Verwaltungsrecht

Albanien ist sicherer Herkunftsstaat – Erfolgloses Asylfolgeverfahren

Aktenzeichen  M 10 S 16.30805

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a Abs. 1, Abs. 2
GG GG Art. 16a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Gegen die Einstufung Albaniens als sicheren Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG Berlin BeckRS 2016, 40628; VG München BeckRS 2016, 54312). (redaktioneller Leitsatz)
Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, von Dritten verfolgte Staatsangehörige zu schützen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 23. Februar 2015 gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 20. März 2015 stellte er einen Asylfolgeantrag.
Bereits im Jahr 2007 hatte der Antragsteller einen Asylantrag (Az.: …) gestellt, der mit Bescheid vom 28. August 2007 abgelehnt wurde.
Bei seiner informatorischen Anhörung am 27. April 2015 in … gab er im Wesentlichen an, er sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen. Die Situation in Albanien sei schlecht. Er sei seit dem Jahr 2011 arbeitslos und hätte auch nicht in einer anderen Region in Albanien leben können, weil er in seinem Heimatdorf sein Haus habe und keine Beziehungen, um in einer anderen Stadt Arbeit zu finden. Es sei aber nicht sein eigenes Haus, sondern das seiner Eltern. Wenn sein Vater es so beschließen würde, müsste er ausziehen.
Mit Schreiben vom 10. August 2015 führte der Antragsteller noch aus, dass ihm in seinem Land gedroht werde und er dort als Zeuge gesucht werde. Ihm sei gedroht worden, dass er, sollte er zu diesem Verfahren erscheinen, jemand aus seiner Familie getötet werde. Dieses Vorbringen wiederholte er mit weiterem Schreiben vom 11. August 2016.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 6. April 2016 gab er im Wesentlichen an, dass er eine Ausbildung als Elektriker und Schweißer absolviert habe und vor seiner Ausreise nach Deutschland in Mazedonien als Holzfäller gearbeitet habe. Ansonsten verweise er auf seinen Vortrag in seiner Anhörung in …
Mit Bescheid vom 6. April 2016, dem Antragsteller zugestellt am 14. April 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2 des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4 des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise binnen Wochenfrist aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien vorliegend gegeben. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen jedoch offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Er mache auch keine staatliche Verfolgung geltend. Vielmehr habe er selber eingeräumt, aus wirtschaftlichen Motiven sein Heimatland verlassen zu haben, was keinen asylrechtlich relevanten Schutzanspruch begründe. Vor diesem Hintergrund sei auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar. Der Antragsteller kehre in sein Heimatland zurück, in dem sein Familienverband nach wie vor lebe. Er sei im erwerbsfähigen Alter und verfüge im Gegensatz zu vielen anderen Bewohnern des Landes über eine Berufsausbildung, die ihn in die Lage versetzen sollte, das Auskommen für sich und seine Familie zu bestreiten. Auf die weiteren Einzelheiten der Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Am 18. April 2016 hat der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 6. April 2016 Klage erhoben (Az. M 10 K 16.30804).
Gleichzeitig wird im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass er bei einer Rückkehr nach Albanien um sein Leben fürchten müsse. Er verweist auf die beigefügten Schreiben der Evang.-Luth. Kirchengemeinde … vom 19. Dezember 2015 sowie der Ärztin …, Zentrum für Allgemeinmedizin … vom 23. Dezember 2015, demzufolge die Ehefrau des Antragstellers unter schweren Ängsten und Depressionen nach den Bedrohungen für das Leben der Familie in Albanien leide. Bei seiner Anhörung am 27. April 2015 habe er nur kurze Antworten gegeben, aus Angst nicht frei sprechen zu können. Bei seiner Anhörung am 6. April 2016 habe er nicht gewusst, dass er nochmals Fragen hätte beantworten können.
Die Antragsgegnerin übersandte am 27. April 2016 die Behördenakte und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der nach § 88 VwGO auszulegende, zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung gegen die im streitgegenständlichen Bescheid vom 6. April 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Gemäß Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris Rn. 15).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidung bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand erscheint es als offensichtlich, dass dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht zusteht.
Das Gericht folgt den Feststellungen sowie der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil der Antragsteller auf dem Landweg und damit aus einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers weiterhin nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Albanien ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG Berlin, B. v. 22.12.2015 – 33 L 357.15 A – juris Rn. 13 ff.; VG München, B. v. 1.3.2016 – M 17 S 16.30322). Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar.
Vielmehr handelt es sich, den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt, nicht um eine Verfolgung wegen asylerheblicher Merkmale, sondern um eine Bedrohung durch Dritte. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, von Dritten verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls steht ihnen bei einer Rückkehr in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz zur Verfügung (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand Mai 2015 vom 10. Juni 2015). Darüber hinaus sind die Schilderungen des Antragstellers in sich widersprüchlich. Zunächst hatte er angegeben, die Familie sei aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet. Im Schreiben vom 10. August 2015 führte er dann aus, dass er in Albanien als Zeuge für ein Strafverfahren gesucht werde. Ihm sei gedroht worden, dass er, sollte er zu diesem Verfahren erscheinen, jemand aus seiner Familie getötet werde. In dem seiner Antragsschrift beigefügten Schreiben eines Pfarrers wird der Sachverhalt dagegen so dargestellt, als habe der Antragsteller bereits als Zeuge in einem Verfahren wegen Kindesentführung ausgesagt, woraufhin der Täter verurteilt worden sei. Dem Antragsteller sei daraufhin gedroht worden. Hierzu wird auch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. April 2016 (Az.: M 17 S 16.30702) verwiesen, mit dem die Eilanträge gegen den ablehnenden Bescheid der Ehefrau und des Sohnes des Antragstellers bereits abgelehnt worden sind.
Eine Ablehnung des Schutzantrages als offensichtlich unbegründet ist damit nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden; denn wie ausgeführt kann der Antragsteller jedenfalls ausreichenden internen Schutz in Albanien vorfinden (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3d, § 3e AsylG).
Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind solche hier nicht ersichtlich bzw. nicht dargetan. Eventuelle Erkrankungen der Ehefrau können im Asylverfahren des Antragstellers nicht geltend gemacht werden.
Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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