Verwaltungsrecht

Ablehnung eine Folgeantrags nach dem Asylgesetz

Aktenzeichen  M 15 S 16.31634

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 19 Abs. 4
AsylG AsylG § 71 Abs. 1, 5
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123
VwVfG VwVfG § 51

 

Leitsatz

Nach Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ohne Erlass einer weiteren Abschiebungsandrohung ist vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege der einstweiligen Anordnung statthaft. (redaktioneller Leitsatz)
Auch bei offensichtlich unschlüssigem Folgeantrag oder wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden soll, muss die Entscheidung des Bundesamtes zumindest im Verfahren der einstweiligen Anordnung summarisch überprüft werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist kosovarischer Staatsangehöriger vom Volk der Roma und gehört dem Islam an. Ein erster Asylantrag vom 27. August 2015 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 3. Dezember 2015, unanfechtbar seit dem 19. Februar 2016, als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Am 20. Mai 2016 stellte der Antragsteller persönlich einen Antrag auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie die Prüfung von Abschiebungshindernissen. In der schriftlichen Begründung seines Antrags gab der Antragsteller an, dass er gegenüber dem Erstverfahren keine neuen Gründe nennen bzw. neue Beweismittel und Dokumente vorlegen könne.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2016, dem Antragsteller zugestellt am 28. Juni 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Nr. 1.) sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 3. Dezember 2015 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (Nr. 2) ab.
Am 5. Juli 2016 erhob der Antragsteller persönlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage gegen den Bescheid vom 22. Juni 2016 und beantragte die Aufhebung des Bescheides und die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (Verfahren …).
Gleichzeitig beantragte er,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie
die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 AsylG abzusehen.
Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Ausführungen gegenüber dem Bundesamt. Gleichzeitig berichtete er von Problemen mit anderen Leuten in seiner Heimat. Sie hätten vor dem Krieg zwischen Serbien und dem Kosovo eine Busfirma gehabt, die regelmäßig vom Kosovo nach München gefahren sei. Einer der Fahrer sei Serbe gewesen, der bei den Massakern mitgemacht habe. Nach dem Krieg habe sich die Situation geändert. Da sie mit den Serben kooperiert hätten, würden sie nunmehr verfolgt. Das Haus ihres Onkels, bei dem sie gewohnt hätten, sei von den anderen zerstört worden.
Die Antragsgegnerin legte am 8. Juli 2016 die Akten vor und beantragte mit Schreiben vom 19. Juli 2016,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Hauptsacheverfahren (…) sowie die vorgelegte Behördenakten (Erstverfahren und Folgeverfahren) Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleiben ohne Erfolg. Soweit ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt wurde, ist dieser bereits unzulässig. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bereits unzulässig.
Das Bundesamt hat den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des Bescheids vom 3. Dezember 2015 bezüglich der dortigen Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG mit Bescheid vom 22. Juni 2016 abgelehnt, ohne eine weitere Abschiebungsandrohung zu erlassen (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). Daher verbleibt es bei der vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers nach Maßgabe des unanfechtbaren Bescheids vom 3. Dezember 2015.
Zutreffender vorläufiger Rechtsschutz ist in diesem Fall ein Antrag nach § 123 VwGO gegen das Bundesamt, mit dem diesem aufgegeben werden soll, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der nach Ablehnung des Folgeantrags an sie ergangenen Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG abgeschoben werden darf bzw. eine solche Mitteilung unterbleiben soll. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist demgegenüber nicht statthaft (s. auch Renner, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, Rn. 48f. zu § 71 AsylVfG).
Dieser Antrag ist jedoch unbegründet. Ein Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO liegt nicht vor, weil das Bundesamt den Folgeantrag bzw. den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu Recht abgelehnt hat.
Nach der Regelung des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG ist die Ausländerbehörde lediglich gehalten, mit dem Vollzug der Abschiebung abzuwarten, bis die Mitteilung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, eingegangen ist, es sei denn, der Folgeantrag ist offensichtlich unschlüssig oder der Ausländer soll in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden. Rechtsstaatliche Gründe nach Art. 19 Abs. 4 GG erfordern es allerdings, dem Ausländer Gelegenheit zu bieten, die ablehnende Entscheidung und die damit verbundene Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zumindest im Verfahren nach § 123 VwGO summarisch mit in den Blick zu nehmen (VG Augsburg, B.v. 29.11.2013 – Au 6 S 13.30430 – juris).
Es bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Folgeantrags durch das Bundesamt.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrages nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolge-antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Hier hat die Antragsgegnerin zu Recht die erneute Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt, da der Antragsteller die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens i. S.v. § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Feststellung von Abschiebungs-hindernissen nach § 4 AsylG bzw. § 60 AufenthG nicht glaubhaft machen konnte. Vielmehr hat der Antragsteller selbst angegeben, keine neuen Tatsachen oder Beweismittel angeben zu können als solche, die er bereits im Erstverfahren vorgetragen hat. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Auskunftslage davon auszugehen ist, dass die Republik Kosovo im Allgemeinen willens und in der Lage ist, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, wenngleich ein lückenloser Schutz nicht möglich ist (VG München, B.v. 13.6.2016 – M 16 S 16.30784 – juris Rn. 23). Dies gilt auch für die vom Antragsteller behaupteten Übergriffe Dritter.
Unabhängig davon hätte der Antragsteller bei einer Rückkehr in den Kosovo auch die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen, wenn er an seinem Herkunftsort Übergriffe befürchtet (vgl. z. B. VG München, U.v. 5.2.2015 – M 17 K 14.31233 – juris Rn. 28). Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 9. Dezember 2015, Seite 17).
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Lage der Roma im Kosovo seit den Feststellungen im Erstverfahren grundlegend geändert hat und der Antragsteller nunmehr staatliche Verfolgung zu befürchten hätte, gibt es nicht. Probleme im Alltag als Roma sind regelmäßig auf das Verhalten anderer Einwohner zurückzuführen, nicht auf staatliche Maßnahmen. Vielmehr tritt die Regierung öffentlich für Toleranz und Respekt gegenüber Roma ein (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 9. Dezember 2015, Seite 9).
Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers ist damit nicht ansatzweise dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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