Aktenzeichen XIV 27/21 (B)
Leitsatz
Tenor
1. Gegen den Betroffenen S wird Ausreisegewahrsam vom 27.04.2021 bis zum 29.04.2021 um 08:00 Uhr zum Zweck der Durchführung der Abschiebung mit dem Flug TK 1588 um 11:40 Uhr von Frankfurt nach Almati (Kasachstan) über Istanbul angeordnet.
2. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
3. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Von der Erhebung der Dolmetscherkosten wird abgesehen.
Gründe
I.
Der Betroffene ist kasachischer Staatsangehöriger. Er reiste am 12.07.2009 gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem zwischenzeitlich volljährigen Sohn illegal, ohne erforderliches Visum, in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Am 28.07.2009 beantragte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Anerkennung als Asylberechtigter (Az.: 5384004). Mit Bescheid vom 14.01.2011 lehnte das BAMF den Antrag auf Asylanerkennung ab und erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft, noch subsidiären Schutzstatus zu. Zudem stellte das BAMF in seiner Entscheidung ausdrücklich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG) und drohte dem Betroffenen die Abschiebung nach Kasachstan an. Der Bescheid gilt laut BAMF am 20.01.2011 als zugestellt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes legte der Betroffene am 26.01.2011 Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth (Az.: B 5 K 11.30015) ein, die mit Urteil vom 19.09.2011 abgewiesen wurde. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25.10.2011 abgelehnt (Az.: 11 ZB 11.30418).
Die Rechtskraft des Bescheides trat am 31.10.2011 ein, seitdem ist der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Da die Frist zur freiwilligen Ausreise von einem Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens fruchtlos verstrich, ist die Ausreisepflicht seit dem 30.11.2011 vollstreckbar.
Der Betroffene stellte am 24.09.2012 beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag (Az.: 5574900), der mit Bescheid vom 07.01.2013 abgelehnt wurde. Die hiergegen am 22.01.2013 eingelegte Klage (Az.: B 5 K 13.30007) wurde durch das Verwaltungsgericht Bayreuth am 23.02.2015 abgewiesen. Die Rechtskraft des Bescheides trat damit am 05.04.2015 ein.
Am 22.11.2017 stellte der Betroffene einen weiteren Asylfolgeantrag (Az.: 7288797), der mit Bescheid des Bundesamtes am 27.11.2017 als unzulässig abgelehnt wurde. Die am 12.12.2017 eingelegte Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth am 16.07.2019 abgewiesen (Az.: B 1 K 17.33614). Der am 23.11.2018 gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde am 04.12.2018 abgelehnt (Az.: B 1 S 18.31966) und auch der am 17.01.2019 gestellte Antrag nach § 80 Abs. 7 wurde am 23.01.2019 abgelehnt (Az.: B 1 S 19.30058). Der am 20.08.2019 gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 30.08.2019 abgelehnt (Az.: 11 ZB 19.33083).
Der Betroffene ist damit weiterhin seit dem 31.10.2011 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, seine Ausreiseverpflichtung seit dem 30.11.2011 vollstreckbar.
Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den Betroffenen für den Fall der Abschiebung keine Wiedereinreisesperre anordnete, befristete die Zentrale Ausländerbehörde Oberfranken mit Bescheid vom 29.05.2017 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG auf 48 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Die Identität des Betroffenen ist nicht geklärt. Die Zentrale Ausländerbehörde Oberfranken leitete deshalb für den Betroffenen ein Passersatzpapierbeschaffungsverfahren beim zuständigen Landesamt für Asyl- und Rückführungen ein, bei dem der Betroffene als kasachischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte. Mittlerweile liegen der Zentralen Ausländerbehörde Oberfranken für den Betroffenen bis zum 26.07.2021 gültige Heimreisescheine vor.
Die dem Betroffenen vom BAMF eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise (Ausreisefrist) ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt fruchtlos verstrichen. Etwaige Bemühungen des Betroffenen zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebiets während der ihm eingeräumten Ausreisefrist waren nicht erkennbar bzw. wurden im Übrigen auch nicht anderweitig von ihm geltend gemacht. Vielmehr verweigerte sich der Betroffene in dem geführten Ausreisegespräch jegliche Mitwirkung und gab an, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.
