Aktenzeichen 3 ZB 16.1968
Anlage 1 zur BKV Nr. 2402, Nr. 5102, Nr. 5103
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3
Leitsatz
Im Jahr 2011 diagnostizierter, durch natürliche UV-Strahlung auf Grund der besonderen beruflichen Exposition eines Hubschrauberpiloten ausgelöster Hautkrebs kann nicht nach der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) in der Fassung von 2009 und damit als Dienstunfall (Art. 46 Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG) anerkannt werden. Soweit die Anlage 1 zur BKV in der am 1.1.2015 in Kraft getretenen Fassung nunmehr auch Erkrankungen durch natürliche UV-Strahlung umfasst, kommt eine rückwirkende Anwendung nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 12 K 16.160 2016-06-16 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000…. € festgesetzt.
Gründe
Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Anerkennung der Diagnose „Hautkrebs“ als Berufskrankheit i.S.d. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG zu Recht abgewiesen, weil diese Erkrankung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Diagnose beim Kläger 2011 nicht in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – BKV – vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) in der hierfür maßgeblichen Fassung vom 1. Juli 2009 (BGBl I S. 1273) – BKV 2009 – enthalten war und die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Änderung der Anlage 1 zur BKV (BGBl I S. 2397) – BKV 2015 – hierauf noch keine Anwendung findet. Der Kläger, der als Polizeihauptkommissar (BesGr A 12) als Pilot bei der Polizeihubschrauberstaffel Bayern im Dienst des Beklagten steht und bei dem 2011 ein Basalkarzinom der Nase festgestellt und operiert wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass diese Erkrankung, die der Kläger erstmals mit Schreiben vom 31. Dezember 2014, beim Landesamt für Finanzen eingegangen am 5. Januar 2015, dem Dienstherrn angezeigt hat, als Dienstunfall anerkannt wird.
1.1 Das Verwaltungsgericht ist – unabhängig davon, ob die Berufskrankheit noch rechtzeitig innerhalb der Zweijahresfrist des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG geltend gemacht wurde – rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der 2011 diagnostizierte Hautkrebs, der laut Attest seiner Hautärztin vom 14. Juni 2016 auf einer besonderen beruflichen Exposition des Klägers bei Hubschraubereinsätzen im Gebirge durch die natürliche UV-Strahlung beruht, keine Berufskrankheit i.S.d. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG darstellt. Danach gilt als Dienstunfall auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit, wenn der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass er sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat.
Die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung unterfällt weder Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKV 2009 (Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe), noch Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV 2009 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen). Das natürliche UV-Licht stellt schon deshalb keinen „ähnlichen Stoff“ i.S.d. Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKV 2009 dar, weil es sich bei Strahlung um keinen Feststoff handelt (OVG NRW, B.v. 22.10.2014 – 1 A 1901/14 – juris Rn. 7). Ebenso wenig handelt es sich bei der UV-Strahlung um eine ionisierende Strahlung (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 20); zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen und Nachweise dazu im Urteil (UA S. 20 f.) Bezug genommen. Im Übrigen zeigt die Aufnahme einer neuen Nr. 5103 der Anlage 1 zur BKV 2015 (Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung), dass UV-Strahlung von Nr. 2402 nicht erfasst ist.
Der Kläger kann sich insoweit aber auch nicht auf Nr. 5103 der Anlage 1 zur BKV 2015 berufen, da diese erst am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Eine Erkrankung kann nur dann nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG als Dienstunfall anerkannt werden, wenn die Krankheit zur Zeit der Erkrankung in die Anlage 1 aufgenommen war. Eine spätere Aufnahme genügt nicht. Durch die spätere Aufnahme wird die in der Vergangenheit aufgetretene Erkrankung auch nicht rückwirkend als Dienstunfall fingiert; § 6 Abs. 1 BKV 2015 findet hierauf keine (entsprechende) Anwendung (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 46.13 – juris Rn. 9). Dies verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BVerwG a.a.O. Rn. 11).
1.2 Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils. Der Kläger wiederholt insoweit lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen, ohne sich substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen.
Soweit der Kläger behauptet, entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts seien auch Strahlungspartikel der UV-Strahlung als „ähnliche Stoffe“ i.S.d. Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKV 2009 anzusehen, legt er nicht ansatzweise dar, woraus sich dies ergeben sollte; auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die durch die Vorschiften des Dienstunfallrechts näher konkretisiert wird, gebietet keine weite Auslegung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus. Gleiches gilt für die unbelegte Behauptung, bei der UV-Strahlung handle es sich um eine Form der ionisierenden Strahlung i.S.d. Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV 2009. Auch die Mutmaßung, eine Filterung der UV-Strahlung sei im Hinblick auf die Veränderungen der atmosphärischen Schichten im Zuge des Klimawandels nicht gesichert, vermag die durch zahlreiche Nachweise gestützte gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu widerlegen.
Soweit der Kläger meint, die Fürsorgepflicht gebiete es, die Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen, weil er den Antrag auf Anerkennung lediglich einen Tag vor Inkrafttreten der Nr. 5103 der Anlage 1 zur BKV 2015 zum 1. Januar 2015 gestellt habe, erschließt sich dem Senat nicht, warum aus diesem Grund eine rückwirkende Anerkennung der bereits 2011 diagnostizierten Krebserkrankung entgegen der oben zitierten Rechtsprechung zulässig sein sollte. Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf § 6 Abs. 1 BKV 2015 berufen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O.). Daran ändert auch eine etwaige Aufklärungspflicht des Dienstherrn über mögliche Risiken bei Hubschrauberflügen nichts.
2. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).