Aktenzeichen 9 C 17.1134
TierschG TierschG § 2, § 15 Abs. 2
Leitsatz
1. Bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, kommt Amtstierärzten von Gesetzes wegen eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Rechtmäßigkeit der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung von Tieren kommt es nicht darauf an, ob der Halter es selbst versäumt hat, die fortgenommenen Tiere angemessen zu versorgen oder ob die von ihm beauftragten Personen dies versäumt haben. Der Halter der Tiere hat die primäre Verantwortung für deren Dasein und Wohlbefinden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
9 CS 17.1139 2017-08-10 Bes VGHMUENCHEN VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen Nr. IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017, zugestellt am 11. Mai 2017, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat (Az. RN 4 S 17.217).
Im erstinstanzlichen Verfahren beantragte die Antragstellerin, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2016 (Az. RN 4 S 16.1468) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 wiederherzustellen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Änderung des Beschlusses vom 7. November 2016 in Nr. I und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Nr. IV des Beschlusses vom 9. Mai 2017 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht konkret vorgetragen, welche Feststellungen der Amtstierärzte falsch seien. Der dem Verfahren zugrundeliegende Bescheid vom 18. August 2016 sei mit klaren Krankheitsanzeichen bei einem Teil der Ziervögel der Antragstellerin und dem Umstand, dass mündlichen Anordnungen zur ärztlichen Behandlung der Tiere nicht in ausreichendem Maße Folge geleistet worden seien, begründet worden. Die in Bezug genommenen Äußerungen der Staatsanwaltschaft würden sich hierzu nicht verhalten. Als Sachverständige obliege den Amtstierärzten gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG die Beurteilung tierschutzwidriger Umstände.
Mit ihrer am 26. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die Ziervögel trotz aufschiebender Wirkung bereits alle vermittelt seien. Dies rechtfertige die Änderung des Beschlusses vom 7. November 2016 und die sofortige Aufhebung des Bescheids vom 18. August 2016, weil diesem die Rechtsgrundlage entzogen worden sei. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei stattzugeben, weil vor dem Verwaltungsgerichtshof Anwaltszwang herrsche. Eine mündliche Anordnung der Tierärzte sei ihr gegenüber zu keinem Zeitpunkt geäußert worden, weil sie inhaftiert und einer Kontaktsperre unterworfen gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe die restlichen Ziervögel bis Januar 2016 in einem unbeheizten Wohnhaus bis zu deren Abholung unversorgt gelassen. Es werde eine mündliche Verhandlung beantragt, um Fotos vorzulegen, aus denen sich ergebe, dass bei der Räumung der Häuser kein einziger Käfig mehr im Haus gestanden habe. Dies beweise, dass die Tiere in den Käfigen abgeholt worden seien, weil seit Ende Dezember bis zur Räumung niemand mehr in den beiden Häusern gewesen sei. Das Tierhalteverbot müsse gegen die Personen verhängt werden, die sich nach ihrer Verhaftung am 23. Oktober 2015 bis zur Fortnahme der Tiere um diese gekümmert hätten, weil sie diese Aufgaben mit der Kontokarte und der Kontovollmacht der Gesellschaft ihrem Rechtsanwalt übergeben habe (zur Übermittlung) und den Personen ausreichend Bargeld überlassen habe, um die Tiere ordnungsgemäß zu versorgen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch in den Verfahren 9 CS 17.1139, 9 C 17.1133 und 9 CS 17.1138) verwiesen.
II.
Der Senat legt das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin vom 17. Mai 2017 „gegen den Beschluss vom 9. Mai 2017“, „Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO“, „Es wird PKH beantragt“, dahin aus, dass sie sich gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs in Nr. IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017 richtet (zur Auslegung des Schreibens auch als Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2017 – Az. 9 CS 17.1139).
Die so verstandene Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung (hier: der Antrag den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2016 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 wiederherzustellen) zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife nach summarischer Überprüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Änderungsverfahren erlaubt eine Reaktion des Verwaltungsgerichts auf Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seiner Entscheidung eingetreten sind und die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 100, 103).
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2016 (Az. RN 4 S 16.1468) ist rechtskräftig geworden. Eine Abänderung des Beschlusses vom 7. November 2016 kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin keine in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht veränderten Umstände benannt hat, die zu einer abweichenden Entscheidung führen könnten.
Mit Beschluss vom 7. November 2016 hat das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Anordnungen Nr. 1 (Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 14 Ziervögeln) und Nr. 2 (Aufrechterhaltung der anderweitigen pfleglichen Unterbringung längstens bis 2.9.2016) des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 abgelehnt, weil die Fortnahme der Ziervögel ausweislich von Befundberichten der Vogelklinik sowie der nicht gewährleisteten sachgemäßen Betreuung der Tiere im Haushalt der Klägerin rechtmäßig sei (zu Nr. 1 der Anordnung) und der in Nr. 2 der Anordnung genannte Zeitpunkt 2. September 2016 bereits verstrichen sei. Der Senat hat im Beschluss über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die teilweise Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs vom 15. Februar 2017 (Az. 9 CS 16.2331) ausgeführt, dass die Bestätigung der am 17. November 2015 erfolgten Fortnahme der Ziervögel durch Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 sowie die anderweitige Unterbringung der Tiere offensichtlich rechtmäßig ist, weil die Antragstellerin nicht sicherstellen kann, dass die Ziervögel ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen gepflegt werden. Insoweit hat sich der Senat auch mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt, dass ein Teil der Ziervögel im Januar 2016 noch in der Wohnung gewesen sei.
Hiervon ausgehend zeigt das neuerliche Vorbringen der Antragstellerin nicht auf, welche veränderten oder bislang unverschuldet nicht geltend gemachten Umstände die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Fortnahme und anderweitige Unterbringung der Ziervögel rechtmäßig ist, in Frage stellen könnten.
Mit dem Vorbringen der Antragstellerin, wonach die Staatsanwaltschaft festgestellt habe, dass die Tiere der Antragstellerin genug Platz hätten und ausreichend versorgt würden, weshalb die Feststellungen der Veterinäre gelogen und widerlegt seien, vermag die Antragstellerin die Richtigkeit der Feststellungen und fachlichen Beurteilungen der Amtstierärzte nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Amtstierärzten bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin einwendet, die Ziervögel seien bereits alle vermittelt, betrifft dies nicht die Rechtmäßigkeit der Anordnungen in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids vom 18. August 2016. Ohne Belang ist ebenso, ob und inwieweit eine mündliche Anordnung gegenüber der Antragstellerin erfolgt ist oder habe erfolgen können. Der Bescheid vom 18. August 2016 wurde der Antragstellerin jedenfalls wirksam bekannt gegeben. Im Übrigen kommt es für die Rechtmäßigkeit der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung der Ziervögel nicht darauf an, ob die Antragstellerin es selbst versäumt hat, die fortgenommenen Tiere angemessen zu versorgen oder ob die von ihr beauftragten Personen dies versäumt haben. Denn als Halterin der fortgenommenen Tiere hat die Antragstellerin die primäre Verantwortung für deren Dasein und Wohlbefinden (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.2016 – 3 B 34.16 – juris Rn. 14).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2017 – 9 CE 17.24 – juris Rn. 7 m.w.N.). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).