Aktenzeichen 25 O 50/21
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 34.205,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache erfolglos.
I. Das Landgericht Memmingen ist das sachlich gem. § 1 ZPO i.V. m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 ZPO und örtlich gem. § 215 VVG zuständige Gericht. Der Kläger hatte jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz im Landgerichtsbezirk Memmingen. Der spätere Umzug bleibt gem. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unerheblich. Das Landgericht Memmingen ist jedenfalls aufgrund der Verweisung bzw. gem. § 39 ZPO örtlich zuständig.
II. Ein Zahlungsanspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis ist nicht gegeben, da die Voraussetzungen des Versicherungsfalles nach den BB MN 2017 nicht vorliegen. Die Klage war jedenfalls abzuweisen, da sich die Klage ihrer Höhe nach als unschlüssig erweist.
Nach § 2 Nr. 1 und Nr. 3 BB MN 2017 leistet der Versicherer Entschädigung für Sachschäden in Abhängigkeit eines ersatzpflichtigen Mietausfallschadens gemäß Nr. 3 der BB MN 2017. Vorliegend ist ein ersatzpflichtiger Mietausfallschaden nicht eingetreten, sodass eine Entschädigung für einen in vermeintlicher Abhängigkeit hierzu entstandenen Sachschaden nicht zu leisten ist.
1. Eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB liegt nicht vor. Denn in § 2 Ziffer 1. c) der Besonderen Bedingungen für die Mietnomadenversicherung wird hinsichtlich des Versicherungsumfangs ausdrücklich nicht lediglich auf einen „Mietausfallschaden“, sondern „Sachschäden in Abhängigkeit eines ersatzpflichtigen Mietausfallschaden(s) gemäß Nr. 3“ abgestellt. Die Überschrift von § 2 Ziffer 3. lautet sodann: „Sachschäden in Abhängigkeit eines ersatzpflichtigen Mietausfallschadens.“ Eingeleitet wird erneut mit: „Der Versicherer leistet – sofern ein ersatzpflichtiger Mietausfallschaden eingetreten ist – […]“ (Hervorhebungen durch das Gericht).
Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird durch diese Formulierungen zum einen klar vergegenwärtigt, dass Leistungen in Bezug auf Sachschäden allenfalls dann erfolgen, wenn ein ersatzpflichtiger Mietausfallschaden eingetreten ist. Auch kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer anhand der Formulierung erkennen, dass Ziffer 3. selbst nicht bereits darlegt, was unter einem solchen „ersatzpflichtigen Mietausfallschaden“ zu verstehen ist. Er kann den Formulierungen insbesondere entnehmen, dass es insofern einer Zusammenschau der Regelungen bedarf. Der Versicherungsnehmer ist zunächst zur Lektüre des § 2 Ziffer 2. der Besonderen Versicherungsbedingungen für die Mietnomadenversicherung angeleitet, welcher erkennbar eine Definition des „Mietausfallschadens“, jedoch nicht des „ersatzfähigen“ Mietausfallschadens gibt. Sodann wird er zur Lektüre des § 2 Ziffer 1. a) angeleitet, der eingeleitet wird mit „Der Versicherer leistet Entschädigung a) für den Mietausfallschaden der im Versicherungsvertrag bezeichneten Wohnung, für die Dauer der vereinbarten Haftzeit, wenn […].“ Es geht aus § 2 Ziffer 1 c) und Ziffer 3. somit hinreichend deutlich hervor, dass das Eintreten eines Mietausfallschadens i. S. d. § 2 Ziffer 2. der Besonderen Bedingungen für die Mietnomadenversicherung nicht genügt, sondern dieser auch „ersatzfähig“ sein muss. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann erkennen, dass Ziffer 2. des § 2 lediglich die Definition dessen angibt, was als „Mietausfallschaden“ angenommen werden kann. Um die Frage der Ersatzfähigkeit und damit die Frage, wann die Beklagte für einen Schaden eintritt zu klären, muss der Versicherungsnehmer zwar § 2 Ziffer 1. und die daraus hervorgehenden, weiteren Voraussetzungen beachten. Dies ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedoch nicht „überraschend“ im Sinne des § 305c BGB.
