Verwaltungsrecht

Anordnung des persönlichen Erscheinens beim Generalkonsulat

Aktenzeichen  B 6 S 17.726

Datum:
18.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142295
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6
AufenthG § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 3 Satz 1, § 49 Abs. 2
AufenthG § 82 Abs. 4 Satz 1 und 2
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Ein Verwaltungsakt erledigt sich, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verpflichtung eines Ausländers zum persönlichen Erscheinen beim Generalkonsulat hat sich nicht erledigt, wenn die polizeiliche Vorführung angedroht wurde und diese nunmehr zwangsweise durchgesetzt werden kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern sind, was die Beschaffung von Identitätspapieren angeht, spezialgesetzlich in § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG geregelt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4 Mitwirken iSv § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erfordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Handlungen vorzunehmen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätspapiers erforderlich sind und nur vom Asylbewerber persönlich vorgenommen werden können. Darunter fällt auch die Stellung eines Antrages in einer Auslandsvertretung. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 11.08.2017 wird wiederhergegestellt bzw. angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Anordnung des persönlichen Erscheinens beim Generalkonsulat seines Heimatlandes und die Androhung der zwangsweisen Vorführung.
Der afghanische Staatsangehörige reiste nach eigenen Angaben am 25.07.2015 ohne Visum und Ausweispapiere ins Bundesgebiet ein. Am 09.11.2015 stellte er einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 11.01.2017 lehnte das Bundessamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag vollumfänglich ab, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm widrigenfalls die Abschiebung nach Afghanistan an.
Am 13.02.2017 teilte das Bundesamt der zuständigen Ausländerbehörde mit, der Bescheid sei am 27.01.2017 bestandskräftig geworden.
Mit Telefax vom 08.02.2017 erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte, ihn unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2017 als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen oder festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote vorliegen. Dieses Verfahren wird unter dem Az. B 6 K 17.30347 geführt. Die Klage wurde dem Bundesamt am Tag, nachdem die Bestandskraftmitteilung übermittelt worden war, am 14.02.2017 zugestellt.
Nachdem der Antragsgegner, der unter Verweis auf die Bestandskraftmitteilung vom Erlöschen der Aufenthaltsgestattung wegen Unanfechtbarkeit des Bescheides des Bundesamt ausging, den Antragsteller aufgefordert hatte, eine Duldung zu beantragen, stellte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Telefax vom 04.09.23017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth einen Antrag gemäß § 123 VwGO und beantragte sinngemäß, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltsgestattung bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylprozesses B 6 K 17.30347 zu erteilen und ihm hierüber eine Bescheinigung auszustellen und auszuhändigen (Az. B 6 E 17.32972).
Mit Beschluss vom 26.09.2017 gab das Gericht diesem Antrag statt. Der Bescheid sei dem Antragsteller zwar am 12.01.2017 zugestellt worden und die Klage nicht binnen zwei Wochen erhoben worden. Es werde jedoch im Hinblick auf den Passus, die Klage müsse „in deutscher Sprache abgefasst sein“ in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, ob die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:unrichtig sei und deswegen die Jahresfrist, die der Antragsteller eingehalten habe, gelte. Deshalb sei die Klage nicht offensichtlich verfristet und der Bescheid könne nicht als unanfechtbar angesehen werden, so dass die Aufenthaltsgestattung des Antragstellers nicht erloschen sei. Auf die Begründung des Beschlusses wird verwiesen.
Bereits mit Bescheid vom 11.08.2017, zugestellt am 16.08.2017, hatte die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) angeordnet, der Antragsteller habe sich am 07.09.2017 um 14.30 Uhr beim Afghanischen Generalkonsulat in Grünwald bei München zur Herkunfts- und Identitätsfeststellung einzufinden, um dort die Ausstellung eines Dokuments zu beantragen, welches ihn zur Rückkehr in sein Heimatland berechtige (Ziffer 1). Sollte er dieser Anordnung ohne hinreichenden Grund nicht Folge leisten, werde er seiner Auslandsvertretung zwangsweise durch die Polizei vorgeführt (Ziff. 2). Schließlich ordnete die Behörde die sofortige Vollziehung von Nr. 1 dieses Bescheides an (Ziff. 3).
Die Anordnung des persönlichen Erscheinens stützte die Behörde auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Der Antragsteller, dessen Aufenthaltsgestattung erloschen sei, sei nach Ablauf der Ausreisefrist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Anordnung ergehe zur Vorbereitung und Durchführung seiner anstehenden Aufenthaltsbeendigung. Der Antragsteller habe von sich aus keinen Pass oder Passersatz beschafft. Deshalb habe die ZAB nunmehr sicherzustellen, dass er bei der zuständigen afghanischen Auslandsvertretung vorspreche, einen entsprechenden Antrag stelle und seine wahren Personendaten angebe. Mit dieser Entscheidung übe die Behörde ihr Ermessen dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechend aus, weil das öffentliche Interesse an dieser Maßnahme das private Interesse des Antragstellers, von ihr abzusehen, überwiege. Rechtsgrundlage für die Androhung der zwangsweisen Vorführung sei § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 36 BayVwZVG. Die Anordnung sei insbesondere deshalb erforderlich, weil es nicht hingenommen werden könne, wenn Vorsprachen, die nur nach vorheriger Terminabsprache möglich seien, wegen des Verhaltens des Antragstellers fehlschlügen.
Der Antragsteller nahm den Termin am 07.09.2017 nicht wahr. Daraufhin wurde vom Antragsgegner ein erneuter Termin für den 05.10.2017 mit der afghanischen Auslandsvertretung vereinbart und die Vorführung durch die Polizei ohne vorherige Ankündigung an den Antragsteller organisiert. Nachdem der Antragsgegner durch Beschluss des Gerichts vom 26.09.2017 verpflichtet worden war, dem Antragsteller eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen, wurde der Termin am 04.10.2017 storniert. Der Antragsteller erhielt eine bis 24.04.2018 gültige Aufenthaltsgestattung.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2017, eingegangen bei Gericht am 14.09.2017, hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage erhoben und beantragt, den Bescheid aufzuheben (Az. B 6 K 17.725). Zugleich hat er mit Schriftsatz vom 12.10.2017, eingegangen am 17.10.2017, beantragt, Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihn beizuordnen.
Zugleich hat er, ebenfalls am 13.09.2017, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führt er aus, die Anordnung sei rechtswidrig, weil der Antragsteller gegen die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes Klage erhoben habe, so dass der Antragsgegner derzeit nicht verpflichtet sei, den Aufenthalt des Antragstellers zu beenden.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Bescheid vom 11.08.2017, der eine Vorsprache am 07.09.2017 anordne, habe sich durch Zeitablauf überholt. Außerdem solle keine erneute Vorsprache beim Konsulat durchgeführt werden, solange das Gerichtsverfahren gegen die ablehnende Asylentscheidung bei Gericht anhängig sei.
Zum weiteren Verfahren teilte er auf Nachfrage des Gerichts mit, der Antragsteller werde erneut zur Vorsprache verpflichtet, sobald er vollziehbar ausreisepflichtig sei. Da er in der Vergangenheit nicht bereit gewesen sei, den Terminladungen freiwillig Folge zu leisten, „sollte“ er zwangsweise vorgeführt werden. Vorsprachetermine würden alle vier bis fünf Wochen stattfinden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 und – soweit in diesem Sinne zu verstehen – auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides hat in vollem Umfang Erfolg.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen.
a) Nachdem die aufschiebende Wirkung der gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 erhobenen Anfechtungsklage (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallen ist, weil der Antragsgegner in Ziffer 3 die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 besonders angeordnet hat, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig. Insbesondere besteht (noch) ein umfassendes Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage und die Wiederherstellung ihrer aufschiebenden Wirkung, weil Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 sich nicht durch Zeitablauf erledigt hat (vgl. Art. 43 Abs. 2 Alt. 4 BayVwVfG) und auch nicht feststeht, dass keine Vollstreckung droht.
aa) Ein Verwaltungsakt erledigt sich, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 11/15 – InfAuslR 2017, 137/139 Rn. 29). Eine Erledigung kann gemäß Art. 43 Abs. 2 Alt. 4 BayVwVfG insbesondere durch Zeitablauf eintreten.