Nach Mitteilung des für die Durchführung der Sammelabschiebungsmaßnahmen nach Kasachstan zentral zuständigen LfAR ist der Betroffene in Absprache mit den kasachischen Behörden für die Abschiebung am 29.04.2021 um 11:40 Uhr mit dem Flug TK 1588 von Frankfurt nach Almati (Kasachstan) über Istanbul vorgesehen. Seine Ehefrau O S, für die eine gesonderte Entscheidung ergeht, ist ebenfalls für diesen Termin zur Abschiebung vorgesehen.
Aufgrund der Corona-Pandemie ist zur Einreise nach Kasachstan ein negativer PCR-Test des Betroffenen vorzulegen, dessen Testergebnis zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nicht älter als 72 Stunden sein darf. Durch das gezeigte Verhalten, ist davon auszugehen, dass der Betroffene den zwingend für die Ausreise erforderlichen PCR-Test nicht freiwillig durchführen lassen wird, sodass eine Rückführung nicht erfolgen kann.
Die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken (Antragstellerin) beabsichtigt, den Betroffenen, der die kasachische Staatsangehörigkeit besitzt, aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abzuschieben und hat am 20.04.2021 beantragt, gegen den Betroffenen Abschiebegewahrsam zur Sicherung der Ausreise für die Dauer bis zum 29.04.2021, 8.00 Uhr unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit anzuordnen. Auf die Begründung des Antrages der Zentralen Ausländerbehörde wird Bezug genommen.
Der Betroffene wurde, ebenso wie seine Ehefrau (Az. XIV 28/21 (B)) am heutigen Tag zu dem Antrag richterlich gehört. Auf seine Angaben im Anhörungsprotokoll vom heutigen Tag wird Bezug genommen.
II.
Die Voraussetzungen für die Anordnung des Gewahrsams zu Sicherung der Ausreise sind gegeben.
1. Das Amtsgericht Hof ist nach § 416 FamFG für die Anordnung des Ausreisegewahrsams örtlich zuständig, da der Betroffene im hiesigen Gerichtsbezirk seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Es liegt ein zulässiger Antrag für den Erlass eines Sicherungsgewahrsams vor. In dem Antrag der Antragstellerin sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, der Erforderlichkeit des Gewahrsams, zur Durchführbarkeit der Ausreise und zur notwendigen Gewahrsamsdauer enthalten, gem. 417 Abs. 2 FamFG. Die Antragstellerin ist überdies auch für die Beantragung des Ausreisegewahrsams zuständig, gem. § 71 Abs. 1 AufenthG.
3. Der Betroffene ist auch vollziehbar ausreisepflichtig, § 58 Abs. 2 AufenthG. Er besitzt nicht die nach § 4 AufenthG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht in Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG. Er ist zudem unerlaubt eingereist, § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG.
4. Die Ausreisefrist ist nach Androhung der Abschiebung nach § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG längst abgelaufen, gem. § 62b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Der Betroffene ist überdies auch nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Auch ist die Überschreitung der Ausreisepflicht nicht nur unerheblich, nachdem der Betroffene bereits seit dem 30.11.2011 vollziehbar ausreisepflichtig ist.
5. Darüber hinaus steht fest, dass die Abschiebung innerhalb des Gewahrsams bis zum 29.04.2021 durchgeführt werden kann, gem. § 62b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Die Zentrale Ausländerbehörde hat diesbezüglich erklärt, dass für den Betroffenen lediglich noch eine Testung auf Covid-19 durchzuführen ist, da er andernfalls von der Fluggesellschaft nicht mitgenommen wird. Dieser Test kann innerhalb der Gewahrsamsdauer, die auf ein Minimum reduziert wurde eingeholt werden.
6. Der Betroffene hat ein Verhalten gezeigt, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren bzw. vereiteln wird. Dies ist vorliegend deshalb zu vermuten, da er seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt hat, gem. § 62b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a) AufenthG. Der Betroffene hat seine Mitwirkung bei der Passbeschaffung verweigert. Durch etliche Eingaben in Gestalt von Landtagseingaben und Vorlage von Attesten, die seine Reiseunfähigkeit bescheinigten, verzögerte der Betroffene seit Jahren seine Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich ist auch die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage überschritten, gem § 62b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 d) AufenthG.
