Verwaltungsrecht

Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung mangels Zulassungsgründen

Aktenzeichen  12 ZB 17.1

Datum:
21.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114414
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
GVG § 17a Abs. 1, Abs. 5
VwGO § 40, § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5
SGB VIII § 35a

 

Leitsatz

1 Für die klageweise Geltendmachung von Zahlungsansprüchen des Leistungserbringers gegen den öffentlichen Jugendhilfeträger ist der Zivilrechtsweg eröffnet. Erachtet das Verwaltungsgericht indes den Verwaltungsrechtsweg für gegeben, so ist der über die Berufung entscheidende Senat daran nach § 17a Abs. 1, Abs. 5 GVG gebunden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Zahlungsanspruch einer Therapeutin gegen den öffentlichen Jugendhilfeträger besteht dann nicht, wenn der zugrunde liegende privatrechtliche Vertrag nach der Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht, mit ihrem Arbeitgeber geschlossen wurde. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßende Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 18 K 14.5809 2016-07-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten als Jugendhilfeträger die Bezahlung von Legasthenie-Therapiestunden für insgesamt 11 Kinder infolge der Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Das Verwaltungsgericht hat die entsprechende Leistungsklage mit Urteil vom 27. Juli 2016 abgewiesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, da die maßgeblichen Verträge zwischen den Hilfeempfängern, vertreten durch die jeweiligen Erziehungsberechtigten, und ihrem vormaligen Arbeitgeber, dem S.-Verlag, abgeschlossen worden seien, sie demgegenüber den Nachweis eines Eigengeschäfts nicht erbracht habe. Hiergegen richtet sich ihr Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sie durch ihren Bevollmächtigten – sinngemäß – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sowie Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend machen lässt. Der Zulassungsantrag hat indes keinen Erfolg. Er erweist sich zwar als zulässig, ist jedoch in der Sache unbegründet, da die vorgebrachten Zulassungsgründe – ungeachtet von Mängeln in der nach § 124a Abs. 4 VwGO erforderlichen Darlegung – nicht durchgreifen.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist – trotz des Umstands, dass für den klageweise geltend gemachten Zahlungsanspruch der Zivilrechtsweg anstelle des Verwaltungsrechtswegs gegeben gewesen wäre – zulässig. Im sog. jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen dem Jugendhilfeträger, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer, von dessen Vorliegen in der streitigen Fallkonstellation das Verwaltungsgericht vom Ansatz her zutreffend ausgeht, liegt zwischen dem leistungsberechtigten Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer regelmäßig ein privatrechtlicher Vertrag vor, dem der Jugendhilfeträger durch Bewilligung der Kostenübernahme im Rahmen einer Eingliederungshilfemaßnahme nach § 35a SGB VIII als weiterer Schuldner beitritt. Durch diesen Schuldbeitritt mittels privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts, durch den der Leistungserbringer zugleich einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Jugendhilfeträger erwirbt, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-) Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (vgl. zu dieser Konstellation im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis ausführlich BGH, U.v. 31.3.2016 – III ZR 267/15 – NJW 2016, 2734, 2736 Rn. 21 ff.). Mangels Vorliegens eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin als Leistungserbringerin und der Beklagten als zuständigem Jugendhilfeträger wäre daher im vorliegenden Fall der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eröffnet gewesen. Die Klägerin hätte ihren Zahlungsanspruch vielmehr im Zivilrechtsweg verfolgen müssen. Da das Verwaltungsgericht indes ohne nähere Prüfung den Verwaltungsrechtsweg für gegeben erachtet hat, ist der Senat hieran nach § 17a Abs. 1, Abs. 5 GVG gebunden.
2. Die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils erweist sich unter Berücksichtigung des Vortrags des Bevollmächtigten der Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht als im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstlich zweifelhaft.
