Aktenzeichen Au 7 K 18.31993
AufenthG § 53, § 54, § 60 Abs. 5, 7 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Das Gericht kann durch die Einzelrichterin entscheiden, da ihr der Rechtsstreit durch Beschluss vom 13. Januar 2020 zur Entscheidung übertragen wurde (§ 76 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG).
II.
Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2020 entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung darauf hingewiesen wurden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
III.
Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
Der vollumfänglich angegriffene Bescheid vom 6. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG). Auch die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
1. Das Gericht folgt zunächst der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Auf die Bescheidsbegründung wird somit in vollem Umfang verwiesen und nur ergänzend wie folgt ausgeführt:
2. Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Denn die Asylgewährleistung des Grundgesetzes fordert geeignete verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die der Gefahr unanfechtbarer Fehlurteile entgegenwirken. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im – hier maßgeblichen – Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage für das Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Diese Grundsätze gelten nicht nur für das in Art. 16a Abs. 1 GG verankerte Asylgrundrecht. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Steht wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG) nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
3. Die Klage erweist sich vorliegend gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 6 AsylG als offensichtlich unbegründet. Danach ist ein (einfach) unbegründeter Asylantrag (a) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer nach §§ 53, 54 AufenthG vollziehbar ausgewiesen ist (b).
a) Der Asylantrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte und für die Zuerkennung des internationalen Schutzes nicht vorliegen.
aa) Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Dem Vortrag der Klägerin lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sie bei einer Einreise nach Nigeria einer asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Es ist schon kein asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennbar. Im Klageverfahren wurden zudem keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, die auf eine für die Klägerin günstigere Sach- und Rechtslage hinweisen. Vielmehr hat sich die Klägerin im Klageverfahren nicht weiter geäußert und ist zur mündlichen Verhandlung nicht einmal erschienen.
Der Klägerin, die – ihren Vortrag als wahr unterstellt – zwar unter einer Täuschung, jedoch unverfolgt aus Nigeria ausgereist ist, drohen im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland keinerlei Verfolgungsmaßnahmen. Eine staatliche Verfolgung hat sie nicht vorgebracht. Die vorgetragene – als wahr unterstellte – Bedrohung der Klägerin durch ihre Schlepperin namens … würde zum einen schon keine Verfolgung wegen eines flüchtlingsrelevanten Anknüpfungsmerkmals, sondern nur kriminelles Unrecht darstellen und zum anderen auch nicht durch einen relevanten nichtstaatlichen Akteur i.S.d. § 3c Nr. 3 AsylG erfolgen. Es ist nicht einmal ansatzweise vorgetragen, weshalb der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein sollte, Schutz vor dem nichtstaatlichen Akteur zu gewähren. Die Klägerin soll in … mehrmals zufällig auf … getroffen sein, was schon mehr als zweifelhaft ist. Jedenfalls aber konnte die Klägerin gleichwohl ohne irgendwelche Vorfälle unbehelligt ihr Leben führen. Dass die vorgetragenen Todesfälle in ihrer Familie in Nigeria von … veranlasst worden seien, ist selbst nach Angaben der Klägerin nur eine Vermutung und in keiner Weise belegt. Schließlich stünden der Klägerin wie im Bescheid ausgeführt jedenfalls innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung (§ 3 e AsylG). Ferner bestehen keine Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 10.12.2018, Stand: Oktober 2018 – Lagebericht – Nr. IV.2).
bb) Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei u.a. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss dabei eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat hat sie keine relevante Gefahr erlebt (s.o.). Weshalb ihr bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden (s.o.).
b) Der demnach unbegründete Asylantrag wurde vom Bundesamt auch zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 6 AsylG. Die Klägerin wurde aufgrund ihrer Straffälligkeit – nach erfolgter Klagerücknahme gegen den Ausweisungsbescheid des Landratsamts … vom 26. Januar 2017 seit 28. November 2017 rechtskräftig – vollziehbar ausgewiesen (vgl. Sitzungsniederschrift vom 28.11.2017 im Verfahren Au 1 K 17.306). Der Bescheid ordnete im Übrigen im Einklang mit § 53 Abs. 4 AufenthG die Ausweisung unter der Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigte oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) abgeschlossen wird, an.
4. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit unter Nr. 4 festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
a) Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Gefahr liefe, in Nigeria auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nach der Auskunftslage nicht. Die allgemein schlechten hygienischen und medizinischen Verhältnisse genügen hierfür nicht. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass der Betroffene im Falle einer Rückkehr einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt wäre. Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse, wie z.B. Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13A B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197).
Insofern wird erneut auf die entsprechenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Die Klägerin ist gesund, arbeitsfähig, verfügt mit ihrem begonnenen Medizinstudium sogar über eine überdurchschnittliche Ausbildung und konnte sich in den Jahren nach der Ausreise aus Nigeria offensichtlich auch stets selbst versorgen.
b) Die vorliegende Ausnahmekonstellation, dass der Klägerin das Sorgerecht für ihre beiden Kinder jedenfalls vorläufig entzogen ist und damit ein Familienverbund jedenfalls derzeit nicht besteht und auch nicht bestehen darf (vgl. Auskunftssperre), begründet jedenfalls kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG, sondern ist allenfalls von der Ausländerbehörde bei der Aufenthaltsbeendigung zu berücksichtigen. Die Frage einer gemeinsamen Rückkehr der Klägerin nach Nigeria zusammen mit ihren – ihr jedenfalls derzeit entzogenen Kindern – ist gerade nicht bereits im Asylverfahren zu klären, sondern würde allenfalls ein inländisches Vollstreckungshindernis darstellen. Diesbezüglich wird ausdrücklich auf den entsprechenden Hinweis des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid unter Nr. 5 der Bescheidsbegründung Bezug genommen. Erst die Ausländerbehörde wird insoweit die Abschiebung der – gerade ihrem Sohn gegenüber – straffällig gewordenen Klägerin ohne ihre Kinder zu prüfen haben.
5. Damit ist ebenfalls die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung nach Nigeria in der Nr. 5 des Bescheids rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen.
6. Der Bescheid ist auch im Hinblick auf die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 6 rechtmäßig. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im – pflichtgemäß ausgeübten – Ermessen des Bundesamts und insbesondere im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine weitere Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im Übrigen wäre der Schutz des familiären Zusammenlebens vor einer Abschiebung von der Ausländerbehörde im Rahmen des § 43 Abs. 3 AsylG zu beachten.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).