Aktenzeichen W 5 S 17.31216
Leitsatz
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan gewährleistet zwar grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung; diese umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage W 5 K 17.31203 gegen den Bescheid des Bundesamts für … vom 22. Februar 2017 wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der angedrohten Abschiebung in sein Herkunftsland, nachdem sein Asylverfahren zum zweiten Mal wegen Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt wurde.
1. Der Antragsteller, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit, reiste am 23. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. Juni 2016 beim Bundesamt für … (Bundesamt) einen Asylantrag. Mit Schreiben des Bundesamts vom 3. November 2016, gerichtet an seinen damaligen Bevollmächtigten und diesem zugestellt am 7. November 2016, wurde der Antragsteller für den 22. November 2016 zur persönlichen Anhörung geladen, zu der er nicht erschien.
Mit Bescheid vom 25. November 2016 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und stellte das Asylverfahren ein (Nr. 1). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Gegen den Bescheid, der am 28. November 2016 zur Post gegeben worden war, ließ der Antragsteller am 14. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben (W 5 K 16.32503), über die noch nicht entschieden ist.
Am 15. Dezember 2016 stellte der Antragsteller beim Bundesamt einen neuen Asylantrag, der als Fortführungsantrag nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG behandelt wurde (vgl. Aktenvermerk, Bl. 36 der Bundesamtsakte). Mit Schreiben vom 25. Januar 2017, gerichtet an seinen damaligen Bevollmächtigten und diesem zugestellt am 27. Januar 2017, wurde der Antragsteller für den 6. Februar 2017 zur persönlichen Anhörung geladen, zu der er nicht erschien.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 hob das Bundesamt den Bescheid vom 25. November 2016 auf und zwar mit der Begründung, dass der neue Antrag vom 15. Dezember 2016 als Fortführungsantrag gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG anzusehen sei und demzufolge die Prüfung des Verfahrens in dem Verfahrensabschnitt wiederaufgenommen werde, in dem es eingestellt worden sei.
2. Mit weiterem Bescheid vom 22. Februar 2017 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und stellte das Asylverfahren ein (Nr. 1). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung in sein Herkunftsland aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller ohne genügende Entschuldigung nicht zum Anhörungstermin erschienen sei, so dass nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu vermuten sei, dass er das Verfahren nicht betreibe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Bereits das augenscheinliche Desinteresse an der Weiterführung des Asylverfahrens als auch die ungeklärte Staatsangehörigkeit ließen drohende Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Heimatland zweifelhaft erscheinen.
3. Gegen diesen Bescheid, der am 1. März 2017 zur Post gegeben wurde, ließ der Antragsteller durch seine jetzige Bevollmächtigte im Verfahren W 5 K 17.31203 am 15. März 2017 Klage erheben und am 16. März 2017 im vorliegenden Verfahren gleichzeitig beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für … vom 22. Februar 2017 anzuordnen.
Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen vorbringen: Bereits die Ladung zum ersten Anhörungstermin sei dem Antragsteller erst nach Ablauf des Termins zugegangen. Auch die Ladung zu dem Termin vom 6. Februar 2017 sei dem Antragsteller verspätet zugegangen, nämlich erst am 8. Februar 2017. Sie sei mit Schreiben des früheren Bevollmächtigten des Antragstellers vom 30. Januar 2017 an den Antragsteller weitergeleitet worden. Ausweislich des beigefügten Briefumschlags sei dieser allerdings erst am 8. Februar 2017 von der Deutschen Post abgestempelt worden und sei dem Antragsteller erst am 9. Februar 2017 zugestellt worden. Den Antragsteller, der unbedingt die Anhörung habe wahrnehmen wollen, treffe selbst kein Verschulden an dem Fernbleiben zum Termin. Auch aus einer Korrespondenz der Caritas Kitzingen mit dem Bundesamt lasse sich entnehmen, dass der Antragsteller sein Verfahren weiterbetreiben möchte. Zudem lägen beim Antragsteller Abschiebungsverbote vor, denn er sei zum christlichen Glauben konvertiert. Da Christen in Afghanistan regelmäßig verfolgt würden, bestehe im Falle einer Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Antragstellers. Beigefügt war der Antragsschrift eine Taufbescheinigung für den Antragsteller, ausgestellt von der dem Bauhaus e.V. Kitzingen sowie eine Bestätigung dieser freikirchlichen Vereinigung hinsichtlich der christlichen Aktivitäten des Antragstellers.