2.1 Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten für geleistete Legasthenie-Therapiestunden trotz des Schuldbeitritts infolge der Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII nicht besteht, weil zwischen ihr und den durch ihre Erziehungsberechtigten vertretenen Hilfeempfängern kein privatrechtlicher Vertrag über Therapieleistungen zustande gekommen sei, vielmehr der entsprechende privatrechtliche Vertrag nach den Grundsätzen des „Geschäfts für den, den es angeht,“ mit dem seinerzeitigen Arbeitgeber der Klägerin, dem S.-Verlag, abgeschlossen wurde. Dies schließt das Verwaltungsgericht zunächst aus der Zeugenvernehmung der Erziehungsberechtigten der Leistungsempfänger, von denen keiner bekundet habe, die Klägerin sei bei Vertragsschluss in eigenem Namen aufgetreten. Weiter ergebe sich das Handeln der Klägerin für ihren vormaligen Arbeitgeber aus einem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober vorgelegten, nicht eigenhändig unterschriebenen Schreiben, das aufgrund des verwendeten Briefkopfs der Klägerin zuzurechnen sei und das auf das in der Vergangenheit bestehende Vertragsverhältnis zwischen den Hilfeempfängern und dem S.-Verlag hinweist, das durch die Erziehungsberechtigten mit sofortiger Wirkung gekündigt werden könne. Weiter lasse sich aus den Zeugenaussagen der Erziehungsberechtigten entnehmen, dass diese zwar alle die Erbringung der Therapieleistungen durch die Klägerin wollten, ihnen indes die Person ihres Vertragspartners gleichgültig gewesen sei.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin ist das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsfigur des „Geschäfts für den, den es angeht“ bei den streitgegenständlichen – von der Klägerin durchgeführten – Einzeltherapiemaßnahmen zutreffend vom Abschluss eines Vertrages zwischen dem jeweiligen Hilfeempfänger und dem S.-Verlag als dem Arbeitgeber der Klägerin ausgegangen. Zwar setzt rechtsgeschäftliches Handeln als Stellvertreter nach § 164 Abs. 2, Abs. 1 BGB nach dem Offenheitsgrundsatz grundsätzlich voraus, dass der Wille des Handelns für einen anderen entweder ausdrücklich geäußert wird oder sich zumindest aus den Umständen des Vertragsabschlusses ergibt. Für die Fallgruppe der sog. unternehmensbezogenen Geschäfte als Unterfall des verdeckten oder echten Geschäfts für den, den es angeht (vgl. hierzu Schilken in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, Vorbemerkung zu §§ 164 ff. Rn. 51 ff, insb. Rn. 52 m.w.N.) gilt insoweit, dass für den Fall, dass der Handelnde sein Vertreterhandeln nicht offenlegt, er aber im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs seines Arbeitgebers Geschäfte abschließt, der wirkliche Geschäftsinhaber zum Vertragspartner des Dritten wird (Schilken, a.a.O., Rn. 52; vgl. hierzu auch Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 164 Rn. 2). Dabei kommt es weder darauf an, ob der Dritte den tatsächlichen Geschäftsinhaber kennt, noch schadet es, wenn er den Handelnden als Geschäftsinhaber ansieht (Schilken in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 164 Rn. 5; Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 164 Rn. 2). Will umgekehrt ein Angestellter im Rahmen des Betriebs seines Geschäftsherrn ein Eigengeschäft abschließen, muss er dies gegenüber seinem Vertragspartner erkennbar zum Ausdruck bringen, andernfalls bleibt es bei einem Vertragsschluss mit dem Geschäftsherrn (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 164 Rn. 1).
Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab hat das Verwaltungsgericht Eigengeschäfte der Klägerin über die streitgegenständlichen Einzeltherapiemaßnahmen zu Recht verneint. Nach ihrem Arbeitsvertrag war die Klägerin für den S.-Verlag als Leiterin des Forums Legasthenie in dessen Geschäftsräumen in der S.-Straße … (angegliedert den Räumlichkeiten der S.-Schule) tätig und hat mit den Erziehungsberechtigten der Hilfeempfänger entsprechende Verträge über Therapieleistungen abgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um Eigengeschäfte der Klägerin gehandelt hat, bestehen, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, nicht. Insbesondere spricht das mit dem Ende der Tätigkeit für den S.-Verlag jedenfalls an einige der Erziehungsberechtigten übermittelte Schreiben der Klägerin, in dem sie von einem mit dem S.-Verlag bestehenden Vertragsverhältnis ausgeht und zur Fortsetzung der Therapie bei ihr eine unverzügliche Kündigung empfiehlt, für ihr Handeln als Stellvertreter im Rahmen eines unternehmensbezogenen Geschäfts. Demzufolge ist vorliegend davon auszugehen, dass über die Einzeltherapiemaßnahme der Klägerin – jedenfalls bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Juni 2014 – Verträge zwischen den Hilfeempfängern und dem S.-Verlag als Arbeitgeber der Klägerin zustande gekommen sind.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin dieser Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entgegenhält, dass sich aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin im Rahmen des Forums Legasthenie lediglich ihre Zuständigkeit für die „Aufnahme der Schüler entsprechend ihrem Leistungsstand in kleinen Gruppen“ ergebe, sie ferner ausweislich weiterer Unterlagen von ihrem vormaligen Arbeitgeber die Erlaubnis zur Einzeltherapie im Rahmen einer selbständigen Nebentätigkeit erhalten habe, mithin Verträge über Einzeltherapiestunden stets als Eigengeschäfte der Klägerin anzusehen seien, kann er damit ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht bewirken. Dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten steht entgegen, dass, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, die Klägerin ausweislich der vom Verwaltungsgericht beigezogenen Akten der wirtschaftlichen Jugendhilfe nicht nur im Rahmen ihrer genehmigten Nebentätigkeit unter ihrer eigenen Anschrift, ihrem eigenen Briefkopf und unter Angabe ihrer eigenen Kontonummer bei Einzeltherapien gegenüber der Beklagten aufgetreten ist (vgl. etwa Jugendhilfefall Florian L., Aktennummer WJH-04862/13, Bl. 49, 56), sondern auch im Rahmen von Einzeltherapien als Leiterin des Forums Legasthenie unter dessen Briefkopf und dessen Geschäftsanschrift (Jugendhilfefall Simge G., Aktennummer WJH-04862/13, Bl. 50; Jugendhilfefall Alejna-Madlen D., Bl. 11 d.A.; Jugendhilfefall Henrik M., WJH-04862/13, Bl. 10 ff.) aufgetreten ist. Damit lässt sich ein zwingender Schluss vom Vertragsgegenstand der Einzeltherapiemaßnahme auf das Eigengeschäft der Klägerin nicht ziehen.
Wenn darüber hinaus der Bevollmächtigte der Klägerin in der Zulassungsbegründung letztlich bestätigt, dass es eine „zu Anfang gehandhabte Praxis“ gegeben habe, dass die Klägerin über das Forum Legasthenie und das Konto des S.-Verlags auch Einzeltherapien abgerechnet habe und dass ihr ferner durch Herrn P. zugesagt worden sei, die abgerechneten Einzeltherapien direkt vom S.-Verlag ausbezahlt zu bekommen, kann dies ebenfalls nicht zu Zweifeln an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen, da letzterer Umstand ohne Beleg bleibt, im Übrigen die Abrechnung über das Forum Legasthenie und die anschließende Ausbezahlung an die Klägerin wohl eher auf deren Tätigwerden im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem S.-Verlag hindeutet, als auf ein Eigengeschäft.
Im Ergebnis legt die Klägerin daher ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, nicht dar.
2.2 Auch der weitere, selbständig tragende Begründungsansatz der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird von der Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht geht nämlich für den unterstellten Fall, dass es offen bleibt, ob Vertragspartner der jeweiligen Hilfeempfänger die Klägerin persönlich oder aber der S.-Verlag als Arbeitgeber der Klägerin geworden ist, von einem nach Beweislastgrundsätzen zu entscheidenden non liquet aus. Da die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Leistungsanspruch geltend mache, sei sie für die Voraussetzungen der Leistungspflicht beweispflichtig, sodass sich die Nichterweislichkeit eines Vertragsschlusses mit ihr persönlich zu ihren Lasten auswirke und zur Abweisung der Leistungsklage führe. Diesem Ansatz tritt der Bevollmächtigte der Klägerin nicht substantiiert entgegen. Ebenso wenig führt er mit der Zulassungsbegründung den Nachweis der von der Klägerin behaupteten Eigengeschäfte. Demzufolge scheidet auch deshalb, weil die Klägerin keine ernstlichen Zweifel zur selbstständig tragenden, zweiten Begründung des streitbefangenen Urteils darlegt, die Zulassung der Berufung aus.
3. Schließlich liegen auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin behaupteten Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor.
