Aktenzeichen W 5 S 17.233
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art.35 S. 1
Leitsatz
1. Eine Regelung liegt nur dann vor, wenn die Maßnahme nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu bewirken. Bloßen Vorbereitungshandlungen einer Behörde kommt keine Regelungswirkung zu; sie schließen kein Verwaltungsverfahren ab, sondern bereiten einen Verwaltungsakt lediglich vor. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei befürchtetem Handeln durch Verwaltungsakt ist regelmäßig vorläufiger Rechtsschutz nicht vorbeugend erforderlich, er kann nach Erlass des Verwaltungsaktes ggf. über § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich ihrer Hundehaltung.
1. Nachdem wiederholt Beschwerden beim Veterinäramt des Landratsamts R.-G. eingegangen waren und die Antragstellerin dem Kontrollpersonal dieser Behörde in der Vergangenheit den Zutritt zu ihren Wohnräumen, in denen Hunde gehalten wurden, mehrfach verweigert hatte, erließ dieses unter dem 6. Februar 2017 (erneut) einen Bescheid, mit dem die Antragstellerin verpflichtet wurde, das Betreten ihrer Grundstücke, Gebäude und Wohnräume in 9 …, …straße … und …3 durch beauftragte Vertreter des Landratsamt R.-G. zu dulden.
Bei der am 8. Februar 2017 durchgeführten Kontrolle wurden – ausweislich des gefertigten Kontrollberichts – verschiedene Missstände bei der Ernährung und Pflege der Hunde sowie problematische Zustände bei deren Haltung und Unterbringung festgestellt.
Anlässlich der Kontrolle erklärte die Antragstellerin schriftlich, fünf der zwölf vorgefundenen und untersuchten Hunde freiwillig an das Veterinäramt abzugeben, was am 13. Februar 2017 erfolgte.
2. Mit Schreiben vom 23. Februar 2017 teilte das Landratsamt R.-G. der Antragstellerin mit, dass die am 8. Februar 2017 durchgeführte Kontrolle ihrer Hundehaltung ergeben habe, dass sie nicht den Vorschriften des Tierschutzgesetzes, insbesondere nicht der Tierschutz-Hundeverordnung entspreche. So seien die Hunde teilweise weder angemessen ernährt und gepflegt, noch verhaltensgerecht untergebracht. Deshalb würden weitere Maßnahmen als notwendig erachtet, so u.a. hinsichtlich der sieben gehaltenen Hunde Vorstellungen beim Tierarzt zwecks Abklärung von Durchfall oder Belägen in den Ohren, Sicherstellung der Fütterung in ausreichender Menge und Qualität, Kürzen der Krallen sowie Waschen mit geeignetem Shampoo. Des Weiteren wurde in dem Schreiben ausgeführt, dass beabsichtigt sei, gegen die Antragstellerin ein teilweises Hundehaltungs- und Betreuungsverbot zu erlassen. So solle durch die Haltung von höchstens drei Hunden eine tierschutzkonforme Hundehaltung hergestellt und dauerhaft gewährleistet werden. Von einem generellen Hundehaltungs- und Betreuungsverbot solle vorerst abgesehen werden. Dies geschehe jedoch nur unter der Voraussetzung der Kooperation und der Abgabe von vier, im Einzelnen namentlich bezeichneten Hunde an das Veterinäramt, die bis spätestens 10. März 2017 zu erfolgen habe. Gleichzeitig werde darauf hingewiesen, dass dieses Schreiben eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG darstelle und die Antragstellerin daher Gelegenheit erhalte, sich bis zum 3. März 2017 gegenüber dem Landratsamt R.-G. zu äußern. Sollten die vorstehenden Anordnungen bzw. die Abgabe der Hunde nicht fristgerecht erfolgen, müsse die Antragstellerin mit dem Erlass eines kostenpflichtigen Auflagenbescheids rechnen.
