Verwaltungsrecht

Abschiebungsschutz durch Erteilung einer Duldung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  Au 6 S 17.525

Datum:
20.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3, § 166
ZPO ZPO § 920 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 S. 1 u. 3, § 36 Abs. 2 S. 1, § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 u. 2 S. 2, § 60a Abs. 2 S. 1, § 81 Abs. 3
GG GG Art. 6 Abs. 1 u. 2
EMRK EMRK Art. 8
ZPO ZPO § 114 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt Abschiebungsschutz durch Erteilung einer Duldung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe.
Der 1988 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger aus der Volksgruppe der Paschtunen. Er reiste nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (VG Augsburg, U.v. 30.5.2014 – Au 6 K 14.30271) im September 2012 aus Griechenland kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 8. Oktober 2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 25. Februar 2014 den Antrag ab, forderte ihn zur Ausreise binnen dreißig Tagen ab Bekanntgabe des Bescheids auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an (Ziff. 5 des Bescheids). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung kämen nicht in Betracht, weil das Vorbringen des Antragstellers nicht glaubhaft sei. Er habe bei der Anhörung zu keinem Zeitpunkt den Eindruck vermitteln können, dass es sich bei den Fluchtgründen um eine persönlich erlebte Begebenheit gehandelt habe. Der Antragsteller müsse bei seiner Rückkehr nicht mit einer Gefährdung rechnen. Zudem könne der Antragsteller als alleinstehender, gesunder Mann sein Existenzminimum sichern.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht u.a. mit der Begründung ab (VG Augsburg, U.v. 30.5.2014 – Au 6 K 14.30271), die widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers zu seiner behaupteten Verfolgungsgeschichte begründeten Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit insgesamt; zudem stehe ihm in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Der Antragsteller verweigerte am 20. November 2014 gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine freiwillige Ausreise (Behördenakten Bl. 146); wurde mit Schreiben vom 18. Mai 2015 vergeblich zur Beschaffung von Pass oder Passersatz (ebenda Bl. 196), mit Schreiben vom 3. September 2015 zur Vorlage einer Bestätigung über eine Vorsprache beim afghanischen Generalkonsulat zwecks Beantragung eines Passes (ebenda Bl. 223) sowie mit Schreiben vom 13. Juli 2016 vergeblich zur Vorsprache beim afghanischen Generalkonsulat zwecks Beantragung eines Passes aufgefordert; zum geplanten Vorsprachetermin erschien der Antragsteller nicht (ebenda Bl. 313, 316). Erst im August 2016 legte er eine Bestätigung über eine Vorsprache vor, wonach mangels Tazkira kein Pass ausgestellt werden könne; eine Tazkira besorgte sich der Antragsteller auch nicht. Der Antragsteller wurde nach Inkrafttreten des Rücknahmeabkommens erneut mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 zur Vorsprache beim afghanischen Generalkonsulat zwecks Beantragung eines Passes aufgefordert, lehnte am 31. Januar 2017 erneut eine freiwillige Ausreise ab und ließ durch seine Bevollmächtigte vortragen, er habe am 5. April 2017 eine Vorsprache wahrgenommen und beantragte eine Duldung, nachdem er seit dem 31. Januar 2017 nur noch eine Grenzübertrittsbescheinigung inne gehabt hatte.
Auf Antrag vom 14. November 2016 ließ sich der Antragsteller von einem im Jahr 1934 geborenen deutschen Staatsangehörigen im Wege der Erwachsenenadoption mit Wirkung ab Zustellung des gerichtlichen Beschlusses adoptieren (AG, B.v. 20.3.2017 -, VG-Akte Bl. 10 f.). Das Amtsgericht führte zur Begründung aus, das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses habe festgestellt werden können, auch wenn dieses erst seit etwa eineinhalb Jahren bestehe; es sei überzeugt, die beiden Beteiligten würden sich in allen Lebenslagen gegenseitig unterstützen.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27. März 2017 beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG wegen der erfolgten Adoption und wies mit weiterem Schriftsatz vom 30. März 2017 auf einen für den 6. April 2017 geplanten Operationstermin des Adoptivvaters in einer Augenklinik hin, wo dieser der tatsächlichen Unterstützung durch den Antragsteller bedürfe, und bat um Mitteilung, ob an der Ausreiseverpflichtung festgehalten werde.