3.1 Sofern die Klägerin das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung und damit die Verletzung rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO rügt, kann sie damit nicht durchdringen. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Berücksichtigung eines „Schriftstücks, das die Beklagte ohne Unterschrift vorgelegt hat“ und von dem nicht nachgewiesen sei, „dass es irgendeinen der klagegegenständlichen Einzeltherapiepartner erreicht habe“. Ausgehend davon, dass es sich hierbei wohl um das von der Klägerin nicht unterschriebene, in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2015 (Bl. 208 ff. der VG-Akte) vom Beklagten übergebene Schreiben des „Forum Legasthenie“ handelt, ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2016 (Bl. 356 ff. der VG-Akte), dass das genannte Schreiben sämtlichen als Zeugen geladenen Eltern vom Gericht vorgelegt wurde und sie dazu befragt wurden, ferner, dass mehrere der Zeugen bestätigt haben, dieses Schriftstück auch erhalten zu haben. Weshalb angesichts dessen in der Berücksichtigung des Schreibens als Beweismittel eine Überraschungsentscheidung liegen soll, lässt sich nicht nachvollziehen.
3.2 Eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßende Überraschungsentscheidung liegt ferner auch nicht darin, dass das Verwaltungsgericht einerseits die streitgegenständlichen Einzeltherapieverträge unter Berücksichtigung der Rechtsfigur des „Geschäfts für den, den es angeht“ bewertet, andererseits zugleich den Ausnahmecharakter dieser Rechtsfigur herausgestellt hat. Von einer Überraschungsentscheidung ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn das Gericht einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BVerfG, B.v. 29.5.1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 LS; B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133, LS 1, BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72.09 – NVwZ 2010, 845 Rn. 14). Dabei ist das Gericht im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Rechtsauffassung den Verfahrensbeteiligten zu offenbaren (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133, 145 Rn. 36). Ein entsprechender Hinweis ist vielmehr nur dann geboten, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf mit der rechtlichen Einschätzung des Sachverhalts durch das Gericht nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, B.v.14.10.2010 – 2 BvR 409/09 – juris Rn. 20). Im vorliegenden Verfahren steht indes die nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen des Vertretungsrechts zu beatwortende Frage, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit beim „Forum Legasthenie“ Eigen- oder Fremdgeschäfte getätigt hat, im Zentrum des Rechtsstreits. Dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die maßgebliche Rechtsfigur des „Geschäfts für den, den es angeht“ bzw. als Unterfall hiervon des sog. „unternehmensbezogenen Geschäfts“ abstellt, ist daher nicht überraschend; hiermit musste die auch in erster Instanz anwaltlich vertretene Klägerin offensichtlich rechnen. Insofern ist nicht ersichtlich, weshalb in der rechtlichen Wertung des Verwaltungsgerichts eine Gehörsverletzung in Form der Überraschungsentscheidung liegen soll.
3.3 Schließlich liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor, soweit der Bevollmächtigte der Klägerin vorträgt, das Gericht habe die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2016 vernommenen Zeugen, sie hätten „Verträge mit Frau K.“ dahingehend umformuliert, dass keiner der Zeugen ausgesagt habe, die Klägerin habe ausdrücklich erwähnt, sie handle im eigenen Namen. Mit diesem Vorbringen rügt der Bevollmächtigte der Klägerin der Sache nach jedoch keinen Gehörsverstoß in Form einer Überraschungsentscheidung, sondern greift vielmehr die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an. Er kann hiermit jedoch nicht durchdringen, da, entgegen seiner Darstellung, das Gericht habe die Zeugen diesbezüglich nicht befragt, Gegenstand der Zeugenbefragungen in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2016 jeweils auch die Umstände des Vertragsschlusses über die Legasthenietherapiestunden, insbesondere die Vereinbarung eines bestimmten Stundensatzes zwischen Klägerin und den Eltern der Hilfeempfänger waren. Von daher trifft die Feststellung des Verwaltungsgericht, keiner der Zeugen habe bekundet, dass die Klägerin ausdrücklich erwähnt hätte, sie handle im eignen Namen, zu. Umgekehrt lässt sich die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, jeder der Zeugen habe die Klägerin als Vertragspartner angesehen, anhand der protokollierten Zeugenaussagen gerade nicht verifizieren. Sie bleibt daher unsubstantiiert.
Im Ergebnis war daher mangels durchgreifender Zulassungsgründe der Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
4. Die Klägerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2016 nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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