Verwaltungsrecht

Adressat eines Baumängelbescheides

Aktenzeichen  RN 12 K 16.345

Datum:
19.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 54 Abs. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

Für bauaufsichtliche Anordnungen sind die sicherheitsrechtlichen Grundsätze der Störerauswahl zu berücksichtigen, wonach grundsätzlich zunächst der „Doppelstörer“, also die Person, die Handlungs- und Zustandsstörer zugleich ist, und im Übrigen der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer heranzuziehen ist. Zustandsstörer ist dabei der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache, deren Verhalten oder Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 4.2.2016 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 4.2.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), weil dieser nicht richtiger Adressat des vom Beklagten erlassenen Mängelbescheids ist.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Landratsamt … den Mängelbescheid auf die im Rahmen von Art. 54 Abs. 2 BayBO erfolgende allgemeine Bauüberwachung oder auf Art. 54 Abs. 4 BayBO stützen kann. In beiden Fällen wäre nämlich die … GmbH richtiger Adressat einer behördlichen Anordnung.
Erlässt die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des Art. 54 BayBO Anordnungen, so hat sie die sicherheitsrechtlichen Grundsätze der Störerauswahl zu berücksichtigen, wonach grundsätzlich zunächst der „Doppelstörer“, also die Person, die Handlungs- und Zustandsstörer zugleich ist, und im Übrigen der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer heranzuziehen ist (Vgl. Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54, Rn. 110).
Vorliegend knüpft die vom Beklagten getroffene Anordnung an die Nichterfüllung der im Bescheid vom 23.8.1982 verfügten Auflagen an. Insoweit war zunächst der damalige Adressat der Baugenehmigung, nämlich die F. zum Handeln, nämlich zur Erfüllung der Auflagen verpflichtet. Soweit dieser Adressat seine Rechtspflicht zum Handeln rechtswidrig nicht erfüllt hat, konnte zunächst er als Handlungsstörer angesehen werden. Da allerdings durch die mit notariellem Vertrag vom 5.7.1990 erfolgte Eigentumsübertragung der frühere Eigentümer nicht mehr zur Erfüllung der Auflagen auf einem nunmehr fremden Grundstück berechtigt war, scheidet seine Inanspruchnahme vorliegend aus, so dass für eine Erfüllung der Auflagen nur noch der Zustandsstörer herangezogen werden konnte.
Zustandsstörer ist dabei der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache, deren Verhalten oder Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist (Decker in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76, Rn. 166). Nach diesen Grundsätzen konnte vorliegend entweder die … GmbH als im Grundbuch eingetragene Eigentümerin oder der jeweilige Pächter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt als Zustandsstörer herangezogen werden. Im zweiten Fall hätte es allerdings zusätzlich einer Duldungsanordnung gegenüber der … GmbH als Eigentümerin bedurft. Im Übrigen ist auch weder von der Beklagtenseite vorgetragen noch sonst anzunehmen, dass der Kläger persönlich Pächter des streitgegenständlichen Grundstücks gewesen wäre.
Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf die Rechtsgrundlage aus Art. 54 Abs. 4 BayBO abstellt, wonach bei bestandsgeschützten Anlagen nachträgliche Anforderungen gestellt werden können, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig ist. Zum einen kommt ein Rückgriff auf Art. 54 Abs. 4 BayBO nur in Betracht, soweit nicht die jeweilige Verpflichtung bereits bestandskräftig im Bescheid vom 23.8.1982 verfügt wurde, was für die meisten Anordnungen der Fall sein dürfte. Zum anderen wäre auch insoweit wieder der Eigentümer, also die … GmbH, als Eigentümerin und damit Zustandsstörerin in Anspruch zu nehmen gewesen.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger persönlich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde als Bauherr bzw. als der maßgeblich Verantwortliche aufgetreten wäre und ein Hinweis auf die Verantwortlichkeit anderer Personen für den baurechtswidrigen Zustand unterblieben wäre. Zwar ist in diesen Fällen anerkannt, dass es nicht ermessenfehlerhaft ist, wenn die Behörde eine Anordnung gegen denjenigen richtet, der sich immer wieder als der maßgeblich Verfügungsberechtigte oder wirtschaftlich Verantwortliche geriert hat. Das hat der Kläger im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht getan. Vielmehr ist sowohl 1993 und 1995 als auch 2013 gegenüber dem Landratsamt stets die … GmbH in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin aufgetreten, während der Kläger – soweit er selbst tätig wurde – Schreiben jeweils mit dem Zusatz „Geschäftsführer“ unterzeichnete. Umgekehrt richtete ausweislich der Behördenakten auch das Landratsamt … seinerseits in den Jahren 1993 und 1995 Schreiben nicht an den Kläger, sondern an die … GmbH. Da auf die in den Jahren 2013 an den Landrat bzw. das Landratsamt … gerichteten Schreiben der … GmbH keine Antwort mehr erfolgte, enthielt – soweit aus den vorgelegten Akten ersichtlich – der mit dieser Klage angefochtene Bescheid erstmals eine Adressierung an den Kläger persönlich.
Anders als die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist in diesem Zusammenhang ohne jeden Belang, dass nach Erlass des Mängelbescheids vom 4.2.2016 der Kläger persönlich, unter anderem als Kläger im vorliegenden Verfahren, bzw. die Tochter des Klägers in Vertretung für ihren Vater aufgetreten ist. Denn zum einen hätte die … GmbH gar nicht einen nicht an sie gerichteten Bescheid angreifen können, da sie insoweit nicht klagebefugt gewesen wäre. Zum anderen ist im Rahmen einer Anfechtungsklage maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Aus dem gleichen Grund bleibt auch irrelevant, dass sich der Kläger im vorliegenden Verfahren auch zum Inhalt der ihm gegenüber geltend gemachten Mängel eingelassen hat.
Schließlich geht auch die Argumentation der Beklagtenseite fehl, eigentlicher Adressat des Bescheids sei letztlich die … GmbH gewesen. Eine derartige Auslegung wäre allenfalls dann möglich, wenn ein entsprechender Wille des Landratsamts im Bescheid vom 4.2.2016 seinen Niederschlag gefunden hätte. Vorliegend enthalten jedoch weder Tenor noch Begründung des Bescheids auch nur den geringsten Hinweis auf die GmbH oder die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer, sondern richten sich ausschließlich an den Kläger persönlich.
Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger sei aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der GmbH persönlich zum Handeln verpflichtet, wozu seitens des Beklagten keinerlei Überlegungen vorgetragen wurden, wäre in der hier beschriebenen Konstellation die Störerauswahl, den Kläger persönlich heranzuziehen, als ermessenfehlerhaft anzusehen.
II.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

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