„Überraschend“ ist die AGB-Klausel nur dann, wenn zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht. Dass die Klausel unüblich ist, reicht nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn sie für den Kunden unerwartet kommt. Vielmehr müsste der Klausel ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen. Bei der Bewertung kommt es grundsätzlich auf den Erwartungshorizont des durchschnittlich geschäftserfahrenen Kunden an (Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 6 ff.). Die Klausel müsste eine Regelung enthalten, auf die der Kunde nach Lage der Umstände vernünftigerweise nicht gefasst zu sein brauchte (Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 12). Der Kläger wendet insoweit ein, die Bestimmungen seien insbesondere nach ihrem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich, dass damit nicht zu rechnen sei. Dieser Einwand greift nicht durch.
Ein durchschnittliche Versicherungsnehmer, der eine entsprechende Versicherung abschließen will, wird beim Abschluss einer Mietnomadenversicherung das allgemeine Verständnis eines „Mietnomanden“ zugrunde legen. Darunter versteht man regelmäßig Personen, welche einen Wohnraum ohne Entrichtung des Mietzinses nutzen, diesen auch von Anfang an nicht entrichten wollten und welche erst im Zuge einer Räumungsklage ausziehen. Diese Beschreibung ist dem Duden zur Wortbedeutung zu entnehmen. Oftmals stehe in Zusammenhang damit auch Schäden an dem genutzten Wohnraum. Bereits inhaltlich durfte es für den Kläger nach diesem allgemeinen Verständnis des Begriffs „Mietnomade“ vernünftigerweise nicht überraschend sein, dass die Eintrittspflicht von einer weiteren Inanspruchnahme der Wohnung nach einer Kündigung abhängig gemacht wird.
Eine Klausel kann zwar auch deshalb überraschend sein, weil sie einen ungewöhnlichen Zuschnitt hat oder an ungewöhnlicher Stelle erscheint. Es darf sich dabei aber nicht um eine derart beschaffene Ungewöhnlichkeit handeln, die gleichsam „ins Auge springt“ (Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 26 f.). Auch wenn es vorläufig erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer die einzelnen Ziffern des § 2 der Besonderen Versicherungsbedingungen in der Zusammenschau liest, so geht aus diesen dennoch deutlich hervor, welche Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Beklagten erfüllt sein müssen, sodass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Voraussetzungen der Eintrittspflicht erkennen kann. Ihm ist auch zuzumuten, die Versicherungsbedingungen in dieser Zusammenschau zu lesen, zumal die Regelungen alle unter § 2 und auf einer Seite der Versicherungsbedingungen abgedruckt sind.
Die Versicherungsbedingungen legen somit in § 2 Ziffer 1. für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich und übersichtlich den Umfang des Versicherungsschutzes dar und zeigen letztlich auf, dass nicht jeder „Mietausfallschaden“ auch „ersatzfähig“ wäre. Bereits anhand der ersten Worte von § 2 Ziffer 1. der Versicherungsbedingungen „Die Versicherung leistet […]“ ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass insofern der grundsätzliche Leistungsumfang dargestellt wird. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann somit anhand Ziffer 1. erkennen, wann die Beklagte überhaupt leistet, um in Ziffer 2. sodann eine Definition dessen zu finden, was einen „Mietausfallschaden“ darstellt, um schließlich aus Ziffer 3. zu entnehmen, was unter einem „Sachschaden in Abhängigkeit eines ersatzpflichtigen Mietausfallschadens“ zu verstehen ist. Durchgängig ist der ersatzpflichtige also einstandspflichtige Mietausfallschaden und nicht lediglich der Mietausfallschaden in Bezug genommen, weshalb es für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht überraschend ist, dass Sachschäden lediglich dann übernommen werden, wenn ein einstandspflichtiger Mietausfallschaden nach § 2 Ziffer 1. gegeben ist.