Am 10. April 2017 ließ der Antragsteller neben der Gewährung von Prozesskostenhilfe (sinngemäß) beantragen,
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, im Rahmen der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine Duldung zu erteilen.
2. Weiterhin wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
Der Abschiebung des Antragstellers stehe auf Grund der Adoption und des noch nicht verbeschiedenen Antrags nach § 36 AufenthG ein inländisches Vollstreckungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG entgegen. Da der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig sei, müsse er jeden Tag mit der Festnahme zur Abschiebung rechnen. Dem Eilantrag waren Kopien zweier nicht übersetzter afghanischer Dokumente beigelegt; es handele sich um eine Identitätsfeststellung durch das afghanische Konsulat und eine Tazkira sowie um Vorsprachebestätigungen vom 31. Oktober 2016 und vom 30. Januar 2017, wonach mangels legalisierter Tazkira kein Reisepass ausgestellt werden könne.
Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der Antrag auf einstweilige Duldung ist unbegründet und daher abzulehnen.
1. Der Antrag ist unbegründet, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO nicht glaubhaft gemacht hat.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch zu besitzen, vorläufig oder gar bis zur Verbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG nicht abgeschoben zu werden. Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, dass seine Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich wäre.
a) Gemäß § 58 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar, eine gewährte Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist.
Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet, weil er den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch vollziehbar, weil die dem Antragsteller mit bestandskräftigen Bescheid vom 25. Februar 2014 gesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist. Zudem ist die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, weil der Antragsteller offensichtlich nicht zur freiwilligen Ausreise bereit ist, wie er zuletzt am 31. Januar 2017 bekundet hat. Konkrete Bemühungen für eine Ausreise hat er nicht aufgezeigt; einen Pass besitzt er entgegen seiner gesetzlichen Pflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG bislang nicht und hat Anstrengungen zur Passbeschaffung auch erst auf behördlichen Nachdruck hin überhaupt unternommen. Nicht dargelegt ist auch, weshalb er die im Gerichtsverfahren in Kopie vorgelegte Tazkira – ob es sich um eine solche handelt, muss mangels Übersetzung dahingestellt bleiben – nicht bereits den Anforderungen des afghanischen Generalkonsulats entsprechend legalisiert und zur Passbeschaffung verwendet hat.
b) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Abschiebung derzeit rechtlich unmöglich wäre:
aa) Allein aus der erst kürzlich erfolgten Erwachsenenadoption durch seinen Adoptivvater, einen deutschen Staatsbürger, kann der Antragsteller derzeit kein Aufenthaltsrecht ableiten, das seiner Abschiebung rechtlich entgegenstünde.
Der Antragsteller hat zwar einen Antrag auf Familiennachzug als sonstiger Familienangehöriger zu seinem Adoptivvater nach § 36 Abs. 2 AufenthG gestellt. Die Antragstellung löst jedoch keine Fiktion eines erlaubten Aufenthalts nach § 81 Abs. 3 AufenthG aus, da sich der Antragsteller nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Er ist vollziehbar ausreisepflichtig. Ob einem Erfolg des Antrags derzeit die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AufenthG entgegen steht, braucht hier nicht geprüft und entschieden zu werden. Auf Grund der gesetzlichen Wertung scheidet jedenfalls ein Duldungsanspruch – erst recht wie beantragt bis zur Verbescheidung des Antrags nach § 36 Abs. 2 AufenthG – aus.
bb) Auch mit Blick auf die Operation seines Adoptivvaters ist die Abschiebung des Antragstellers derzeit rechtlich nicht unmöglich und ergibt sich keine Grundlage, den Antragsgegner vorläufig zum Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen zu verpflichten.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Insbesondere besteht kein rechtliches Abschiebungshindernis auf Grund verfassungsrechtlicher Wertungen der Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK.