4. Das Bundesamt äußerte sich nicht.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 5 K 17.31203 und der Akte W 5 K 16.32503) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG) gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts vom 22. Februar 2017 anzuordnen, hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz richtet sich auf eine Klage, die fristgemäß innerhalb der gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zweiwochenfrist erhoben wurde (vgl. VG Berlin, B.v. 19.8.2016 – 6 L 417.16 A; VG Köln, B.v. 12.7.2016 – 3 L 1544/16.A – beide juris). Die auf eine Woche verkürzte Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gilt im vorliegenden Fall nicht; der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht innerhalb einer Woche zu stellen, da es für die Einstellung des Verfahrens an einer § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG und § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG entsprechenden Regelung fehlt (vgl. VG Minden, B.v. 26.7.2016 – 10 L 1078/16.A – juris).
Es besteht vorliegend auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers.
Hinsichtlich der erstmaligen Einstellung des Asylverfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG ist umstritten, ob der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG eine einfachere und effektivere Möglichkeit zur Realisierung des Rechtsschutzes darstellt (bejahend u.a. VG Würzburg, B.v. 22.3.2017 – W 5 S. 17.31205; B.v. 10.2.2017 – W 6 S. 17.30513; VG Ansbach, B.v. 14.11.2016 – AN 4 S. 16.31794 – juris; a.A. z. B. VG Augsburg, B.v. 12.1.2017 – Au 5 S. 17.30077 – juris; siehe auch Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, 13. Edition, Stand: 11.2.2017, § 33 AsylG Rn. 40 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um eine erstmalige Einstellung, sondern um eine zweite Einstellung. Bei dieser kann der Antragsteller jedenfalls nicht auf das Wiederaufnahmeverfahren (§ 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG) verwiesen werden, mit der Folge, dass das Bundesamt die Prüfung in dem Verfahrensabschnitt wieder aufnimmt, in dem es eingestellt wurde (§ 33 Abs. 5 Satz 5 AsylG). Vielmehr ist das Asylverfahren nach § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG abweichend hiervon nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag (Wiederaufnahmeantrag bzw. Asylantrag nach Satz 2 bzw. 4) als Folgeantrag (§ 71 AsylG) zu behandeln, wenn das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war, mithin das Verfahren zum zweiten Mal eingestellt wurde. Der Antragsteller kann in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen, die für die Stellung eines Asylfolgeantrags gelten, die erneute Prüfung eines Asylbegehrens verlangen. Da hier der Verweis auf das Wiederaufnahmeverfahren auf jeden Fall ausscheidet, stellt sich die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses nicht (vgl. Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, § 33 AsylG Rn. 41)
2. Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des vorliegend aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG folgenden gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ist die Klage in der Hauptsache im Rahmen einer summarischen Prüfung offensichtlich erfolgreich, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides bestehen. Andererseits kann der Antragsteller kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Rechtslage geboten, aber auch ausreichend.
Der Maßstab des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, nach dem die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, ist vorliegend nicht anwendbar. Denn § 36 AsylG gilt ausweislich seiner amtlichen Überschrift nur bei Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und bei offensichtlicher Unbegründetheit, nicht jedoch im Fall der vorliegenden Einstellung nach § 33 AsylG. § 38 Abs. 2 AsylG hingegen enthält keine § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG entsprechende Regelung (vgl. VG Minden, B.v. 26.7.2016 – 10 L 1078/16.A – juris).
Unter Berücksichtigung der vg. Grundsätze überwiegt vorliegend das Suspensivinteresse des Antragstellers das behördliche Vollzugsinteresse. Denn die angegriffene Abschiebungsandrohung wie auch die Ausreiseaufforderung des Bundesamts ist bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Denn es spricht nach summarischer Prüfung einiges dafür, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG wohl nicht vorliegen.
2.1. Allerdings hat das Bundesamt – jedenfalls nach summarischer Prüfung – wohl zu Recht in Nr. 1 des Bescheids vom 22. Februar 2017 die Einstellung des Asylverfahrens des Antragstellers wegen Nichtbetreibens nach § 33 AsylG ausgesprochen.
Gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt das Asylverfahren ein, wenn der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG als zurückgenommen gilt, weil der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist und nicht unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte.
