Urteil vom 23. November 2016 – IV ZR 50/16, VersR 2017, 118). Wie schon die gesetzliche Regelung in § 169 Abs. 4 VVG zur fondsgebundenen Lebensversicherung zeigt, ist die Art der Kapitalanlage (hier: Fond) lediglich die Umsetzung des versicherungsrechtlichen Hauptversprechens, kann also die Eigenschaft einer Lebensversicherung als Versicherungsvertrag nicht infrage stellen.
Ein Vertrag wie der vorliegende wird aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers folglich nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – als Kapitalanlage, sondern wesentlich – jedenfalls auch – als Versicherungsvertrag wahrgenommen. Dabei kann nach Ansicht der Kammer auch nicht unbeachtet bleiben, dass sämtliche Vertragsunterlagen von einer „Versicherung“ sprechen und der Vertrag mit einer „Lebensversicherung AG“ abgeschlossen wurde. Der Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung stellt sich damit gemessen am Vorstehenden für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer inhaltlich objektiv als Mischform aus Kapitalanlagegeschäft und Versicherungsvertrag dar.
Nicht nur bei gebotenem – engen – Verständnis der Ausschlussklausel wird der verständige Versicherungsnehmer aber keinesfalls davon ausgehen, dass Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen von dem ihm gegebenen Rechtsschutzversprechen ausgenommen sind. Eine derartig gravierende Lücke im Versicherungsschutz müsste die Klausel ihm hinreichend verdeutlichen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2013 – IV ZR 259/12, r+s 2013, 552 m.w.N.; BGH, Versäumnisurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR 124/06, r+s 2007, 154). Dies wäre durch einen entsprechenden Zusatz ohne weiteres möglich. Der Zusatz „aller Art“ reicht hierzu allerdings nicht aus (dazu sogleich). Umgekehrt könnten Versicherungsverträge ohne weiteres von der Ausschlussklausel ausgenommen werden, wie es etwa Nr. 3.2.8 S. 2 ARB 2012 (vgl. http://www.gdv.de/downloads/versicherungsbedingungen/rechtsschutzversicherung/) als Möglichkeit vorsieht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass alleine die Tatsache, dass eine Klausel „noch“ verständlicher und klarer formuliert werden könnte, sie nicht zwingend angreifbar macht.
Dass ein „Mitwirken“ eines Kapitalanlagegeschäfts – also eben eine Mischform – ausreichen soll, wird für den Versicherungsnehmer nicht durch den gewählten Wortlaut deutlich. Dieser verhält sich hierzu gar nicht. Vielmehr wird der verständige Versicherungsnehmer seinen Blick etwa auf den Ausschluss nach § 3 Abs. 2 lit. l) oder m) ARB richten und feststellen, dass dort eine solche bloße „Mit-Beteiligung“ eines ausgeschlossenen Risikos („im Zusammenhang mit … Photovoltaikanlage“ bzw. „in ursächlichem Zusammenhang mit … Äußerungen“) ausreichen soll. Dies wird ihn in seinem Verständnis bestärken, dass dann eben bei Kapitalanlagegeschäften eine Mitbeteiligung anderer Vertragsformen bzw. -elemente gerade nicht erfasst sein soll.