Art. 6 Abs. 1 GG gewährt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers zu Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, z.B. bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser wertentscheidenden Normen führt die gebotene umfassende Bewertung der für ein Familienleben im Bundesgebiet maßgeblichen Umstände nicht zu einem Duldungsanspruch, insbesondere auch nicht mit Blick auf die in § 36 Abs. 2 AufenthG zum Ausdruck gelangten gesetzgeberischen Konkretisierungen der Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK, auf die sich der Antragsteller zur Begründung einer Unzumutbarkeit seiner Ausreise bezieht. Wesentlich ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gerade nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG ist, also ob eine Perspektive für einen legalen Daueraufenthalt besteht, sondern die Frage, ob es dem unter Verstoß gegen die gesetzlichen Einreisevorschriften nach Deutschland gelangten und sich hier aufhaltenden Antragsteller aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach § 60a Abs. 2 AufenthG unmöglich ist, zur Nachholung des Visumverfahrens, in dem erst über ein solches Aufenthaltsrecht zu befinden ist, (ggf. vorübergehend) nach Afghanistan zurückzukehren:
Dies vorausgeschickt, macht der Antragsteller geltend, für die Betreuung seines Adoptivvaters während dessen Operation benötigt zu werden. Er verweist damit auf die Grundsätze, welche die Rechtsprechung für den Familiennachzug pflegebedürftiger sonstiger Familienangehöriger zu § 36 Abs. 2 AufenthG entwickelt hat (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – BVerwGE 146, 198 ff., juris Rn. 38 f.; im Anschluss BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 19 CE 14.1137 – juris Rn. 10): „Jedenfalls setzt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug wegen Pflegebedürftigkeit gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe voraus. Das ist nicht bei jedem Betreuungsbedarf der Fall, sondern kann nur dann in Betracht kommen, wenn die geleistete Nachbarschaftshilfe oder im Herkunftsland angebotener professioneller pflegerischer Beistand den Bedürfnissen des Nachzugswilligen qualitativ nicht gerecht werden können. […] Jedenfalls ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles geboten, bei der sowohl der Grad des Autonomieverlusts des nachzugswilligen Ausländers als auch das Gewicht der familiären Bindungen zu den in Deutschland lebenden Familienangehörigen und deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Übernahme der familiären Pflege zu berücksichtigen sind.“
Selbst wenn diese – zu einem dauerhaften Aufenthaltsanspruch nach § 36 Abs. 2 AufenthG und nicht zu einem vorübergehenden Duldungsanspruch entwickelten – Grundsätze für die Zumutbarkeit einer Ausreise entsprechend herangezogen würden, ist doch nicht glaubhaft gemacht, dass hier ein rechtliches Abschiebungshindernis besteht. Zunächst besteht – anders als in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen – keine Beistandsbedürftigkeit des Antragstellers als des nachzugswilligen Familienangehörigen, sondern genau umgekehrt allenfalls eine vorübergehende postoperativ bedingte Pflege- bzw. Beistandsbedürftigkeit des Adoptivvaters. Zudem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Adoptivvater auf die Beistandsleistung spezifisch des Antragstellers derzeit noch angewiesen ist, insbesondere weil der für den 6. April 2017 mitgeteilte Operationstermin seit zwei Wochen verstrichen ist. Mag für den Adoptivvater auch das humanitäre Anliegen maßgeblich sein, sich nach der Operation auf Beistand des Antragstellers als seines Adoptivsohns verlassen zu können, zu dem wohl eine Vertrauensbeziehung besteht, so ist doch nicht aufgezeigt, dass ein etwaiger (post-)operativer Autonomieverlust nicht bereits ausgeglichen ist oder hinreichend durch professionellen Beistand oder Beistand anderer nahestehender Personen ausgeglichen werden könnte, bis der Adoptivvater gesundheitlich wieder genesen ist.
