Aktenzeichen M 21 S 17.33327
Leitsatz
Weigert sich ein Asylbewerber eine Anhörung in der Sprache, deren Kenntnisse er angegeben hat, durchzuführen, liegt ein grober Verstoß seiner Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG vor. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Gonguron geborener Staatsangehöriger der Republik Tschad muslimischen Glaubens.
Er stellte am 18. November 2013 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag, ohne damals anwaltlich vertreten gewesen zu sein. Zur von ihm unterzeichneten Niederschrift zu seinem Asylantrag (Teil 1) gab er insbesondere als Erstsprache Arabisch und als Zweitsprache Französisch an.
Die Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten erhielt der Antragsteller auch auf Arabisch (Bl. 9 ff. der Bundesamtsakte).
Durch Schriftsatz vom 26. März 2015 bestellten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers für ihn gegenüber dem Bundesamt und beantragten insbesondere, für die Bundesamtsanhörung einen Dolmetscher für Wadai/Maba beizuziehen.
Nach dortigem Zugang der Ladung zur Bundesamtsanhörung am 8. Dezember 2016 in Deggendorf teilten die Bevollmächtigten des Antragstellers dem Bundesamt durch Schriftsatz vom 2. Dezember 2016 mit, der Antragsteller benötige einen Dolmetscher für Wadai. Seine Arabischkenntnisse beruhten auf einem sechsmonatigen Aufenthalt in Libyen, seine Französischkenntnisse auf einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Schweiz. Diese Kenntnisse reichten für eine Anhörung zu seinen Fluchtgründen nicht aus.
In einem Vermerk vom 8. Dezember 2016 (Bl. 65 der Bundesamtsakte) hielt das Bundesamt insbesondere fest, der Antragsteller sei zur Anhörung am 8. Dezember 2016 in Deggendorf erschienen. Für die Anhörung sei ein Sprachmittler für Arabisch eingeplant worden. Diese Sprache habe der Antragsteller bei seiner Asylantragstellung als Erstsprache angegeben. Amtssprachen des Tschad seien Arabisch und Französisch. Am 5. Dezember 2016 sei ein Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers eingegangen, demzufolge Wadai die Muttersprache des Antragstellers sei. Kurzfristig habe kein Sprachmittler für diese Sprache organisiert werden können. Der Antragsteller könne etwas Deutsch und etwas Arabisch und habe sich geweigert, die Anhörung durchzuführen. Er sei auf §§ 15 und 17 AsylG hingewiesen und über die Folgen seiner Weigerung informiert worden.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Tschad an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG sei nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der Nichtmitwirkung des Antragstellers zu entscheiden gewesen. Über diese Rechtsfolge sei er gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG belehrt worden. Der Verpflichtung gemäß § 25 Abs. 1 AsylG zum Tatsachenvortrag sei der Antragsteller bis heute nicht ausreichend nachgekommen. Bereits sein augenscheinliches Desinteresse an der Weiterführung des Asylverfahrens lasse eine Verfolgungsfurcht oder einen ernsthaften Schaden im Heimatland als unglaubhaft erscheinen. Er habe es in Verletzung seiner Mitwirkungspflicht schuldhaft unterlassen, das Bundesamt persönlich über sein Schicksal zu informieren, indem er die Anhörung nicht in der Amtssprache der Republik Tschad habe durchführen wollen, obwohl diese Sprachkenntnisse vernünftigerweise anzunehmen seien und nach Angaben des Antragstellers bei der Aktenanlage als Erstsprache erfasst worden seien. Ihm drohe auch kein ernsthafter Schaden. Der unbegründete Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG wegen schuldhafter Verletzung der Mitwirkungspflichten als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund es dem Antragsteller als jungem gesundem Mann nicht zugemutet werden könne, sich wieder eine Arbeit zu suchen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zudem habe er eine fehlende Unterstützung durch die Familie nicht geltend gemacht. Selbst wenn er ohne familiären Rückhalt dastünde, führte dies nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbots. Es drohe ihm auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 20. Februar 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 10. Februar 2017 in Nrn. 1 und 3. mit 6. aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antragsteller als Flüchtling anzuerkennen, hilfsweise, ihm den subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Tschad vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.33325) ist noch nicht entschieden.