7. Der Betroffene konnte im Rahmen seiner Anhörung auch nicht nach § 62ba Abs. 1 Satz 2 AufenthG glaubhaft machen, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (sog. fehlende Entziehungsabsicht). Schlussendlich ist es für das Gericht auch nicht offensichtlich, dass sich der Betroffene der Aktion nicht entziehen will. Diesbezügliche Anhaltspunkte konnten durch das Gericht im Rahmen der erfolgten Anhörung und bei Prüfung des Akteninhaltes nicht festgestellt werden.
8. Der Betroffene ist auch reise- und gewahrsamsfähig. Er wurde bei seinem Aufgriff durch den Arzt Dr. S untersucht, der auch als Sachverständiger in der heutigen Anhörung mit zugegen gewesen ist und zu Protokoll ein Gutachten über den Gesundheitszustand des Betroffenen erstattet hat. Der Sachverständige attestierte dem Betroffenen, dass er über einen Gesundheitszustand verfügt, der ihm die Durchführung des Abschiebegewahrsams und die Durchführung der Flugreise unproblematisch ermöglicht. Des Weiteren hat ein Telefonat des Vorsitzenden mit der Antragstellerin ergeben, dass bei dem geplanten Abschiebeflug ein Arzt zugegen sein wird. Vor diesem Hintergrund steht auch der Gesundheitszustand des Betroffenen der geplanten Abschiebung und dem Gewahrsam nicht entgegen.
9. Die Dauer des Gewahrsams wurde bis zum 29.04.2021, 8.00 Uhr von der Behörde glaubhaft mit den für die Organisation und Durchführung der Abschiebung notwendigen Erfordernissen begründet. Dies ist schlüssig und nachvollziehbar. Nach den Darlegungen der Antragstellerin wird die Ausreise des Betroffenen mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben.
10. Die Anordnung des vorliegenden Ausreisegewahrsams steht gem. § 62b Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Ermessen des Gerichts. Bei Erlass der vorliegenden Entscheidung hat das Gericht das staatliche Interesse an der zügigen Durchführung der Abschiebung gegen das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen abgewogen. Hierbei wurde insbesondere gesehen, dass der Freiheitsentzug nur für wenige Tage ausgesprochen wurde und dass der Betroffene bereits seit Jahren seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt.
11. Gem. §§ 62b Abs. 3 iVm. 62 Abs. 1 AufenthG ist die Anordnung des Ausreisegewahrsams zum Zwecke der gebotenen Ausreise geeignet, erforderlich sowie angemessen und damit im Ergebnis verhältnismäßig. Die Ausreise ist auch tatsächlich durchführbar. Schließlich ist kein milderes Mittel ersichtlich, um die Ausreisepflicht des Betroffenen durchzusetzen.
12. Der Ausreisegewahrsam wird nach Angaben der zuständigen Behörde gem. § 62b Abs. 2 AufenthG in der Abschiebehaftanstalt Darmstadt-Eberstadt erfolgen und damit in einer Unterkunft, von der die Ausreise des Betroffenen ohne Zurücklegen einer größeren Entfernung zum Abreiseflughafen Frankfurt a.M. möglich ist, vollzogen.
III.
Das Verfahren beruht auf den §§ 417, 416, 420, 38, 41 FamFG, welche gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG auf den vorliegenden Abschiebehaftfall anwendbar sind.
IV.
Die sofortige Wirksamkeit der Anordnung ist erforderlich, da aufgrund des bisherigen Verhaltens des Betroffenen anzunehmen ist, dass dieser sich der Abschiebung entziehen wird. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung ist § 422 Abs. 2 FamFG.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2, 23 Nr. 15 GNotKG i.Vm. Nr. 15212 Nr. 4 VV GNotKG. Da gegen den Betroffenen der Ausreisegewahrsam angeordnet wurde, waren ihm nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Weiter entspricht es mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen billigem Ermessen, nach § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG von der Erhebung der Dolmetscherkosten abzusehen.