Auch aus formalen Gründen liegt keine überraschende Klausel vor. Der Versicherungsnehmer wird durch die aufgeführten, insgesamt nicht von erheblichem textlichen Umfang geprägten Ziffern des § 2 geführt werden. Diese enthalten jeweils strukturierte, fett gedruckte Überschriften, aus denen jeweils bereits geschlossen werden kann, welche weiteren Voraussetzungen für die Eintrittspflicht gegeben sein müssen.
Schließlich gab der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung auf die Frage, welche Vorstellung er sich gemacht habe als er die Versicherung abschloss an, die Versicherungsbedingungen nicht vollständig gelesen zu haben. Er habe lediglich vom Mietausfall gelesen. Aus der Tatsache, dass er sich die Versicherungsbedingungen nicht hinreichend durchliest, bevor er die Versicherung schließt, kann nicht darauf geschlossen werden, die Bedingungen seien überraschend. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist zuzumuten, sich die Bedingungen entsprechend durchzusehen.
Da somit das Vorliegen einer überraschenden Klausel zu verneinen ist, finden die Regelungen der Versicherungsbedingungen Anwendung.
2. Schließlich liegen auch die Voraussetzung einer weiteren Inanspruchnahme der Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 2 Ziffer 1. a) bb) nicht vor, da die Wohnung dem Kläger nach dem übereinstimmenden Parteivortrag bereits nach Ablauf der gewährten Räumungsfrist wieder übergeben wurde. Damit fehlt es an den Voraussetzungen gem. § 2 Ziffer 1. a) bb) der Versicherungsbedingungen, da der Mieter die versicherte Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht weiter in Anspruch genommen hat.
Eine wirksame außerordentliche Kündigung liegt vor, §§ 569 Abs. 3, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a, 568 Abs. 1 BGB. Der Mieter befand sich im Zeitpunkt der Kündigung mit insgesamt drei Monatsmieten für September, Oktober und November 2019 in Verzug. Die Kündigung wurde schriftlich unter Angabe des Grundes ausgesprochen.
Der Mieter hat die versicherte Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses jedoch nicht im Sinne der Versicherungsbedingungen weiter in Anspruch genommen. Zwar lässt die Bewilligung einer Räumungsfrist die Beendigung des Mietverhältnisses grundsätzlich unberührt. Auch wenn dem Mieter kein Recht zum Besitz zusteht, so ist der Gläubiger während dieser Zeit an der Durchsetzung seines Räumungstitels im Wege der Zwangsvollstreckung gehindert (Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 721 Rn. 12).
Bereits aus der Formulierung „in Anspruch nimmt“ ist jedoch ersichtlich, dass insoweit nicht auf eine „einvernehmliche“ Inanspruchnahme, sondern eine letztlich unberechtigten Inanspruchnahme abgestellt wir und werden muss. Denn ansonsten hätte es der Versicherungsnehmer in der Hand, den Versicherungsfall durch die Vereinbarung von weitläufigen Räumungsfristen bis hin zur Höchstgrenze der „Haftungszeit“, wie sie § 2 Ziffer 4. in Verbindung mit dem Versicherungsschein (12 Monate) vereinbart ist, zu bestimmen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem oben genannten Begriffsverständnis des „Mietnomaden“ und damit dem erkennbaren Versicherungszweck, wie er bereits aus der Bezeichnung „Mietnomadenversicherung“ hervorgeht. Denn nach dem Begriffsverständnis ist nicht jeder Mieter, dem regelmäßig aus sozialen Gründen eine Räumungsfrist zu gewähren sein wird bzw. gewährt wird, auch „Mietnomade“, sodass die Versicherung auch nicht erkennbar in jedem Falle der Beendigung eines Mietverhältnisses und Gewährung einer Räumungsfrist eingreifen soll. Dies ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend erkennbar. Das Argument der Klagepartei, dass nach diesem Verständnis völlig unbestimmt wäre, ab wann die Versicherung eingreift, ist nicht nachvollziehbar. Denn die Versicherung würde eingreifen, sobald der Mieter auch nur einen Tag länger als es nach Beendigung und ggf. gewährter Räumungsfrist zulässig ist, in der Wohnung verbleibt. Insoweit trägt die Versicherung das Risiko, dass sie bereits in einem solchen Fall einstehen müsste.