3. Am 6. März 2017 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Würzburg beantragen,
„Nach § 80 Abs. 5 VwGO (wird) der Antragsgegnerin (…) untersagt, die im Schreiben vom 23. Februar 2017 aufgeführten Tiere einzuziehen und/oder deren Abgabe anzuordnen“.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Die Antragstellerin solle bis 10. März 2017 mehrere Hunde abgeben. Mit Schreiben vom 23. Februar 2017 habe die Antragstellerin (gemeint ist wohl der Antragsgegner) bei einer Kontrolle angeblich Verstöße gegen die TierSchHuV festgestellt. Unter Fristsetzung einer unangemessen kurzen Frist (eine Woche) solle die Antragstellerin zu unsubstantiiert dargelegten Vorwürfen Stellung nehmen und ihr werde aufgegeben, binnen zwei Wochen, mithin bis zum 10. März 2017, insgesamt vier der angetroffenen sieben Hunde abzugeben. Diese vier Hunde stünden nicht im Eigentum der Antragstellerin, so dass der angeordneten Abgabe bereits sachenrechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Antragstellerin stelle derzeit alle Hunde einem Tierarzt vor. Seitens der Tierärzte habe es zu keinem Zeitpunkt etwas am Zustand der Hunde auszusetzen gegeben. Die Antragstellerin habe auf ihren Grundstücken ausreichend Platz, sieben Hunde zu halten. Die von der Antragsgegnerin angestrebte Reduzierung auf drei Tiere sei willkürlich. Im Ergebnis sei festzustellen, dass entweder keine konkreten Verstöße genannt würden, sondern lediglich unbewiesene Vermutungen oder die genannten Verstöße die beabsichtigten Maßnahmen nicht tragen würden.
4. Das Landratsamt R.-G. beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht: Nachdem der Antragsgegner bisher noch keinen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt erlassen habe, sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unstatthaft und somit unzulässig. Mit dem Schreiben vom 23. Februar 2017 sei die Antragstellerin aufgefordert worden, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Hunde sicherzustellen. Dazu gehöre auch die Notwendigkeit der Reduzierung auf drei Hunde. Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass es sich hierbei um eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG handele und sie mit einem Auflagenbescheid rechnen müsse, falls die Erledigung nicht fristgerecht erfolge.
5. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag kann unter jedem denkbaren rechtlichen Aspekt keinen Erfolg haben; er ist bereits unzulässig.
1. Der von dem rechtskundigen Bevollmächtigten der Antragstellerin explizit als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist bereits unzulässig, da es hierfür an einem – sofort vollziehbaren – Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG fehlt.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur dann statthaft, wenn ein (noch nicht bestandskräftiger) Verwaltungsakt vorliegt, der entweder kraft Gesetzes (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3) oder kraft behördlicher Vollzugsanordnung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4) sofort vollziehbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 80 Rn. 130).
1.1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist schon deshalb nicht statthaft, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Schreiben des Landratsamts R.-G. nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Maßgeblich für die Würdigung ist der objektive Sinngehalt der Erklärung oder des Verhaltens einer Behörde, der sich aus dem sogenannten Empfängerhorizont erschließt, also daraus, wie der Bürger diesen unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände verstehen darf und muss, wobei z.B. äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügen einer Rechtsmittelbelehrung und vergleichbare Gesichtspunkte mögliche – freilich nicht je für sich zwingende – Anhaltspunkte bieten können, ferner aber auch alle sonstigen bekannten oder erkennbaren Begleitumstände, die mit dem Vorgang in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen; Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1998 – 6 C 6/98 – BayVBl 1999, 411; unter Bezugnahme auf U.v. 26.4.1968 – 6 C 113.67 – BVerwGE 29, 310, 312; U.v. 12.1.1973 – 7 C 3.71 – BVerwGE 41, 305; U.v. 9.6.1975 – 6 C 163.73 – BVerwGE 48, 279; U.v. 17.10.1975 – 4 C 66.72 – BVerwGE 49, 244; U.v. 18.6.1980 – 6 C 55.79 – BVerwGE 60, 223).