Im Übrigen wäre eine Abgrenzung dahingehend, wann die Bedeutung des Versicherungsschutzes den Kapitalanlagecharakter derart überwiegt, dass er in den Hintergrund zu treten hat – genauso umgekehrt, wann der Kapitalanlagecharakter derart dominiert, dass der Versicherungsschutz nurmehr sekundäre Bedeutung erlangt -, praktisch kaum möglich. Dies zeigt z.B. ein anderes bei der Kammer anhängiges Verfahren, in dem zum umstrittenen Lebensversicherungsvertrag eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer versicherten Rente von über 1.000 € abgeschlossen wurde. Soll der verständige Versicherungsnehmer bei gebotener enger Betrachtung der Ausschlussklausel in jenem Fall davon ausgehen, dass er keine Rechtsschutzdeckung für eine Streitigkeit aus dem Versicherungsvertrag hat, weil dieser im „Lebensversicherungsteil“ auch Kapitalanlagecharakter hat? Die gebotene deutliche Formulierung einer Ausschlussklausel verbietet eine Wortwahl, die eine Einzelfallbetrachtung mit unscharfer Grenzziehung dahingehend erfordert, ob sich eine kapitalbildende Lebensversicherung „bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar“stellt (so BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 164/11, r+s 2013, 297 Rn. 53 zur Anwendbarkeit der Aufklärungsgrundsätze bei Anlagegeschäften). Ob hierzu überhaupt dieselben Kriterien herangezogen werden könnten, wie sie – in anderem Zusammenhang – zur Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze zur Aufklärung beim Abschluss von Kapitalanlagegeschäft bemüht werden (z.B. BGH aaO OLG Nürnberg, Urteil vom 27. Juni 2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238), muss die Kammer aber nicht entscheiden:
Risikoausschlussklauseln müssen so formuliert sein, dass der verständige Versicherungsnehmer nicht zunächst zu einer diffizilen Abwägung von Versicherungsschutzim Verhältnis zum Kapitalanlageanteil gezwungen wird, über deren Ergebnis sich dann im Einzelfall auch trefflich streiten lässt. Risikoausschlussklauseln müssen vielmehr so formuliert sein, dass ihre Reichweite gerade ohne solch komplizierte Überlegungen klar ist. Nimmt der Versicherungsnehmer deshalb berechtigt an, dass er eine dergestalt klare, verständliche und abgrenzend gefasste Ausschlussklausel vor sich hat, wird er einen Vertrag, der jedenfalls auch Versicherungsschutz verspricht, nicht als Kapitalanlagegeschäft verstehen.
d) An diesem Ergebnis ändert auch der Zusatz in § 3 Abs. 2 lit. g) ARB nichts, dass Streitigkeiten aus „Kapitalanlagegeschäften aller Art“ ausgeschlossen sind.
Ein verständiger Versicherungsnehmer wird diesen Zusatz vielmehr so interpretieren, dass zunächst überhaupt ein Kapitalanlagegeschäft i.S.d. Ausschlussklausel anzunehmen sein muss (worunter Versicherungsverträge nach dem Vorstehenden gerade nicht fallen) und erst dann in einem zweiten Schritt klargestellt wird, dass es für den Ausschluss nicht darauf ankommt, welcher „Art“ das Kapitalanlagegeschäft ist. Nicht zu vereinbaren mit der gebotenen engen Auslegung der Ausschlussklausel wäre hingegen ein Verständnis dahingehend, dass schon der Begriff des Kapitalanlagegeschäfts Geschäfte „aller Art“ umfassen soll, also solche, die „irgendwie“ Kapital zum Gegenstand haben, wie z.B. auch ein Privatdarlehen. Hätte die Beklagte derlei Mischverträge aus Versicherungsvertrag und Kapitalanlagegeschäft vom Versicherungsschutz ausnehmen wollen, hätte sie die Risikoausschlussklausel entsprechend deutlich formulieren müssen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR 124/06, r+s 2007, 154).
e) Das vorstehende Auslegungsergebnis wird schließlich nicht durch den weiteren Auslegungsgrundsatz „Begriff der Rechtssprache“ beeinflusst.
aa) Danach ist bei Verwendung eines bekannten Begriffs der Rechtssprache im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR 124/06, r+s 2007, 154). Aber nur dann erfährt das Verständnis von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach der Sichtweise des durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verwendet und ihm darüber einen bestimmten Inhalt vorgibt (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – IV ZR 84/12, r+s 2013, 601). Alle anderen Fachbegriffe scheiden als objektive Verständnisvorgabe aus, weil dies in Abweichung vom maßgeblichen Auslegungsgrundsatz des verständigen Versicherungsnehmers zu einer gesetzesähnlichen Auslegung von Versicherungsbedingungen führen würde. Gibt es in der Rechtssprache keinen umfassenden, in seinen Konturen eindeutigen Begriff, ist für die Begriffsklärung auf die Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs der Klausel abzustellen (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – IV ZR 84/12, r+s 2013, 601). Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist, maßgebend ist (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – IV ZR 84/12, r+s 2013, 601).
bb) Einen in der Rechtssprache umfassenden, in seinen Konturen eindeutigen Begriff des „Kapitalanlagegeschäfts“ gibt es nicht.