Nach summarischer Prüfung muss hier das Gericht davon ausgehen, dass der Antragsteller weder im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen zur Anhörung am 22. November 2016 noch zur Anhörung am 6. Februar 2017 (unverzüglich) nachgewiesen hat, dass das jeweilige Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Unerlässliche Voraussetzung für § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG ist immer, dass der Ausländer ordnungsgemäß geladen wurde, was vorliegend geschehen ist. Zu beiden Anhörungsterminen hat der (damalige) Bevollmächtigte des Antragstellers eine Ladung erhalten. Hinsichtlich der ersten Ladung wurden von Antragstellerseite keinerlei Umstände vorgetragen, die ihn hinsichtlich des Nichterscheinens entlasten könnten. Hinsichtlich der zweiten Anhörung lässt er vortragen, dass sein damaliger Bevollmächtigter die Ladung rechtzeitig erhalten, sie ihm aber verspätet weitergeleitet habe. Dies kann den Antragsteller nicht entlasten, vielmehr muss er sich ein etwaiges Verschulden seines Bevollmächtigten nach allgemeinen Grundsätzen zurechnen lassen. Denn die Formulierung „keinen Einfluss hatte“ ist nämlich nicht anders gemeint als „mangelndes Verschulden“ (GK-AsylG, Stand Juli 2016, § 33 Rn. 61). Dafür, dass sich der frühere Bevollmächtigte des Antragstellers exkulpieren könnte, ist weder etwas vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
2.2. Anders als das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, kommt nach summarischer Prüfung hier allerdings das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Auslän-ders in einen anderen Staat abgesehen werden‚ wenn dort für diesen Aus-länder eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib‚ Leben oder Freiheit besteht.
Vorliegend beruft sich der Antragsteller auf eine Konversion zum Christentum, die er durch die vorgelegte Taufurkunde und ein Begleitschreiben belegen möchte und eine daraus folgende Gefährdung für Leib und Leben bei einer Rückkehr ins Heimatland.
Hierzu hat das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Urteil vom 26. April 2016 – W 1 K 16.30268 – ausgeführt:
„Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand November 2015, S. 11; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg v. 22.12.2004 Az. 508-516.80/43288; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – die aktuelle Sicherheitslage, September 2015, S. 19). Im Fall des Wechsels vom Islam zu einer anderen Religion kommt Scharia-Recht zur Anwendung. Der Abfall vom Islam, d.h. die sogenannte Apostasie, wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Die Todesstrafe wegen Konversion wurde zwar nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes bisher nie vollstreckt (Lagebericht am a.a.O., S. 12). Konvertiten drohen jedoch Gefahren oft auch aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld, da der Abfall vom Islam in der streng muslimisch geprägten Gesellschaft als Schande für die Familienehre angesehen wird (Lagebericht a.a.O.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, zusammenfassende Übersetzung vom 24.3.2011, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – die aktuelle Sicherheitslage, September 2015, S. 19; Internationale Gesellschaft für Menschenrechte – IGFM, Situation christlicher Konvertiten in Afghanistan – Stellungnahme vom 27.2.2008, S. 1, 8. ff.; Dr. M. D., Gutachten vom 13.5.2004 an das VG Braunschweig, S. 1 ff.). Nach den in Afghanistan vorherrschenden (sunnitischen und schiitischen) Rechtsschulen muss ein vom Islam Abgefallener zur Reue aufgefordert werden. Der Betroffene hat dann drei Tage Bedenkzeit. Widerruft er bis dahin seinen Glaubenswechsel nicht, so ist sein Leben nach islamischer Rechtsauffassung verwirkt (IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 8; UNHCR-Richtlinien 2011, S. 6). Konvertierte Moslems sind in Afghanistan daher für den Fall, dass sie ihren Glauben nicht ablegen bzw. nicht verleugnen wollen und zur Wahrung des äußeren muslimischen Anscheins an muslimischen Riten, wie dem fünfmal täglichen Gebet, den Moscheebesuch oder islamischen Feierlichkeiten sich entziehen wollen, der Gefahr erheblicher Repressalien auch im privaten Umfeld bis hin zu Ehrenmorden ausgesetzt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.12.2004, S. 2; UNHCR-Richtlinien 2011, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 19; IGFM a.a.O. S. 5, 8 f.; Dr. D. a.a.O., S. 1 f., 3 ff.). Dies gilt nach der Überzeugung des Gerichts entsprechend für vom Glauben abgefallene, aber nicht zum Christentum konvertierte Muslime, weil der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Verfolgungsmaßnahmen nicht die Hinwendung zum Christentum ist, sondern die Apostasie, d.h. der Abfall vom muslimischen Glauben (vgl. VG Magdeburg, U.v. 30.9.2014 – 5 A 193/13 MD – juris).“
Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen an, zumal auch aus den neueren Erkenntnismitteln sich nichts Abweichendes ergibt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand September 2016, S. 10).
Die Prüfung, ob der Antragsteller eine ernsthafte und glaubhafte Annahme des christlichen Glauben vollzogen hat und er aufgrund der Ablehnung der Teilnahme an religiösen islamischen Riten in seinem Herkunftsland daher bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Da somit im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots in sein Herkunftsland vorliegen, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).