Verwaltungsrecht

Abschiebungsandrohung nach Mazedonien rechtmäßig

Aktenzeichen  M 24 S 16.31725

Datum:
8.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29a Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 4 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Mit dem Vorbringen, aufgrund gesundheitlicher Probleme nach Deutschland gekommen zu sein, kann die gesetzliche Vermutung des Art. 16a Abs. 3 S. 2 GG bzw. § 29a Abs. 1 AsylG nicht widerlegt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind ihren Angaben im Asylverfahren zufolge mazedonische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit und gehören der islamischen Glaubensvereinigung an. Die Antragsteller zu 1) und zu 2) sind die Eltern der Antragsteller zu 3) bis 4).
Am … Juni 2016 stellten die Antragsteller bei Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Asylanträge. Im Rahmen ihrer Anhörung am … Juni 2016 gaben die Antragsteller zu 1) und 2) dem Bundesamt gegenüber an, am … Mai 2016 aus Mazedonien ausgereist und am … Mai 2016 nach Deutschland eingereist zu sein. Sie seien aufgrund von gesundheitlichen Problemen hier. Der Antragsteller zu 1) erklärte, er wolle keinen Aufenthaltsstatus. Er sei nur hier, um seine Kinder, die schlecht sehen würden und Probleme mit dem Zahnfleisch hätten, behandeln zu lassen und um später etwas Geld zu sparen, damit er nach Mazedonien zurückkehren und dort zwei Zimmer bauen könne. Entsprechende ärztliche Unterlagen über die angeführten Erkrankungen wurden nicht vorgelegt.
Mit Bescheid vom … Juli 2016 (zugestellt am … Juli 2016) lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, lehnte die Anträge auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Zugleich wurden die Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls würden sie nach Mazedonien oder in einen anderen zu seiner Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat abgeschoben (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Gegen diese Bescheide erhoben die Antragsteller am … Juli 2016 Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Juli 2016, Az.: … in Ziffer 1 und in Ziffer 3 bis 6 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Beklagte zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Zugleich wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen. Sie hätten noch einige Arzttermine, die sie sehr gerne wahrnehmen wollten. Sie würden hoffen, die entsprechenden Behandlungen noch durchführen zu können, da dies im Heimatland nicht möglich sei. Sie seien nur deshalb hergekommen, damit die Antragsteller zu 2) bis 4) behandelt werden könnten und dadurch Heilung erfolgen könne. Danach würden sie ausreisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten des Eil- und Klageverfahrens und die am … und … Juli 2016 von der Antragsgegnerin vorgelegte Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
1. Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides des Bundesamtes vom … Juli 2016 (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über diesen Antrag als Gericht der Hauptsache sachlich zuständig gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 45 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 und 10 AsylG; seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, weil die Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit ihren Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern (…) und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen hatten (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO i. V. m. § 83c AsylG).
3. Die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg und waren daher abzulehnen. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes vom … Juli 2016 bestehen insoweit nicht. Das Gericht folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom … Juli 2016 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (Satz 1), wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Satz 2). Nach Maßgabe des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 Grundgesetz (GG) darf das Gericht die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nur bei “ernstlichen Zweifeln” an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme aussetzen. Geringe Zweifel reichen nicht aus. “Ernstliche Zweifel” im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG liegen dann vor, „wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält“ (BVerfG U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166, juris Rn. 97 und 99).
Das Gericht prüft dabei im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO am Maßstab der ernstlichen Zweifel (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG) insbesondere die in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AsylG vorgesehenen Voraussetzungen einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt, also die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes und das Vorliegen nationaler Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
Außerdem ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt hat und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – a. a. O., juris Rn. 93). Geboten ist insoweit eine eigene gerichtliche Prüfung nach objektiven Kriterien unabhängig von der Formulierung des Bescheides, zumal § 30 AsylG kein Verwaltungsermessen einräumt (vgl. VG Würzburg B.v. 29.11.1999 – W 7 S 99.31376 – juris Rn. 10).