Am 20. Februar 2017 ließ der Antragsteller zugleich beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 17. Februar 2016 (richtig: 2017) im Wesentlichen ausgeführt, es begegne ernstlichen Zweifeln, dass die Antragsgegnerin ihr Offensichtlichkeitsurteil allein auf § 30 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m.
§ 25 Abs. 1 AsylG gestützt habe. Auf die Angaben des Antragstellers gegenüber den Grenzschutzbehörden sei lediglich im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten eingegangen worden. Der Betroffene könne nach § 17 Abs. 1 AsylG nicht auf eine Sprache verwiesen werden, die in keinerlei Bezug zu seinem Herkunftsland und/oder seiner Ethnie stehe. Nicht einmal könne in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass ein Asylsuchender die Amtssprache seines Herkunftslandes angemessen beherrsche. Das Beharren auf einen Dolmetscher, der eine bestimmte Minderheitensprache oder den eigenen Dialekt beherrsche, dürfe nicht als mutwillige Verweigerungshaltung und damit als Verletzung der Mitwirkungspflichten ausgelegt werden, die unter Umständen eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet rechtfertigen könnte. Der Antragsteller spreche lediglich Wadai und habe bei Einreise die im Tschad festgelegten Amtssprachen Arabisch und Französisch nur wegen seines Fluchtverlaufs in ganz geringem Rahmen vorweisen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Ferner können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung auf Verfahrensfehler des Bundesamtes im Asylverfahren zurückzuführen sein, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese sich auf die Entscheidung des Bundesamtes ausgewirkt haben (vgl. nur Pietzsch in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1. August 2017, § 36 AsylG Rn. 41 m.w.N.).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der (formellen) Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Der Tatbestand des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG ist erfüllt.
Ein unbegründeter Asylantrag ist nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG insbesondere dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer seine Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich.
Der Asylantrag ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte – Angaben des Antragstellers gegenüber Grenzschutzbehörden ergeben sich entgegen der Klage- und Antragsbegründung nicht aus der Bundesamtsakte – unbegründet.
Insbesondere zu dieser Beurteilung ist das Bundesamt im Ergebnis zu Recht nach Aktenlage gekommen, wobei eine Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG – allerdings ohne inhaltliche Mitwirkung des Antragstellers – stattgefunden hat. Die Fälle des § 25 Abs. 4 Satz 5 oder Abs. 5 Satz 3 AsylG sind daher entgegen den Gründen des angegriffenen Bundesamtsbescheids von vornherein nicht einschlägig.
Der Antragsteller hat seine Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG auch gröblich verletzt.
Hat der Asylbewerber selbst angegeben, eine bestimmte Sprache zu beherrschen oder ist dies von der Behörde festgestellt worden, so ist die Zuziehung eines Mittlers dieser Sprache nach § 17 Abs. 1 AsylG stets als ermessensfehlerfrei anzusehen. Das gilt selbst dann, wenn der Asylbewerber auch die Beherrschung weiterer Sprachen angegeben hatte. Verweigert er sich, so verstößt er gröblich gegen die ihm obliegende Mitwirkungspflicht (vgl. nur Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2008, § 17 Rn. 6 m.w.N.).
So liegen die Dinge hier. Zur von ihm unterzeichneten Niederschrift zu seinem Asylantrag (Teil 1) hat der damals noch nicht anwaltlich vertretene Antragsteller insbesondere als Erstsprache Arabisch und als Zweitsprache Französisch angegeben. Das sind zudem die Amtssprachen des Tschad (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tschad-node/tschad/225758). Deren Kenntnis und insbesondere die hinreichende Verständigungsmöglichkeit auf Arabisch, hat das Bundesamt also auch deshalb im Sinne des § 17 Abs. 1 AsylG vernünftigerweise beim Antragsteller annehmen können.
Der Antragsteller hat die Verletzung seiner Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG auch zu vertreten, insbesondere zumal er die insoweit zutreffende Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten auch – von ihm ohne Beanstandung unterzeichnet – auf Arabisch erhalten hat. Dafür, dass dem Antragsteller die Einhaltung der Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG aus (anerkennungsfähigen) wichtigen Gründen nicht möglich gewesen ist, ist weder etwas vorgetragen noch sonst etwas ersichtlich.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).