Aktenzeichen M 24 E 16.927
Leitsatz
Die Sollvorschrift des § 25b AufenthG begründet keinen gesetzlichen Anspruch iSd § 16 Abs. 2 AufenthG (OVG RhPf BeckRS 2015, 52685). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500.- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind marokkanische Staatsangehörige und hielten sich bislang – die Antragstellerin zu 1) seit 10. Januar 2008 – zu Studienzwecken im Bundesgebiet auf. Sie sind aufgrund der Bescheide der Antragsgegnerin vom … November 2013 (Antragsteller zu 2) und vom … September 2014 (Antragstellerin zu 1) vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Mit Bescheid vom … September 2014 hatte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 6. März 2012 abgelehnt, eine Frist für die Ausreise bis zum 30. November 2014 gesetzt und ihr die Abschiebung nach Marokko oder einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat angedroht. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage war mit Urteil vom 3. Dezember 2015, M 24 K 15.4803, abgewiesen worden.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 beantragten die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigte bei der Antragsgegnerin für sich und für ihren am 8. Dezember 2011 geborenen Sohn eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. Die Voraussetzungen gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG seien vorliegend gegeben. Die Eheleute hielten sich seit mehr als 8 Jahren im Bundesgebiet auf. Des Weiteren werde auf § 25b Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 AufenthG verwiesen. Die weiteren Voraussetzungen betreffend § 25b Abs. 1 Nr. 2, 4 und 4 AufenthG seien erfüllt. Eventuelle Ausschlussgründe seien nicht gegeben.
Mit an die Antragstellerbevollmächtigte gerichtetem Schreiben vom 23. Februar 2016 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Antragsteller nicht unter die Regelung des § 25b AufenthG fallen würden. Der Paragraf ziele dabei einerseits darauf ab, die Rechtsstellung derjenigen zu stärken, die auch ohne einen rechtmäßigen Aufenthalt anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht hätten. Die Antragssteller seien nicht im Besitz von Duldungen, die erforderlich wären. U. a. würden sie ihren Lebensunterhalt auch nicht überwiegend aus Erwerbstätigkeit sichern. Der Sohn lebe seit Jahren wieder im Heimatland, so dass der Antrag insoweit allein wegen fehlender örtlicher Unzuständigkeit abgelehnt werden müsste. Die Ausreisefristen würden am 26. Februar 2016 enden. Bei nicht freiwilliger Ausreise würden die unanfechtbaren Bescheide vollzogen werden.
Mit Telefax vom 26. Februar 2016 beantragten die Antragsteller zu 1) und zu 2) durch ihre Bevollmächtigte,
den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Antragssteller Abstand zu nehmen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG würden von der Antragstellerin zu 1) erfüllt. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ziele die Vorschrift des § 25b AufenthG nicht ausschließlich darauf ab, die Rechtsstellung derjenigen zu bestärken, die ohne einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet leben würden. Das ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG). Die Antragstellerin zu 1) sei seit ca. Oktober 2015 im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung, dem Antragsteller zu 2) sei seit mehr als einem Jahr eine Grenzübertrittsbescheinigung verlängert worden. Es bestehe ein Anordnungsgrund, da den Antragstellern die zwangsweise Abschiebung drohe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Auf Antrag kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung u. a. nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Mit dem Eilantrag sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund geltend und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
2. Vorliegend wurde ein Anordnungsanspruch jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.
2.1. Nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend vom § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Nach eigenem Sachvortrag der Bevollmächtigten sind die Antragsteller zu 1) und zu 2) jedoch nur im Besitz von Grenzübertrittsbescheinigungen, nicht im Besitz von Duldungen. Dafür, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Duldungen nach § 60a AufenthG gegeben wären, ist vorliegend nichts ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, der zwar für die Berechnung des Aufenthaltszeitraumes von acht bzw. sechs Jahren auf den Besitz einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis abstellt, jedoch nicht vom Erfordernis des Besitzes (zumindest) einer Duldung als Anspruchsvoraussetzung nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG befreit.
2.2. Dass sich die Antragsteller seit mindestens 8 Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hätten (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG), wurde für den Antragsteller zu 2) bereits nicht geltend und für die Antragstellerin zu 1) nicht glaubhaft gemacht. Zwar ist die Antragstellerin zu 1) am 10. Januar 2008 zu Studienzwecken ins Bundesgebiet eingereist. Ihr Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis vom 6. März 2012 wurde jedoch mit bestandskräftigen Bescheid vom … September 2014 abgelehnt, so dass sich die Antragstellerin zu 1) auf jeden Fall ab diesem Zeitpunkt weder mit einer Aufenthaltserlaubnis noch mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Da sich der Sohn der Antragsteller nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Antragsgegnerin bereits seit Jahren in Marokko aufhält, kann sich die Antragstellerin zu 1) auch nicht auf die kürzere Frist von 6 Jahren berufen.
2.3. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG steht im Übrigen auch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 AufenthG entgegen, wonach während des Aufenthalts nach Abs. 1 und Abs. 1a in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden soll, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Die Sollvorschrift des § 25b AufenthG begründet jedoch keinen gesetzlichen Anspruch im Sinne des § 16 Abs. 2 AufenthG (OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 14.09.2015 – 7 B 10780/15 – juris Rn. 6).
Für das Vorliegen einer Ausnahme vom Regelfall ist vorliegend nichts ersichtlich. Die Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin zu 1) wurde abgelehnt, weil unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Studienleistungen und des dafür aufgewendeten Zeitbedarfs nicht mehr zu erwarten war, dass sie ihr nunmehr neu begonnenes Studium innerhalb des Gesamtzeitraumes von 10 Jahren abschließen kann. Sinn und Zweck der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen „alters- und stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung im Aufenthaltsgesetz“ ist nach der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drs. 18/4097, S. 23), die gesetzliche Lücke zu schließen, die darin besteht, dass das Aufenthaltsgesetz bislang keine allgemeine stichtagsunabhängige Regelung vorsieht, um nachhaltig Integrationsleistungen, die trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts erbracht wurden, durch Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren, nicht jedoch, eine Auffangnorm für die Fälle zu schaffen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nicht (mehr) vorliegen, insbesondere der angemessene Zeitraum von 10 Jahren im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 AufenthG nicht gegeben ist.
2.4. Da für die Antragstellerin zu 1) das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 25b Abs. 1 AufenthG nicht glaubhaft gemacht wurde, kann der Antragssteller zu 2), für den es bereits an der Geltendmachung eines Anordnungsanspruchs nach § 25b Abs. 1 AufenthG fehlt, auch insoweit nach § 25b Abs. 4 AufenthG kein Aufenthaltsrecht und damit keinen Anordnungsanspruch ableiten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der unterliegende Teil hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 1.1.3, Nr. 1.5 und Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.