Hiervon ausgehend ist nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände vorliegend nicht von einem Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG auszugehen, da es dem streitgegenständlichen Schreiben des Landratsamts R.-G. an der Regelungswirkung mangelt. Verwaltungsakte sind nur solche Maßnahmen einer Behörde, die eine „Regelung“ bezwecken. Das ist dann der Fall, wenn die Maßnahme nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu bewirken (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, Stand 1.1.2017, § 35 Rn. 139). Wesentlich ist dabei, dass der Verwaltungsakt auf eine unmittelbare, für den Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet ist, d.h. darauf, mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit der Bestandskraft fähiger Wirkung unmittelbar subjektive Rechte der Betroffenen zu begründen, zu konkretisieren und zu individualisieren, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen oder aber darauf, die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abzulehnen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 35 Rn. 88). Bloße Vorbereitungshandlungen einer Behörde kommt keine Regelungswirkung in diesem Sinne zu, sie schließen kein Verwaltungsverfahren ab, sondern bereiten einen Verwaltungsakt lediglich vor. Sie bestimmen daher auch nicht unmittelbar die subjektiv-öffentlichen Rechte der Betroffenen; der regelnde Verwaltungsakt muss hingegen das Verfahren beenden (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, § 35 Rn. 139).
So lässt sich dem Schreiben des Landratsamts R.-G. vom 23. Februar 2017 schon kein verpflichtender Charakter entnehmen, wenn dort lediglich bestimmte Maßnahmen für notwendig erachtet werden („werden … als notwendig erachtet“), deren Nichtbefolgung keine Rechtsfolgen auslöst, sondern ausschließlich die Ankündigung eines Verwaltungsaktes („ist beabsichtigt, gegen Sie ein teilweises Hundehaltungs- und Betreuungsverbot zu erlassen“). Wenn in der Folge darauf hingewiesen wird, dass die Antragstellerin dann – nämlich im Falle der nicht freiwilligen Durchführung der für notwendig erachteten Maßnahmen durch die Antragstellerin – mit dem „Erlass eines kostenpflichtigen Auflagenbescheides rechnen“ müsse, ist aus dieser Gegenüberstellung zwischen der formlosen Aufforderung einerseits und dem förmlichen Bescheid andererseits für den Empfänger klar erkennbar, dass es sich bei ersterer nicht um eine Regelung handelt, die Rechtsfolgen auslöst und die auch nicht selbständig vollstreckbar ist. Darüber hinaus sprechen hier auch weitere Anhaltspunkte wie der Verzicht auf eine Rechtsbehelfsbelehrung:und die äußere Form gegen einen Verwaltungsakt. Schließlich erfolgt im letzten Absatz des Schreibens der eindeutige Hinweis, „dass dieses Schreiben eine Anhörung nach Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) darstellt“, und dass die Antragstellerin „daher Gelegenheit (erhält), sich bis zum 03.03.2017 gegenüber dem Landratsamt R.-G. zu äußern“. Zusammen mit der dann nachfolgenden Textpassage, dass mit dem Erlass eines kostenpflichtigen Auflagenbescheides gerechnet werden müsse, ist hierdurch für den Empfänger klar, dass es sich bei dem Schreiben lediglich um eine Anhörung handelt und ein Verwaltungsakt (gegebenenfalls) erst noch ergehen wird.
1.2. Selbst wenn man vorliegend von einer Verwaltungsakts-Qualität des Schreibens des Landratsamts R.-G. vom 23. Februar 2017 ausgehen würde, was nach den obigen Ausführungen aus zu scheiden hat, ist diesem Schreiben und auch dem sonstigen Akteninhalt nichts dafür zu entnehmen, dass von dem Antragsgegner die sofortige Vollziehung angeordnet worden wäre. Auch ist nichts dafür erkennbar, dass ein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 VwGO gegeben wäre.
2. Der Antrag kann auch als ein solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO keinen Erfolg haben.
Wenn man den Antrag in der Richtung auslegen wollte, dass damit der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, keinen Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem bestimmte Maßnahmen im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin gehaltenen Hunden angeordnet werde sollen, wie bspw. die Abgabe aller oder einzelner Hunde, ist ein solcher Antrag schon nicht statthaft. Bei einem Begehren um vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz ist zu beachten, dass bei befürchtetem Handeln durch Verwaltungsakt regelmäßig vorläufiger Rechtsschutz nicht vorbeugend erforderlich ist, sondern nach Erlass des Verwaltungsakts gegebenenfalls über § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 36 unter Verweis auf die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts). Dafür, dass der Rechtsschutz – nach Erlass eines Verwaltungsakts – über § 80 Abs. 5 VwGO nicht möglich oder nicht ausreichen sollte, um wesentliche Nachteile abzuwenden, ist vorliegend nichts ersichtlich.
3. Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013). Für das vorliegende Sofortverfahren war der Streitwert um die Hälfte zu reduzieren (vgl. Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs).