Aktenzeichen 20 ZB 16.453
GG Art. 103 Abs. 1
GKG § 47 Abs. 1, Abs. 3
VwGO § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 u. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 4, § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2
Leitsatz
1 Die Annahme eines Besitzdieners (§ 855 BGB), der kein Abfallbesitzer ist, setzt voraus, dass ein nach außen erkennbares Abhängigkeitsverhältnis besteht, das dem Besitzherren faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen durchzusetzen. Hieran fehlt es, wenn der Betroffene nach außen selbstständig agiert. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung gegen den Abfallbesitzer steht nicht entgegen, dass bei deren Durchsetzung das Eigentum eines Dritten beeinträchtig wird. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 11 K 14.1736 2015-12-16 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.910,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angeführten Zulassungsgründe nicht vorliegen und nicht hinreichend dargelegt wurden.
1. Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 124 a Rn. 62 m. w. N.). Unter Zugrundelegung der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, er sei Abfallbesitzer gewesen. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sei der Kläger vielmehr als Besitzdiener einzustufen, welcher kein Besitzer im Sinne des Abfallrechts sei. Diese Rüge greift nicht durch, vielmehr ist die rechtliche Einordnung des Klägers als Abfallbesitzer auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts richtig. Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Dazu muss ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet werden, das dem Besitzherrn zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen (BGH, U. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13 – NJW 2014, 1524). Der Klägerbevollmächtigte will die Besitzdienerschaft des Klägers aus den Umständen herleiten, dass der Kläger nicht Eigentümer der Reifen gewesen sei, dass die Firma W. für das ganze Projekt verantwortlich gewesen sei und der Kläger keine Verfügungen getroffen habe, die nicht im Sinne und nach den Vorgaben der Firma W. ergangen seien. Hierbei bleibt anzumerken, dass es nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Annahme der Besitzdienerschaft erforderlich ist, dass der Kläger in einem nach außen erkennbaren Abhängigkeitsverhältnis zur Firma W. tätig gewesen sein müsste. Dafür lässt sich aber der Zulassungsbegründung des Klägers kein substantiiertes Vorbringen entnehmen. Im Übrigen weist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 20) zu Recht darauf hin, dass der Kläger aufgrund seines (zumindest) nach außen selbstständigen Agierens bei Einkauf, Verladung, Verbringung und Ausladen der Reifen die volle Sachherrschaft besessen habe.
Der Kläger meint weiter, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, weil die Altreifen im Eigentum der Firma W. stünden und die Beseitigungsanordnung deshalb deren Eigentumsgrundrecht verletze. Dabei verkennt er, dass diese Frage nicht die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung, sondern deren Durchsetzbarkeit berühren könnte. Schließlich sind die hypothetischen Ausführungen des Klägers in seinem Zulassungsantrag zur Unverhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung und zur Vorbereitung einer theoretischen Verwertung der Altreifen im Ausland nicht in der Lage, Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.
2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Die Darlegungsanforderungen dieses Zulassungsgrundes sind nur dann erfüllt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist sowie erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers nicht. Er meint vielmehr nur beiläufig, dass die Frage, ob und inwieweit die Besitzregelungen des BGB bei der Auslegung des Begriffes des Abfallbesitzers im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu beachten sind, grundsätzliche Bedeutung habe.
3. Das Verwaltungsgericht hat schließlich nicht verfahrensfehlerhaft (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es den Beweisantrag des Klägers abgelehnt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägung einzubeziehen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gerichtsentscheidung frei von Fehlern ergeht, welche ihren Grund in einer unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Verfahrensbeteiligten haben. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO kann auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen. Hierzu gehört, wenn die Ablehnung eines Beweisantrages im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B. v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – NJW-RR 2004, 1150). Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat den Zeugenbeweisantrag des Klägers, zur Tatsache, dass der Kläger beim Reifenzusammenstellen nur geholfen, aber keine Verantwortung getragen habe, in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2015 mit der (kurzen) Begründung abgelehnt, der Beweisantrag sei unbehelflich. Dies ist im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden. Es ist unter der zugrunde gelegten Rechtsansicht, das Abhängigkeitsverhältnis des Besitzdieners müsse nach außen erkennbar sein, bereits nicht ersichtlich, warum die genannten Zeugen zur Klärung dieser Frage beitragen könnten. Auf diesen Umstand hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Dezember 2015 (S. 21) ebenfalls hingewiesen. Zusätzlich mag es zutreffen, dass aufgrund der eigenen Aussagen des Klägers während des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Abfallbesitzereigenschaft ohne weiteres zu bejahen ist.
4. Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).