Aktenzeichen M 13 K 16.34283
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus droht demjenigen nicht in Anknüpfung an ihm wegen Ausreise trotz Militärpflichtigkeit (unterstellte) oppositionelle Gesinnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aufgrund seines Alters nicht militärdienstpflichtig ist; dies gilt erst recht für denjenigen, der nicht aus Syrien ausgereist ist, sondern seit seiner Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Libyen hatte. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M2. von L., L1., wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Kläger sind die minderjährigen Kinder eines syrischen Staatsangehörigen und einer lybischen Staatsangehörigen.
Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge am 15. November 2015 zusammen mit ihren Eltern über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 6. Juni 2016 einen Asylerstantrag. Die Eltern der Kläger lebten sei 1995 in Libyen. Die Kläger wurden in Libyen geboren. In der persönlichen Anhörung gemäß § 25 AsylG am 10. Juni 2016 vor dem Bundesamt trug der Vater der Kläger im Wesentlichen vor, sie seien aus Libyen ausgereist, da es dort keine Arbeit mehr gegeben habe. Der Vater habe dort für die Kinder nicht mehr sorgen können. Mit den Lebensmitteln sei es schwierig gewesen. Die Schulen seien seit langem zu und es habe auch keine Sicherheit mehr auf der Straße gegeben. Ihm persönlich sei nichts passiert. Für die Kinder sollten dieselben Asylgründe gelten wie für ihn.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2016 wurde den Klägern der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Nr. 1), die Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nr. 2). Als minderjährige, ledige Kinder eines Ausländers, dem internationaler Schutz nach § 4 AsylG (subsidiärer Schutz) zuerkannt wurde, erhielten die Kläger in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 2 AsylG ebenfalls subsidiären Schutz.
Mit Urteil vom 6. Juni 2017 (Az. M 5 K 16.33543) wurde die Klage des Vaters der Kläger auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes als offensichtlich unbegründet unanfechtbar abgewiesen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Mit Schreiben vom 16. November 2016 erhob der Bevollmächtigte der Kläger Klage und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des Bescheides vom 9. November 2016 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien unabhängig von einer tatsächlichen Verfolgung wegen der illegalen Ausreise aus Syrien und dem damit einhergehenden Aufenthalt im Ausland, hier Deutschland, bedroht.
Des Weiteren beantragen die Kläger unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechenden Belegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
II.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dabei bereits dann gegeben, wenn bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens im Zeitpunkt der Bewilligungsreife als offen zu beurteilen sind (BayVGH, B.v. 21.9.2016 – 10 C 16.1164 – juris). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können.
Gemessen an diesen Vorgaben besteht für die Rechtsverfolgung der Kläger vorliegend keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2016 in seiner Nr. 2 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist und ob die Kläger einen Anspruch auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG haben.
Die Kläger haben voraussichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG.
Ein Anspruch aus § 26 Abs. 2 AsylG ergibt sich deshalb nicht, da durch das unanfechtbar abgeschlossene Verfahren (Az. M 5 K 16.33543) entschieden ist, dass dem Vater der Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde.
Den Klägern droht bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus auch nicht schon allein deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil sie Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längerfristig in Deutschland aufgehalten haben (BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338, 21 ZB 16.30364 – juris). Auch unterfallen die Kläger nicht der Gruppierung, bei denen in Anknüpfung an eine den Klägern wegen Ausreise trotz Militärpflichtigkeit (unterstellte) oppositionelle Gesinnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht (BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 ZB 16.30372 – juris). Die Klägerin zu 2. ist weiblich und unterfällt daher schon nicht der Militärpflicht. Auch der Kläger zu 1., der im Zeitpunkt der Entscheidung 16 Jahre alt ist, ist aufgrund seines Alters nicht militärpflichtig. Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe besteht Militärpflichtigkeit für Männer im Alter von 18 Jahren bis 42 Jahren (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.7.2014). Im Übrigen reisten die Kläger nicht aus Syrien aus, sondern hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit ihrer Geburt in Libyen.
Bezüglich einer Vorverfolgung der Kläger ist ebenfalls nichts vorgetragen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ZPO daher abzulehnen. Damit besteht auch keine Grundlage für eine Beiordnung des benannten Rechtsanwalts gem. § 166 VwGO i.V.m. § 121 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).