Aktenzeichen Au 3 K 18.30428
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1. Das Gericht war nicht verpflichtet, auf den Vertagungsantrag des Klägers hin den Termin zur mündlichen Verhandlung abzusetzen. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO setzt die Aufhebung oder Verlegung eines Termins das Vorliegen eines erheblichen Grundes voraus. Ein solcher wurde hier nicht im Sinne des § 227 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Wird eine Terminsaufhebung oder -verlegung mit gesundheitlich bedingter Verhandlungsunfähigkeit begründet, muss ein ärztliches Attest vorgelegt werden, das Art und Schwere der Erkrankung sowie das Maß etwaiger Beeinträchtigungen erkennen lässt (Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 337 Rn. 8; BGH B.v. 28.11.2016 – AnwZ (Brfg) 23/16 – juris Rn. 11). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Bescheinigung des Dr. med. * (Gemeinschaftspraxis, *) vom 4.6.2020 nicht, da dort nur vage von einer akuten Erkrankung, aufgrund derer der Kläger ärztlicherseits nicht in der Lage sei, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen, die Rede ist.
2. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2020 entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen und in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Dem Klägerbevollmächtigten ist die Ladung mit diesem Hinweis ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25. Mai 2020 zugegangen. Eine Entscheidung nach Verhandlung in Abwesenheit des Klägers verletzt bei ordnungsgemäßer Ladung des Prozessbevollmächtigten das rechtliche Gehör nicht. Denn bei anwaltlicher Vertretung wird das rechtliche Gehör durch den Prozessbevollmächtigten vermittelt (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2018 – 20 ZB 17.30730 – juris Rn. 6 f.). Überdies war im vorliegenden Fall die persönliche Teilnahme des Klägers nicht unerlässlich. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers beim Bundesamt liegt schon kein Verfolgungsgrund vor (s.u.). Entsprechend war das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet. Andere Tatsachen als die beim Bundesamt gemachten Angaben hat der Kläger weder mit der Klägerschrift noch sonst schriftsätzlich vorgetragen, obwohl er mit der Ladung dazu aufgefordert war, dies binnen einer Woche nach Zustellung der Ladung zu tun, und auf die Folgen des § 87b Abs. 3 VwGO hingewiesen wurde.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid vom 8. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Es besteht kein Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Es ist Sache des Betroffenen, die tatsächlichen Umstände, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen, in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wobei in der Regel eine Glaubhaftmachung ausreicht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein detaillierter und in sich stimmiger Sachvortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung im o.g. Sinne verlassen hat. Denn die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, die Annahme einer vor ihrer Ausreise tatsächlich erlittenen oder unmittelbar drohenden flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu rechtfertigen. Der Kläger hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Guinea eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
a) Nach dem klägerischen Sachvortrag, der als wahr unterstellt werden kann, ist eine vom Kläger in Guinea erlittene oder zum Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar drohende flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu bejahen. Denn es ist nicht erkennbar, dass die vermeintlichen Repressionen, die vom Onkel des Klägers ausgegangen sind, an ein tatsächliches oder – aus Sicht der Akteure – vermeintlich bestehendes Merkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG angeknüpft („wegen“) hätten; im Übrigen ist der Onkel kein Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG. Es handelt sich um eine Ausreise aus familiären Gründen. Schließlich sind die vom Kläger geschilderten Repressionen des Onkels nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG darstellen würden.
b) Im Übrigen stand und stünde dem Kläger in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise und auch derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bei einer Rückkehr nach Guinea jedenfalls eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.
Der Kläger kann in anderen Teilen Guineas, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten – insbesondere der Millionenstadt Conakry – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Guinea kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass eventuelle den Kläger bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen.
In den Großstädten und in anderen Landesteilen Guineas kann der Kläger als erwachsener Mann auch ein ausreichendes Einkommen finden. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes ist davon auszugehen, dass guineische Staatsangehörige selbst im Rahmen von einfachen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt sicherstellen können. Sie können als Straßenhändler arbeiten, Kaffee verkaufen, Schuhe putzen oder anderweitige Tätigkeiten nachgehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23.2.2018 – Gz.: 508-516/50121). Im Wesentlichen gesunde Rückkehrer – wie der Kläger – sind daher trotz der in Guinea verbreiteten Armut selbst bei fehlender Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk in der Lage, mit ungelernter Arbeit so viel zu verdienen, dass sie für ihre Existenz sorgen können (vgl VG Berlin, U. v. 3.4.2019 – 31 K 248.17 A – juris Rn. 30 m.w.N.) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb dies beim Kläger nicht möglich sein sollte. Es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann. Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt.
c) Abgeschobene guineische Staatsangehörige haben bei ihrer Rückkehr nicht nur keine aus dem Auslandsaufenthalt resultierenden Nachteile zu befürchten; vielmehr können die im Ausland erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen oftmals bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hilfreich sein. Es bestehen auch keine Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Guinea allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 5. Juli 2019, S. 14 – Nr. IV.2).
d) Dem Kläger droht in Guinea auch keine Gruppenverfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Fula. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 8. Februar 2018 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 2 AufenthG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Guinea ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
3. Weiter besteht auch ein Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, die sich auch der Einzelrichter zu eigen macht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Insbesondere ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass dem volljährigen Kläger bei einer Rückkehr nach Guinea eine Verletzung seiner Menschenrechte auf Grund der zu erwartenden humanitären Bedingungen droht. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes ist davon auszugehen, dass guineische Staatsangehörige selbst im Rahmen von einfachen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt sicherstellen können (s.o.). Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb es dem Kläger nicht gelingen sollte, als volljähriger und arbeitsfähiger junger Mann einen wenn auch bescheidenen Lebensunterhalt zu sichern.
4. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
III.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.