Verwaltungsrecht

Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet – Versagung des Flüchtlingsstatus eines malischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 21 K 16.35542

Datum:
10.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 3, § 30, § 77 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil des Gerichts im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG BeckRS 2007, 20179 mwN). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG BeckRS 2008, 41129 mwN). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags dann anzunehmen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist oder offenkundig den Tatsachen nicht entspricht. Dies ist vorliegend der Fall.
Das Gericht schenkt dem Vorbringen des Klägers, wonach sein in Kidal lebender Vater versucht habe, ihn für die dort aktive Tuareg zu rekrutieren, keinen Glauben. So konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel darstellen, dass sein Vater dreimal im Monat einen Weg von 1600 km, was eine 29-stündige Autoreise bedeutet, auf sich nimmt, um Kontakt zum Kläger zu halten. Auch dass die Rebellen den Vater des Klägers dabei begleitet haben und so den Kläger wieder erkennen würden, glaubt das Gericht angesichts der großen Entfernung und des sich hieraus ergebenden Zeitaufwands der Reise nicht. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers, sein Vater habe ihn für die Tuareg rekrutieren wollen, also als wahr unterstellt, ist eine aktuelle Bedrohung des Klägers insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vater des Klägers verstorben ist, nicht im Ansatz plausibel. Selbst wenn der Vater von der Weigerung des Klägers berichtet hätte, hätten die Rebellen selbst dann, wenn sie – entgegen der Erkenntnislage – über das ganze Land verteilt wären und überall ihre Spione hätten, keine Chance, den Kläger wiederzuerkennen.
Der Vortrag des Klägers im Klageverfahren, er habe sich nunmehr dem Christentum zugewandt, was weiter Gefahr erhöhend wirke, ist ebenfalls nicht glaubhaft. Bei seiner informatorischen Anhörung durch das Gericht hat der Kläger deutlich gemacht, dass er jedenfalls kein praktizierender Christ ist. Er schätze lediglich den friedlichen Aspekt des Christentums. Auf die Frage seiner Bevollmächtigten, ob er eine Religion praktiziere, erklärte er lediglich, er würde sich für das Christentum entscheiden, wenn er eine Wahl treffen müsse.
Insgesamt ist das Vorbringen des Klägers derart widersprüchlich, dass es insgesamt vollumfänglich unglaubhaft erscheint und eine Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG unumgänglich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieses Urteil ist unanfechtbar.

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