Verwaltungsrecht

Anhörungsrüge – Keine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer Entscheidung

Aktenzeichen  10 C 16.1264

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 103 Abs. 1
VwGO VwGO § 152a

 

Leitsatz

Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 C 15.1837 2016-06-06 Bes VGHMUENCHEN VGH München

Tenor

I.
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge, mit der der Kläger die Fortführung des Verfahrens über seine mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2016 abgelehnte Prozesskostenhilfebeschwerde für eine Verpflichtungsklage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG bezüglich eines unanfechtbaren Untersagungsbescheids der Regierung von Mittelfranken vom 27. Januar 2009 begehrt, ist jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen. Denn unabhängig davon, ob der Kläger das Vorliegen der in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO genannten Voraussetzungen überhaupt den Anforderungen von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO entsprechend dargelegt hat, wird sein Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise nicht verletzt.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfG, B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 996/91 – juris Rn. 35). Er verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, a. a. O. Rn. 39; U. v. 8.7.1997 – 1 BvR 1621/94 – juris Rn. 43; BayVGH, 16.10.2015 – 10 ZB 15.1929 – juris Rn. 3), soweit dieses Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts erheblich ist (vgl. BVerfG, B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 996/91 – juris Rn. 39). Art. 103 Abs. 1 GG gibt aber keinen Anspruch darauf, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt und sich dessen Tatsachenvortrag und Rechtsansicht zu eigen macht (vgl. BVerwG, B. v. 11.6.2007 – 5 B 143.07 – juris Rn. 2, B. v. 11.2.2008 – 5 B 17.08 – juris Rn. 3; B. v. 1.8.2011 – 6 C 15.11 u. a. – juris Rn. 1; B. v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 u. a. – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 14.11.2011 – 10 ZB 11.2089 – juris Rn. 5). Dementsprechend ist die Anhörungsrüge auch kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. BVerwG, B. v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 u. a. – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 16.10.2015 – 10 ZB 15.1929 – juris Rn. 3).
Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass in der angegriffenen Entscheidung ein wesentlicher Teil des von ihm vorgetragenen Sachverhalts übergangen werde. Erst durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2011 (1 StR 529/10) sei bestätigt worden und für ihn erkennbar geworden, dass die Behörde beim Erlass der glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung den konkreten Spielverlauf der beabsichtigten Hausverlosung nicht geprüft und deshalb die Auslobung fälschlicherweise als Glücksspiel qualifiziert habe. Durch die fehlende abschließende Prüfung des Sachverhalts (d. h. der Glücksspieleigenschaft der Auslobung) sei die behördliche Untersagungsverfügung vom 27. Januar 2009 unverhältnismäßig und eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2, Art. 12, Art. 14 sowie Art. 3 GG. Diese Grundrechtsverletzungen hätten bei der Auslegung der Wiederaufgreifensvorschriften berücksichtigt werden müssen. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof die Grundsätze des effektiven Rechtsschutzes, die gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sowie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch unionsrechtlich gewährleistet seien, bei der Auslegung der Vorschriften zum Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht habe in der angefochtenen Entscheidung die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung geprüft und damit das Verfahren insoweit in der Hauptsache eröffnet. Demgemäß hätte auch die Prüfung der Frage, ob ein Glücksspiel vorliege, gemäß den rechtlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs durchgeführt werden müssen.
Entgegen der Auslegung des Klagebegehrens durch den Verwaltungsgerichtshof sei bei der Antragstellung eine Formulierung gewählt worden, die die Aufhebung der Untersagungsverfügung nicht umfasse, sondern vielmehr offen lasse. Durch die lange Verfahrensdauer sei in der Sache Erledigung eingetreten, weil das betreffende Haus im September 2013 zwangsversteigert worden sei, so dass die Erfüllung der ursprünglichen Auslobung nicht mehr möglich gewesen sei. Demgemäß habe der Kläger auch den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung gestellt. Die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei bei erledigten Verwaltungsakten wie hier möglich. Ein entsprechendes Feststellungsinteresse habe er bereits dargelegt.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger aber keine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auf. Er macht vielmehr der Sache nach geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht Wiederaufgreifensgründe im Sinne des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG verneint und seinen Antrag auf Wiederaufgreifen sowie die entsprechende Verpflichtungsklage als unbegründet angesehen. Ebenso wenig hat der Kläger dargelegt, warum sein Vorbringen zum konkreten Spielverlauf der beabsichtigten Hausverlosung und die Frage des Vorliegens eines Glücksspiels nach dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtshofs – bereits der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG sei unbegründet, weshalb auf der zweiten Stufe auch keine erneute Sachprüfung beansprucht werden könne – entscheidungserheblich gewesen ist.
Die Rüge der nicht ausreichenden Beachtung der geltend gemachten Grundrechte und der grundgesetzlichen und unionsrechtlichen „Grundsätze des effektiven Rechtsschutzes“ betrifft wiederum die unrichtige Anwendung des Art. 51 BayVwVfG durch den Verwaltungsgerichtshof. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Sach- und Rechtslage abweichend von der Auffassung des Klägers beurteilt und deshalb aus dessen Sicht unrichtig entschieden hat, stellt aber, wie bereits dargelegt, keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar.
Schließlich lassen auch die Ausführungen „zur Auslegung des Klagebegehrens durch den Verwaltungsgerichtshof“ und zur nunmehr vom Kläger begehrten „Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung“ nicht erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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