Zwar ist der vom Antragsgegner im Bescheid bestimmte Termin beim Afghanischen Generalkonsulat am 07.09.2017 um 14.30 Uhr inzwischen verstrichen. Dadurch hat sich die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen und zur Antragstellung aber nicht erledigt. Vielmehr macht die auf § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, Art. 36 Abs. 1 BayVwZVG gestützte Androhung der polizeilichen Vorführung in Ziffer 2 deutlich, dass die Verpflichtung auch danach fortbesteht und, nachdem sie nicht erfüllt wurde, nunmehr zwangsweise im Wege der polizeilichen Vorführung durchgesetzt werden kann (OVG NRW, B. v. 28.11.2006 – 19 B 1789/06 – InfAuslR 2007, 126/127).
Obwohl der Antragsgegner im Gerichtsverfahren demgegenüber vorgetragen hat, die Anordnung habe sich am 07.09.2017 durch Zeitablauf erledigt, ging er im Übrigen selbst davon aus, dass die Anordnung weiterwirkt. Denn, nachdem der Antragsteller am 07.09.2017 nicht erschienen war, vereinbarte er einen erneuten Termin für den 05.10.2017 und bereitete eine polizeiliche Vorführung vor. Der Antragsteller wurde dann nur deshalb nicht zwangsweise vorgeführt, weil der Antragsgegner, nachdem er gerichtlich verpflichtet worden war, dem Antragsteller eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen, den Termin und die Vorführung stornierte.
bb) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht deshalb, weil nunmehr feststünde, dass keine Vollstreckung der Anordnung droht (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 498).
Der Antragsgegner hat zwar im Gerichtsverfahren erklärt, es werde keine Vorsprache durchgeführt, solange das gerichtliche Verfahren, d.h. die Asylklage, laufe. Zugleich hat er aber angekündigt, der Antragsteller werde, weil er der Terminladung nicht freiwillig nachgekommen sei, sollte die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar werden, gleich zwangsweise vorgeführt werden.
Da der Antragsgegner sich damit auch jetzt noch für befugt hält, ggf. aus der Anordnung und ihrer Nichtbefolgung rechtliche Konsequenzen zu ziehen, hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran, gegen die Anordnung und die Zwangsmittelandrohung gerichtlich vorzugehen.
b) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 ist nicht rechtmäßig. Das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegt das öffentliche Interesse daran, dass der Antragsteller die Verpflichtungen zur Mitwirkung an der Passbeschaffung sofort erfüllt, weil die Klage insoweit Aussicht auf Erfolg hat. Denn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird Ziffer 1 des Bescheides vom 11.08.2017 aller Voraussicht nach aufgehoben werden, weil sie rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) § 82 Abs. 4 Satz 1, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 3 Satz 1 § 49 Abs. 2 AufenthG, auf die sich der Antragsgegner als Rechtsgrundlagen für die Anordnung des persönlichen Erscheinens beim Afghanischen Generalkonsulat und die Beantragung eines Heimreisedokuments beruft, tragen die getroffene Regelung nicht.
aaa) Gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint.
Anders als der Antragsgegner angenommen hat, war der Antragsteller als Ausländer, dem der Aufenthalt gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG, seit er um Asyl nachgesucht hat, zur Durchführung seines Asylverfahrens auch während des Klageverfahrens gestattet war, nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Der Antragsgegner hat seine Ermessensentscheidung, ihn zur Vorsprache aufzufordern, jedoch damit begründet, sein Aufenthalt sei unverzüglich zu beenden. Damit hat er sein Ermessen, als er ihn zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung aufforderte, fehlerhaft ausgeübt.
bbb) Gemäß § 46 Abs. 1 AufenthG kann die Ausländerbehörde gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen. Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dazu hat er die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht im Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben (§ 49 Abs. 2 AufenthG).
Diese Vorschriften, auf die der Antragsgegner die vom Antragsteller verlangte Beantragung eines Heimreisedokuments gestützt hat, greifen nicht ein. Die Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern sind, was die Beschaffung von Identitätspapieren angeht, spezialgesetzlich in § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG geregelt, der Asylbewerbern vorschreibt, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes – oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Mitwirken im Sinne dieser Vorschrift erfordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Handlungen vorzunehmen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätspapiers erforderlich sind und nur vom Asylbewerber persönlich vorgenommen werden können (OVG Hamburg, B. v. 29.09.2014 – 2 So 76/14 – InfAuslR 2015, 251/252). Darunter fällt auch die Stellung eines Antrages in einer Auslandsvertretung Diese spezielle Regelung geht bei Asylbewerbern den allgemeinen Regelungen der Mitwirkungspflicht von Ausländern vor (vgl. Koch in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 15 AsylG Rn.3).
bb) Die Regelung erweist sich auch nicht aus anderen, als den im Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde und wesentlich andere oder zusätzliche Ermessenserwägungen erforderlich sind (BVerwG, U. v. 31.03.2010 – 8 C 12/09 – NVwZ-RR 2010, 636/637).
Der Regelungsgehalt der angegriffenen Anordnung bliebe zwar im Wesentlichen unverändert, wenn sie als Anordnung an einen Asylbewerber zur Konkretisierung der Verpflichtung an der Beschaffung eines Identitätspapiers angesehen würde. Da sich die Ermessenserwägungen im Bescheid jedoch wesentlich darauf stützen, mit der Anordnung werde die unverzügliche Aufenthaltsbeendigung vorbereitet, erfordert der Austausch der Normen andere Ermessenserwägungen. Insbesondere müsste eingehend begründet werden, ob das persönliche Erscheinen und die Antragstellung in einer Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates auch durch die Ausländerbehörde jedenfalls dann angeordnet werden können, wenn der Asylbewerber keine staatliche Verfolgung geltend gemacht hat (so StMIBV, E-Mail vom 03.08.2017 u.a. an die ZAB Oberfranken; für die Zulässigkeit einer Anordnung nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung eines (Folge-) Antragstellers VGH Mannheim, B. v. 06.10.1998 – A 9 S 856/98 – InfAuslR 1999, 287/290; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2017, § 15 AsylG Rn.42; generell ablehnend Funke-Kaiser in GK-Asylrecht, Stand 2017, § 15 AsylG Rn. 41; Möller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 48 AufenthG Rn.19).
2. Soweit der Eilantrag im wohlverstandenem Interesse des Antragstellers trotz anwaltlicher Vertretung auch als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Androhung der polizeilichen Vorführung in Ziffer 2 des Bescheides vom 11.08.2017 zu verstehen ist, ist er ebenfalls zulässig und begründet.
a) Der Antrag ist statthaft, weil gemäß Art. 21a Satz 1 BayVwZVG Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Damit entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Androhung der polizeilichen Vorführung kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO mit der Folge, dass gemäß Art. 21a Satz 2 BayVwZVG in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann.
b) Anders als im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes der Regelfall, d.h. grundsätzlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug. Hier besteht allerdings ein überwiegendes Interesse des Antragstellers daran, ausnahmsweise bis zur Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Zwangsgeldandrohung verschont zu bleiben, weil mit der Aufhebung der Androhung im Hauptsacheverfahren ernsthaft zu rechnen, weil auch sie nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig mäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann eine Anordnung nach Satz 1 zwangsweise durchgesetzt werden, wenn der Ausländer ihr nicht nachkommt. Die Durchsetzung richtet sich nach den allgemeinen (bayerischen) Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts. Dort ist u.a. vorgesehen ist, dass ein Zwangsmittel anzudrohen ist (Art. 36 Abs. 1 BayVwZVG).
Die Zwangsmittelandrohung ist rechtswidrig, weil die Anordnung nicht, wie angedroht, durch eine zwangsweise Vorführung durch die Polizei vollstreckt werden.
Gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG kann ein mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochtener Verwaltungsakt nur vollstreckt werden, wenn der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Das Gericht hat jedoch die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen die Anordnung wieder hergestellt.
3. Der Antragsgegner als unterliegender Teil trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).

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