Schließlich ist unter Abwägung aller Umstände zwar zu berücksichtigen, dass der Adoptivvater des Antragstellers deutscher Staatsangehöriger ist und damit auf einen Umzug ins Ausland zwecks Führung des Familienlebens dort nicht verwiesen werden kann. Andererseits ist der Antragsteller ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger und hat ein etwaiges Familienleben mit seinem Adoptivvater erst im Bundesgebiet und – nach seinen Darstellungen im Eilantrag – auch erst lange nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylantrags und damit Eintritt der Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht begründet. Ausweislich des Adoptionsbeschlusses (AG, B.v. 20.3.2017 -, VG-Akte Bl. 10 f.) besteht ein Eltern-Kind-Verhältnis unter den erwachsenen Beteiligten erst seit etwa eineinhalb Jahren, also seit Oktober 2015. Auch wenn weiter ausgeführt wird, das Amtsgericht sei überzeugt, die beiden Beteiligten würden sich in allen Lebenslagen gegenseitig unterstützen, sind doch vorliegend mangels rechtmäßigen Voraufenthalts des erst im Erwachsenenalter ins Bundesgebiet eingereisten und seit Jahren vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers einwanderungspolitische Belange auf Grund der gesetzlichen Wertung stärker zu gewichten und mindern entsprechend die Schutzbedürftigkeit eines im Bundesgebiet auf ungeklärter ausländerrechtlicher Grundlage erst begründeten Familienlebens. Schließlich hat der Antragsteller durch die Adoption auch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 6 StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) erlangt.
Dies gilt umso mehr, als nicht ersichtlich ist, weshalb dem ausreisepflichtigen und nach den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan auch nicht gefährdeten Antragsteller sonst eine Ausreise nach Afghanistan nicht zumutbar sein soll, um von dort aus sein Anliegen eines Familiennachzugs im ordnungsgemäßen Visumverfahren weiterzuverfolgen. Er ist erwachsen, bereits volljährig ins Bundesgebiet eingereist und war zuvor zu einer eigenständigen Lebensführung im vertrauten Herkunftsland imstande. Zudem fehlt ihm nach seinem Vortrag eine Legalisierung seiner Tazkira, um damit einen Reisepass beantragen bzw. erhalten zu können; eine Tazkira ließe sich für ihn im Herkunftsstaat jedenfalls leichter legalisieren als aus dem Bundesgebiet heraus.
Das Risiko, nach einer Ausreise bzw. Abschiebung nicht mehr bzw. erst nach einer gewissen Wartezeit für die Dauer des Visumverfahrens ins Bundesgebiet einreisen zu können, sollte er die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nicht erfüllen, ist von ihm zu tragen. Bei seiner Ersteinreise im Jahr 2012 zwecks Asylantragstellung konnte er nicht auf einen legalen Daueraufenthalt vertrauen; nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylantrages erst recht nicht. Ob die gesetzlich in § 36 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AufenthG durch das Erfordernis einer „außergewöhnlichen Härte“ besonders hohen Hürden für einen Familiennachzug hier erfüllt sind, ist mangels abgeschlossener ausländerbehördlicher Prüfung der Lebens- und auch der finanziellen Verhältnisse noch offen. Die in dieser Hürde zum Ausdruck gelangten gegenläufigen einwanderungspolitischen Belange sind jedenfalls derzeit nicht von der Hand zu weisen und stehen der Annahme eines rechtlichen Abschiebungshindernisses und damit einem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung derzeit entgegen.
cc) Auch sonst ist ein rechtliches oder tatsächliches Abschiebungshindernis nicht glaubhaft gemacht, insbesondere bestehen keine Zweifel an der Reisefähigkeit des Antragstellers (§ 60a Abs. 2c AufenthG).
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.
III.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die Erfolgsaussichten des Antragsverfahrens nach dem Vorstehenden nicht mehr offen sind.
Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Eyermann, a.a.O., Rn. 38).
Wie ausgeführt, sind die Anträge auf Duldung bzw. auf Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen unbegründet.

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