Aktenzeichen M 16 S 16.30193
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
Eine Täuschung des Ausländers über seine Staatsangehörigkeit hat zwingend die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet zur Folge (§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er am 16. März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. April 2015 Asylantrag.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Antragsteller an, seine Eltern seien gestorben als er noch sehr klein war. Er sei dann mit seinem Onkel nach Gambia ausgewandert. Im Alter von 16 Jahren habe er Streit mit einem Freund gehabt. Dieser sei dann bei einer Prügelei ums Leben gekommen. Nach der Tat sei er von der Familie des Getöteten mit dem Tode bedroht worden. Er sei für die Tat drei Jahre ins Gefängnis gekommen und habe die Familie des Opfers nach der Entlassung nicht wieder gesehen. Laut Aussage eines Mitgefangenen bestehe die Drohung aber weiterhin.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2016, zugestellt am 1. Februar 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1 und Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Senegal oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Außerdem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat und müsse sich im Hinblick auf eine etwaige Bedrohung durch die Familie des Opfers auf vorhandene staatliche Schutzmöglichkeiten im Senegal verweisen lassen. Im Übrigen könne er auch internen Schutz in größeren Städten seines Heimatlandes finden.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 5. Februar 2016 Klage (M 16 K 16.30192) erhoben und am 7. Februar 2016 beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, er müsse seine Angaben insofern berichtigen, als er aus Gambia stamme. Im Jahr 2009 sei es mit einem Bekannten zu einer folgenschweren Auseinandersetzung gekommen, bei der dieser aufgrund einer Notwehrlage ums Leben gekommen sei. Nach dem Vorfall sei er drei Wochen auf der Polizeistation verhört und gefoltert worden. Die Eltern des ums Leben gekommenen Bekannten seien sehr wohlhabend und einflussreich. Nachdem er auch unter Folter keine vorsätzliche Tötung habe eingestehen können, sei er ohne Verhandlung ins Gefängnis gekommen und habe drei Jahre unter menschenverachtenden Bedingungen in Untersuchungshaft verbracht. Es habe nie einen Prozess gegeben. Dennoch habe er hingerichtet werden sollen. Er habe aus einem Krankenhaus, in das er aufgrund andauernder Bauchschmerzen und -krämpfen gebracht worden sei, fliehen können. Seine Flucht habe ihn durch Senegal, Mali, Burkina Faso und Niger nach Libyen geführt. Auch dort sei er inhaftiert worden. Die dortigen Umstände seien unbeschreiblich grausam gewesen. Nach ungefähr sechs Monaten habe er das Glück gehabt, von einem Offizier mitgenommen zu werden, bei dem er für zwei Monate habe arbeiten sollen. Erneut habe er sich zur Flucht entschieden. Er habe Platz in einem überfüllten Schlauchboot gefunden. Das Boot habe ein Leck gehabt, 35 Menschen seien ertrunken. Er sei von der italienischen Küstenwache in ein Notcamp gebracht worden. In Italien habe er sich sein Essen erbettelt und mit vielen Menschen in einer Unterkunft ohne Heizung auf engstem Raum gelebt. Über Asylrechte sei er nie aufgeklärt worden. Auch in Deutschland angekommen habe er keine Vorstellung vom Ablauf eines Asylverfahrens gehabt. Aus dieser Unwissenheit heraus sei es zu der falschen Angabe seines Herkunftsstaats gekommen. Er habe seine Identität nicht preisgeben wollen. Da er Angst gehabt habe, nach Gambia zurückgeschickt zu werden, habe er bei der ersten Anhörung falsche Angaben gemacht.
Das Bundesamt legte die Behördenakten vor; ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.30192 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Es ist gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO davon auszugehen, dass sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltende Abschiebungsandrohung (Nr. 5) richtet, da entsprechende Anträge gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (Nr. 6) und gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 7) unzulässig wären (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 26.1.2016 – 20 L 4078/15.A – juris Rn. 21 und 32; VG Münster, B. v. 20.1.2016 – 4 L 39/16.A – juris Rn. 9 und 14).
Der so verstandene, fristgerecht erhobene (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) Antrag ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Dabei ist im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren auszuführen, dass das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts keinen Bedenken begegnet. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, er sei nicht aus dem Senegal, sondern aus Gambia, ist dies nicht glaubhaft. Insbesondere die Angabe, er habe keine Vorstellung vom Ablauf eines Asylverfahrens gehabt und deshalb seine Identität nicht preisgeben wollen, ist nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat sich vor seiner Anhörung vor dem Bundesamt bereits mehrere Monate im Asylverfahren befunden und konnte sich in dieser Zeit mit dem Ablauf des Verfahrens vertraut machen. Ausweislich der vorgelegten Behördenakte wurde er vor seiner Anhörung am 30. Dezember 2015 nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, wahrheitsgemäß auszusagen. Im Übrigen hat auch eine Täuschung des Ausländers über seine Staatsangehörigkeit zwingend die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet zur Folge (§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.