Der Begriff des „Kapitalanlagegeschäftes“ wird – soweit ersichtlich – nirgends legaldefiniert (ebenso wohl OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2015 – 6 U 78/14, r+s 2015, 18). Selbst in § 1 KAGB (Kapitalanlagegesetzbuch, BGBl. I 2013, S. 1981), der eine umfassende Bestimmung einer Vielzahl von relevanten Begriffen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen enthält, wird der Begriff der „Kapitalanlage“ oder des „Kapitalanlagegeschäftes“ nicht benannt. Allein die wiederholte Verwendung des Begriffs der Kapitalanlage in gerichtlichen Entscheidungen (z.B. OLG Nürnberg, Urteil vom 27. Juni 2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238), auch des BGH (z.B. Urteil vom 05. April 2017 – IV ZR 437/15, VersR 2017, 677 Urteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 164/11, r+s 2013, 297 Urteil vom 24. März 2011 – III ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842), genügt ebenfalls nicht, um den Ausdruck zu einem fest umrissenen Begriff der Rechtssprache zu machen (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – IV ZR 84/12, r+s 2013, 601).
Beim Begriff der Kapitalanlage handelt es sich also nicht um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache (Lensing in Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 4. Aufl. § 27 Rn. 412). Dass der Begriff „zumindest auch in den Bereich der Rechtssprache verweist“ und mit ihm die Rechtssprache „einen hinreichend festumrissenen Begriff verbindet“ (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2015 – 6 U 78/14, r+s 2015, 18), kann die Kammer nicht erkennen. Unabhängig davon wäre man mit diesem Befund wieder auf das Verständnis des verständigen Versicherungsnehmers zurückgeworfen. Dieses führt indes für die Verwendung des Begriffs in einer Ausschlussklausel zu dem Ergebnis, dass Versicherungsverträge nicht hierunter fallen.
f) Da eine Auslegung der Klausel nach alledem ergibt, dass Kapitallebensversicherungen von ihr nicht erfasst werden, kommt es nicht mehr auf den Auslegungsgrundsatz des § 305c Abs. 2 BGB an, wonach Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen würden.
Vor ihrer Inhaltskontrolle ist eine Klausel nämlich zunächst auszulegen, um Klarheit über ihren zu kontrollierenden Inhalt zu schaffen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – IV ZR 130/03, r+s 2004, 385). So greift die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB erst, wenn die objektive Auslegung zu dem Ergebnis führt, dass die Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinnes und Zwecks objektiv mehrdeutig ist und die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden kann. Es müssten also nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden erhebliche Zweifel und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar bleiben (BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – IV ZR 130/03, r+s 2004, 385). Hiervon geht die Kammer nach dem vorstehenden engen Auslegungsergebnis nicht aus.
In der vorbeschriebenen Auslegung der Klausel begegnet diese nach Ansicht der Kammer – ohne dass dies dann noch entscheidungserheblich wäre – keinen AGBrechtlichen Wirksamkeitsbedenken (so im Übrigen auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. 11. 2014 – 6 U 78/14, r+s 2015, 18; zw. Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 333).