Aus Sicht des Gerichts kann mit der Formulierung der Versicherungsbedingungen „Inanspruchnahme“ im Sinne des § 2 Ziffer 1. a) bb) bereits nach dem Begriffsverständnis und in Zusammenschau mit dem Versicherungszweck nur eine „unberechtigte“ Inanspruchnahme gemeint sein, sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch unabhängig von den weiteren Fragestellungen bezüglich der Kautionsleistung nicht gegeben sind.
3. Der Anspruch war jedenfalls abzulehnen, nachdem die Schadenshöhe nicht schlüssig vorgetragen wurde. In der Gesamtschau des gegenseitigen Vorbringens genügt der Kläger seiner Darlegungslast nicht. Sein Vortrag bleibt vage und pauschal.
Das Gericht hatte mehrfach darauf hingewiesen (Protokoll zum Termin vom 7.06.2021 (Bl. 42/44 d. A.) sowie 18.10.2021 (Bl. 72/74 d. A.)), dass sich die Schadenshöhe aus dem Vortrag der Klagepartei und aus dem Kostenvoranschlag (Anlage K2) der Höhe nach nicht schlüssig ergibt. Im Kostenvoranschlag wird nach Auflistung verschiedener Positionen unter der Angabe „Pauschalpos.“ letztlich ein Gesamtpreis von netto 34.205,00 € ausgewiesen. Wie sich dieser zusammensetzt, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch nach Hinweis des Gerichts nicht weiter vorgetragen, letztlich auch keine Rechnungen über die nach seiner Behauptung bereits vollständig durchgeführten Maßnahmen vorgelegt, sodass die Klage der Höhe nach unschlüssig und ohne Beweisaufnahme abzulehnen war. Auch wurde besprochen, dass die behaupteten Schäden teilweise selbst nach dem Vortrag des Klägers an der Badezimmereinrichtung (Gutachten, Anlage BLD 6 Bild 10, 11, 12, 13) des ehemaligen Mieters eingetreten sein sollen, sodass „versicherte Sachen“ im Sinne von § 3 der Versicherungsbedingungen, nicht vorliegen.
Die Klagepartei beruft sich lediglich völlig pauschal auf eine mutwillige Zerstörung der Einrichtung ohne weiteren Vortrag oder Benennung der genauen Schäden. Die Beklagte hingegen hat sich darauf berufen, dass die Beschädigungen insbesondere der Höhe nach nicht kausal auf das Verhalten des Mieters zurückzuführen seien und legt ein Gutachten vor, in dem dargelegt wird, dass beispielsweise Schäden am Fliesenboden im Flur auf unsachgemäße Verlegung zurückzuführen seien. In der Toilette seien am Bodenbelag keinerlei Schäden festgestellt worden (Bild 15 Anlage BLD 6). Auch geht aus dem Gutachten hervor, dass entgegen dem klägerischen Vortrag nicht alle Türen beschädigt waren. Dort sind lediglich die Türzargen im Schlafzimmer und Kinderzimmer aufgeführt. Dem ist die Klägerseite nicht mit einem schlüssigen Sachvortrag entgegengetreten, ob gleich sie dies hätte müssen. Der Kläger hat sich mit der grundsätzlichen Wiederholung seiner vorherigen pauschalen Behauptungen überwiegend begnügt. Ein zunächst kurz gefasster schlüssiger Klagevortrag bedarf nämlich dann der Ergänzung, wenn er in folge der Erwiderung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf das geltend gemachte Recht zulässt (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 138 Rn. 20). Dies ist vorliegend der Fall. Der wiederholt völlig pauschal gehaltene Vortrag der Klagepartei zum Umfang des eingetretenen Schadens kann folglich den Anforderungen an ein substantiiertes Klägervorbringen nicht genügen, weshalb die Klage auch als unschlüssig abzuweisen war.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, §§ 3 und 4 ZPO. Die geltend gemachte Nebenforderung wird bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt.