Verwaltungsrecht

Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit aufgrund verweigerter Befreiung von der Maskenpflicht im Gerichtsgebäude

Aktenzeichen  22 ZB 20.2051 ; 22 ZB 20.2087

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DVBl – 2021, 1327
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 54, § 55, § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 146 Abs. 2
ZPO § 42, § 227, § 512
GVG § 176
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Regelung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude außerhalb der Sitzungssäle beruht nicht auf der Sitzungsgewalt des Vorsitzenden, sondern ggf. auf dem Hausrecht der Gerichtsleitung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Maskenpflicht im Gerichtsgebäude außerhalb des Sitzungssaals eine Beschränkung der Äußerungsmöglichkeiten von Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung und damit eine Beeinträchtigung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO einhergeht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 17.6016 2020-06-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren 22 ZB 20.2051 und 22 ZB 20.2087 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen der Kläger im Verfahren 22 ZB 20.2051 und die Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.2087 je zur Hälfte.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger im Verfahren 22 ZB 20.2051 ist einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.2087. Die Kläger wenden sich jeweils gegen eine Gewerbeuntersagung.
Mit Bescheid vom 17. November 2017 untersagte die Beklagte der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.2087 die ausgeübte gewerbliche Tätigkeit sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe. Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 untersagte die Beklagte dem Kläger im Verfahren 22 ZB 20.2051 die ausgeübte selbständige gewerbliche Betätigung im stehenden Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit.
Die Kläger erhoben Klage jeweils gegen den sie betreffenden Bescheid zum Verwaltungsgericht München, das eine mündliche Verhandlung in beiden Verfahren für den 16. Juni 2020 ansetzte und den Ladungen ein Beiblatt beifügte, das auf Vorsichtsmaßnahmen bei mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hinwies.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2020 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers im Verfahren M 16 K 20.1268 (22 ZB 20.2051) beim Verwaltungsgericht, ihn am Tag der Verhandlung von der Maskenpflicht sowohl im Sitzungssaal als auch auf dem Weg zum Sitzungssaal zu entbinden, hilfsweise die Verhandlung an einen Ort zu verlegen, an dem sowohl der Zugang als auch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beschränkungslos ohne Bemaskung durchgeführt werden könnten, hilfsweise die Verhandlung auf unbestimmte Zeit zu verlegen, zumindest solange bis der Verordnungsgeber es für geboten erachte, die Maskenpflicht aufzuheben. Das Infektionsschutzgesetz biete keine Rechtsgrundlage für eine Bemaskungspflicht, ebenso wenig das Hausrecht oder die Sitzungsgewalt. Das Tragen einer Schutzmaske sei weder geeignet noch erforderlich, um einer längst nicht mehr vorhandenen Ansteckungsgefahr vorzubeugen. Es sei gesundheitsschädlich und unhygienisch.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 teilte der Vorsitzende der 16. Kammer des Verwaltungsgerichts dem Bevollmächtigten im Verfahren M 16 K 20.1268 mit, den Anträgen werde nicht entsprochen. Die Maskenpflicht im Gerichtsgebäude von dessen Betreten bis zum Sitzungssaal liege in der Organisationsgewalt der Gerichtsverwaltung. Davon könne der Vorsitzende nicht entbinden. Im Sitzungssaal könne, soweit alle Personen zueinander großzügig bemessene Abstände einhielten, ggf. auf das Tragen einer Maske verzichtet werden, wofür der Vorsitzende verantwortlich sei. Eine Verlegung des Termins an einen anderen Ort, an dem keine Maskenpflicht bestehe, werde abgelehnt, weil für die Verhandlung geeignete Sitzungssäle zur Verfügung stünden. Für eine Terminsverlegung auf einen anderen Zeitpunkt bestehe kein Anlass. Die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude sei nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gerechtfertigt. Dem Bevollmächtigten und seinem Mandanten stehe es frei, nicht zum Termin zu erscheinen.
Mit Schreiben ebenfalls vom 10. Juni 2020 lehnte der Kläger im Verfahren M 16 K 20.1268 durch seinen Bevollmächtigten den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit dem Hinweis, dass es dem Kläger und seinem Bevollmächtigten freistehe, nicht zum Termin zu erscheinen, mache der Vorsitzende deutlich, dass er sich die Entscheidung möglichst einfach machen wolle – ohne Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Vorsitzende könne sich nicht darauf berufen, dass die Maskenpflicht im Gerichtsgebäude in der Organisationsgewalt der Gerichtsverwaltung liege. Damit würde die Gerichtsverwaltung über die Gewährung rechtlichen Gehörs entscheiden, was mit dem Gewaltenteilungsprinzip unvereinbar sei. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude sei schon lange nicht mehr gerechtfertigt. Die Ansteckungsgefahr gehe derzeit gegen null.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2020 trug der Bevollmächtigte im Verfahren M 16 K 17.6016 (22 ZB 20.2087) vor, er gehe davon aus, dass dem Antrag im Parallelverfahren M 16 K 20.1268 auf Befreiung der Maskenpflicht „ebenfalls nicht stattgegeben“ werde. Aus diesem Grund werde das Ablehnungsgesuch auch in dieser Sache erhoben. Die Begründung entspricht derjenigen im Verfahren M 16 K 20.1268.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2020 verwarf die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden die Ablehnungsgesuche in beiden Verfahren. Ein Ablehnungsgesuch könne ausnahmsweise als unzulässig verworfen werden, wenn es sich – wie hier – als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstelle. Die Besorgnis der Befangenheit könne bei objektiver Würdigung des gerichtlichen Schreibens vom 12. Juni 2020 (richtig: 10.6.2020) weder aus der Information über die Zuständigkeit der Gerichtsverwaltung zur Anordnung der Maskenpflicht im Gerichtsgebäude noch aus der Information über die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung, der Rechtsauffassung hinsichtlich der Grundlagen der Maskenpflicht noch aus der Ablehnung des Verlegungs- und Vertagungsgesuchs geschlossen werden. Aus dem Hinweis, dass es den Parteien freistehe, zum Termin zu erscheinen, ergebe sich nichts anderes (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
Mit am 15. Juni 2020 bei Gericht in beiden Verfahren eingegangenen Schreiben rügte der Bevollmächtigte die Besetzung des Gerichts und die Zuständigkeit des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die mündliche Verhandlung in beiden Verfahren fand am 16. Juni 2020 statt; für die Kläger erschien jeweils der Bevollmächtigte. Ausweislich der Niederschrift wäre dem Bevollmächtigten der Zutritt zum Gerichtsgebäude ohne Bemaskung vom Sicherheitspersonal versagt worden, wenn nicht der Vorsitzende ihn in den Sitzungssaal geführt und insoweit die Verantwortung übernommen hätte. Im Sitzungssaal wurde auf die Maskentragungspflicht verzichtet.
In beiden Verfahren wurden die Klagen durch Urteile des Verwaltungsgerichts jeweils vom 16. Juni 2020 abgewiesen. Beide Urteile wurden dem Bevollmächtigten der Kläger am 11. August 2020 zugestellt.
Mit Schriftsätzen jeweils vom 2. September 2020, beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag eingegangen, beantragten die Kläger beider Verfahren die Zulassung der Berufung. Mit Schriftsätzen jeweils vom 8. Oktober 2020, beim Verwaltungsgerichtshof jeweils am 9. Oktober 2020 eingegangen, begründeten sie die Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in den – in beiden ursprünglichen Verfahren identischen – Antragsbegründungen vom 8. Oktober 2020 (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung vorliegen.
Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteile geltend, die jedoch nicht bestehen. Auch andere Zulassungsgründe, insbesondere ein Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, liegen nicht vor.
1. Die Kläger rügen die Besetzung des Gerichts im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, da der abgelehnte Richter selbst in unzulässiger Weise über den Ablehnungsantrag entschieden habe. Dies schlage auf die Endentscheidung durch. Der Ablehnungsantrag sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Der Vorsitzende Richter hätte den Antrag des Bevollmächtigten an die Gerichtsverwaltung weitergeben und dafür Sorge tragen müssen, dass ihm stattgegeben werde. Nur so werde gewährleistet, dass tatsächlich das Gericht über den Zugang zum rechtlichen Gehör entscheide und nicht die Exekutive, was mit Blick auf den Justizgewährungsanspruch unzulässig sei. Dies allein rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude sei schon lange nicht mehr gerechtfertigt, insbesondere im Hinblick auf die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai und 13. Mai 2020. Die Ansteckungsgefahr gehe derzeit gegen null. Es sei zweifelhaft, ob die Maskenpflicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 80 Abs. 1 GG gedeckt sei. Das Infektionsschutzgesetz biete dafür keine Grundlage, ebenso wenig das Hausrecht oder die Sitzungsgewalt. Das Tragen einer Schutzmaske sei gesundheitsschädlich und unhygienisch. Der Justizgewährungsanspruch und das Recht auf rechtliches Gehör hingen nicht davon ab, dass eine Schutzmaske getragen werden müsse. Wenn der Zugang zur Justiz nicht gewährleistet sei, müsse der Termin verlegt werden.
Mit dem Hinweis, dass es dem Kläger und seinem Bevollmächtigten freistehe, nicht zum Termin zu erscheinen, habe der Vorsitzende Richter deutlich gemacht, dass er sich die Entscheidung möglichst einfach machen wolle. Es sei zu befürchten, dass die Verwaltungsstreitsache nicht mehr unparteiisch verhandelt und entschieden werde. Der Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO sei bereits in der Ladung enthalten gewesen; die Wiederholung könne nur den Grund gehabt haben, dem Bevollmächtigten nahezulegen, möglichst nicht zum Termin zu erscheinen.
1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteile legen die Kläger damit nicht dar. Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
Mit ihren Einwänden machen die Kläger jedoch nicht deutlich, warum die Klagen gegen die Gewerbeuntersagungsbescheide entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hätten abgewiesen werden dürfen.
1.2 Der Sache nach machen die Kläger vielmehr einen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen unrichtiger Besetzung des Gerichts (vgl. a. Revisionsgrund des § 138 Nr. 1 VwGO) geltend.
1.2.1 Nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO kann die Berufung nur bezüglich eines Verfahrensmangels zugelassen werden, der der Beurteilungskompetenz des Berufungsgerichts unterfällt. Eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs unterliegt jedoch gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 512 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, da der Beschluss, mit dem der Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2020 – 12 ZB 18.706 – juris Rn. 24; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 28; für das Revisionsverfahren BVerwG, B.v. 15.5.2008 – 2 B 77.07 – juris Rn. 6 m.w.N.). Anderes gilt nur, wenn die fehlerhafte Entscheidung über die Richterablehnung zugleich einen Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beinhaltet. Dies setzt aber voraus, dass die Entscheidung auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (BVerwG, B.v. 15.5.2008 – 2 B 77.07 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 23.3.2020 – 12 ZB 18.706 – juris Rn. 24).
1.2.2 Die Kläger machen zwar einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend; ein willkürliches Vorgehen des Vorsitzenden der 16. Kammer, soweit dieser unter Berufung auf die Rechtsmissbräuchlichkeit des Ablehnungsantrags selbst über diesen entschieden hat, haben sie jedoch nicht dargelegt.
Ein Ablehnungsgesuch ist ausnahmsweise dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig zu verwerfen, wenn es sich als offenkundiger Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt, weil das Vorbringen des Antragstellers von vornherein nicht geeignet sein kann, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen und sich deshalb als rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. BVerfG, B.v. 15.6.2015 – 1 BvR 1288.14 – juris Rn. 15 f.; BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – juris Rn. 2). Die Besorgnis der Befangenheit setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss erläutert, warum aus seiner Sicht der Antrag rechtsmissbräuchlich war. Bedenken dagegen ergeben sich auch aus dem Vortrag der Kläger nicht; erst recht bestehen keine Anhaltspunkte für Willkür seitens des Gerichts.
Stützt ein Antragsteller die Besorgnis der Befangenheit auf das Verhalten eines Richters innerhalb des Rechtsstreites, ist zu berücksichtigen, dass prozessleitende Maßnahmen wie die Entscheidung über Verlegungs- und Vertagungsanträge zu den Aufgaben des Richters gehören und die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen können, wenn sich für seine Handlungsweise vernünftige und vertretbare Gründe finden lassen. Anderes gilt nur, wenn die Handlungsweise die Grenze der Sachlichkeit überschreitet und den Verdacht der Willkür nahelegt (vgl. Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 54 Rn. 63).
Soweit die Kläger meinen, das Gericht habe die Entscheidung über das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung vom Zugang zum Gerichtsgebäude bis zum Sitzungssaal zu Unrecht der Gerichtsverwaltung überlassen, woraus sich die Besorgnis der Befangenheit ergebe, erstreckt sich die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden (§ 55 VwGO i.V.m. § 176 GVG), die Teil der richterlichen Gewalt i.S.v. Art. 20 Abs. 2 GG ist (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 176 GVG Rn. 1), in räumlicher Hinsicht grundsätzlich nur auf den Sitzungssaal, wenn nicht etwa aus dem Vorraum eines Sitzungssaals eine Störung direkt auf die Verhandlung einwirkt (vgl. BGH, B.v. 11.2.1998 – StB 3/98 – juris Rn. 5). Abgesehen von solchen eng begrenzten Ausnahmen ist die Befugnis zum Treffen von Regelungen in Bezug auf das Verhalten im Gerichtsgebäude außerhalb des Sitzungssaals aber vielmehr dem Hausrecht zuzuordnen, das regelmäßig dem Gerichtspräsidenten obliegt (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 176 GVG Rn. 13). Die Regelung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude außerhalb der Sitzungssäle beruhte danach nicht auf der Sitzungsgewalt des Vorsitzenden, so dass es diesem auch nicht zukam, hiervon förmlich Ausnahmen zuzulassen.
Ungeachtet der Grenzen der Kompetenz des Vorsitzenden ist der Verweis auf die Anordnung der Gerichtsverwaltung auch schon deshalb nicht als unsachlich oder willkürlich anzusehen, weil es sich um eine zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für das gesamte Gerichtsgebäude geltende Anordnung handelte, für die mit Blick auf die Corona-Pandemie sachliche Gründe vorlagen. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Maskenpflicht in Schulen sowie im öffentlichen Raum in einer Vielzahl von Entscheidungen für rechtmäßig erachtet (vgl. bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in den streitgegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren etwa BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1337 – juris Rn. 13 ff.). Das Gericht hat sich in seinem Schreiben vom 10. Juni 2020 im Übrigen auch auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofs bezogen. Die Kläger sind dem mit ihrer Annahme, die Maskenpflicht sei rechtswidrig, nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten; erst recht haben sie nicht dargelegt, dass der Vorsitzende bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung willkürlich gehandelt hätte. Dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Gerichtsgebäude stand auch nicht die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs entgegen, denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass mit der Maskenpflicht im Gerichtsgebäude außerhalb des Sitzungssaals eine Beschränkung der Äußerungsmöglichkeiten von Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung und damit eine Beeinträchtigung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO einhergehen würde. Vor diesem Hintergrund waren auch erhebliche Gründe für eine Terminsänderung (§ 173 Satz 1 VwGO, § 227 ZPO) nicht glaubhaft gemacht.
1.2.3 Auch aus dem Hinweis des Gerichts in dem Schreiben vom 10. Juni 2020, wonach das persönliche Erscheinen der Klägerseite zum Termin nicht zwingend sei, ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine mögliche Befangenheit. Es handelt sich insoweit um die Wiedergabe der gesetzlichen Regelung des § 102 Abs. 2 VwGO. Auch wenn ein Hinweis darauf bereits in der Ladung enthalten war, lässt dies nicht den Schluss zu, dass das Gericht dem Kläger und seinem Bevollmächtigten habe nahelegen wollen, möglichst nicht zum Termin zu erscheinen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass nicht ersichtlich ist, warum es dem Bevollmächtigten und den Klägern nicht zumutbar gewesen sein sollte, im Gerichtsgebäude eine Maske zu tragen. Konkrete Gründe, die eine solche Unzumutbarkeit belegen würden, haben sie nicht vorgetragen. Auch insoweit folgen aus der Einordnung des Ablehnungantrags durch den Vorsitzenden Richter als rechtsmissbräuchlich keine Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen des Gerichts bei der Entscheidung über den Antrag.
2. Eine über die Besetzung des Gerichts hinausgehende Rüge eines Verfahrensmangels infolge der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung – sofern sie dem Vortrag zusätzlich zu entnehmen sein sollte – könnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Bevollmächtigte ausweislich der Niederschrift weder innerhalb des Gerichtsgebäudes auf dem Weg zum Sitzungssaal noch während der mündlichen Verhandlung im Sitzungssaal am 16. Juni 2020 tatsächlich verpflichtet wurde, eine solche Maske zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 54.2.1, 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.

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