2. Der Anspruch des Klägers scheitert nicht am Vorvertragseinwand der Beklagten.
In § 4 Abs. 1 ARB heißt es hierzu:
„Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles, der nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Ende eingetreten ist. Der Rechtsschutzfall tritt ein …
c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem Sie oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll;
Weiter in § 4 Abs. 3 ARB:
… Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, dass Ihnen der Rechtsschutzfall bei Abschluss des Rechtsschutzvertrages noch nicht bekannt ist und weder bei uns noch einer anderen Rechtsschutzversicherung schon gemeldet war oder gemeldet werden konnte.“
Nach der st. Rspr. des BGH ist im Vertragsrechtsschutz i.S.d. § 2 lit. d) ARB für die Festlegung der dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtverletzung der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (BGH, Urteil vom 24. April 2013 – IV ZR 23/12, r+s 2013, 283 m.w.N.).
Das ist im streitgegenständlichen Fall die Weigerung der Z, das Widerspruchsrecht des Klägers anzuerkennen und ihm den geforderten Betrag zurückzuzahlen (vgl. BGH aaO). Der Kläger begründet sein Begehren nach Rechtsschutz also mit dem Vorwurf, der Lebensversicherer bestreite unberechtigt seine Berechtigung, dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags noch zu widersprechen (auf die übrigen Ausführungen in der maßgeblichen Entscheidung BGH aaO, die ebenfalls zu einem Widerruf nach § 5a VVG a.F. erging, wird Bezug genommen).
Damit liegt der der Z angelastete Verstoß vom 03.03.2016 (Anlage K3) in versicherter Zeit (Vertragsschluss am 15.01.2016).
3. Der Kläger hat auch Anspruch auf die beantragte Freistellung von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 €.
In der unberechtigten Leistungsablehnung liegt eine Verletzung vertraglicher (Neben) Pflichten i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB, die zum Schadensersatz verpflichtet (Harbauer/Bauer, 8. Aufl. 2010, ARB 2000 § 5 Rn. 167; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2014 – 20 U 180/14, VersR 2015, 745) – hier konkret die Freistellung von der Honorarschuld gegenüber dem Klägervertreter.
Der Höhe nach richtet sich der Anspruch nach den Rechtsanwaltskosten aus dem berechtigten Gegenstandswert (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 12. Dezember 2017 – VI ZR 611/16, juris). Dieser bestimmt sich bei einer Klage auf Feststellung der Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung gemäß § 3 ZPO grundsätzlich nach den voraussichtlichen durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 141/10, VersR 2012, 204). Die Kosten legt der Kläger mit der Klageschrift (S. 6) schlüssig und von der Beklagten nicht widersprochen mit 3.322,62 € zugrunde. Nach dem – aaO jedoch unterbliebenen – Abschlag von 20% ergeben sich 2.658,10 €, so dass bei einer 1,3 Gebühr, zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer 334,75 € anzusetzen sind. Hinsichtlich der Mehrforderung war die Klage abzuweisen.
Da der Freistellungsanspruch betreffend die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aber keine Geldschuld i.S.d. § 288 Abs. 1 BGB ist, besteht insoweit kein Zinsanspruch (BAG Beschluss vom 16. April 2003 – 7 ABR 29/02, BeckRS 2003, 40992 LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 2 O 3078/17; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 94/04, NJW 2005, 2310; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 – I-1 U 99/07, BeckRS 2014, 14543).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung hinsichtlich der Nebenforderung verhältnismäßig geringfügig war und wegen ihrer Streitwertneutralität auch keine höheren Kosten veranlasst hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt wegen der Revisionszulassung (s. D.) aus §§ 708 Nr. 10, 711, 2, 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert war unter Berücksichtigung des Feststellungsabschlags von 20% (s.o. unter B.II.3.) – nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG auch für die erste Instanz – auf 2.658,10 € festzusetzen.
D.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vorliegen. Die Kammer weicht mit ihrer „strengen“ Auslegung des § 3 Abs. 2 lit. g) ARB von den von der Beklagten vorgelegten, wenngleich aktuell nicht veröffentlichten, Entscheidungen des LG Kiel (Urteil vom 05. August 2016 – 1 S 257/15) und des LG Paderborn (Urteil vom 21. Januar 2015 – 5 S 49/14) ab, die für eine fondsgebundene Lebensversicherung das Vorliegen eines Kapitalanlagegeschäfts bejahen.

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