3.1. Die Ablehnung der Anträge der Antragsteller auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG) als offensichtlich unbegründet in Nr. 2 des Bescheides des Bundesamtes vom … Juli 2016 sind nicht Gegenstand des Klage- und Eilverfahrens, da die Antragsteller die Aufhebung der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides vom … Juli 2016 mit ihrer Klage nicht beantragt haben.
3.2. An der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet in Nr. 1 des Bescheides des Bundesamtes vom … Juli 2016 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift darf in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dabei geht der Schutzbereich der §§ 3-3e AsylG über den des Art. 16a GG hinaus, insbesondere hinsichtlich der möglichen Akteure, von denen Verfolgung drohen kann und hinsichtlich der möglichen Verfolgungsgründe (vgl. §§ 3b und 3c AsylG).
Nach § 29 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer vorgetragenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Welche Staaten sichere Herkunftsstaaten sind, ergibt sich aus § 29a Abs. 2 AsylG i.V. mit der Anlage II hierzu. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, der Herkunftsstaat der Antragsteller, fällt hierunter.
Mit ihrem Vorbringen, lediglich aufgrund gesundheitlicher Probleme nach Deutschland gekommen zu sein, haben die Antragsteller die gesetzliche Vermutung des Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG bzw. § 29a Abs. 1 AsylG nicht widerlegt. Damit sind ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet nicht ersichtlich, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf Nr. 1 (in Verbindung mit Nr. 5) des streitgegenständlichen Bescheides nicht angeordnet werden kann.
3.3. Auch die Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird (Nr. 3), ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 AsylG i.V. mit § 60 Abs. 2 AufenthG liegen nicht vor, weil die Todesstrafe in Mazedonien abgeschafft ist (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mazedonien vom 28.01.2005, Lagebericht 2005 unter III.1., S. 15) und in Mazedonien kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt im Sinne dieser Vorschrift besteht.
Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG, bei dem auch nicht-staatliche Akteure in Betracht kämen (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 3c AsylG), liegen ebenfalls nicht vor. Dem Vortrag der Antragsteller ist nicht zu entnehmen, dass sie von staatlichen mazedonischen Stellen Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten müsste oder dass sie sich insoweit erfolglos um Schutz durch den mazedonischen Staat bemüht habe.
Mangels ernstlicher Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG konnte eine Aussetzung der Abschiebung deshalb auch im Hinblick auf Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides nicht angeordnet werden.
3.4. Auch die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), ist nicht ernstlich zweifelhaft. Von den Antragstellern ist nicht vorgetragen worden, dass sie Opfer von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK i. V. m. § 60 Abs. 5 AufenthG geworden wäre. Anhaltspunkte für konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lassen sich dem Vortrag der Antragsteller nicht entnehmen.
Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den vorgetragenen gesundheitlichen Problemen der Antragsteller. Zum einen wurden solche bereits nicht durch ärztliche Atteste oder vergleichbare Unterlagen belegt. Zum anderen können nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln in Mazedonien, abgesehen von einigen schweren oder seltenen Krankheiten, die meisten Krankheiten behandelt werden (Ad-hoc-Teil-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, v.a. bzgl. der Situation der Roma sowie zur medizinischen Versorgung, Stand: Januar 2011, vom 19.01.2011 – Lagebericht 2011 – unter II.2.1. (Medizinische Versorgung, Überblick), S. 7/8). Dass die Antragsteller an Krankheiten leiden würden, auf die dies nicht zutrifft, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kommt daher auch im Hinblick auf Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides vom 8. Juli 2016 nicht in Betracht.
3.5. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Abschiebungsandrohung selbst rechtmäßig ergangen ist. Da die in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 AsylG vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen und auch nicht ersichtlich ist, dass die Antragsteller einen Aufenthaltstitel besitzen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), konnte das Bundesamt die Abschiebungsandrohung erlassen. Einer gesonderten Anhörung bedurfte es insoweit nicht (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Ernstliche Zweifel daran, dass die übrigen Anforderungen des § 34 Abs. 2 AsylG und des § 36 Abs. 1 AsylG vom Bundesamt beachtet wurden, bestehen nicht.
4. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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