Aktenzeichen 10 B 17.50
KG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5
Leitsatz
1. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG kann die Sicherheitsbehörde mit der Untersagung der Hundehaltung eine Anordnung über die Herausgabe bzw. Sicherstellung und behördliche Unterbringung der Hunde verbinden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Behörde ist berechtigt, vorab eine persönliche und sachliche Kostengrundentscheidung zu treffen und die Konkretisierung der Kostenhöhe einem nachfolgenden Leistungsbescheid vorzubehalten. (Rn. 27 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 22 K 15.4341 2016-03-10 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2016 wird die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2015 auch insoweit abgewiesen, als die Aufhebung von Nr. 8 des Bescheids der Beklagten beantragt wurde.
II. Bezüglich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der im Beschluss vom 9. Januar 2017 (10 ZB 16.1735) getroffenen Kostenentscheidung. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München ist abzuändern, soweit darin Nr. 8 des Bescheids der Beklagten vom 14. August 2015 aufgehoben worden ist. Die Klage des Klägers ist auch insoweit abzuweisen, weil die (Kosten-)Entscheidung in Nr. 8 des Bescheids rechtmäßig ist und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat die Kosten für die Unterbringung seiner Hunde im Tierheim gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 5 KG zu tragen (1.). Die Höhe der vom Kläger zu erstattenden Auslagen darf die Beklagte durch einen gesonderten Leistungsbescheid festsetzen (2.).
1.1 Rechtsgrundlage für die in Nr. 8 des Bescheids vom 14. August 2015 getroffene Entscheidung, dass der Kläger u.a. die Kosten für die Unterbringung seiner Hunde im Tierheim zu tragen hat, ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 5 KG.
Mit Bescheid vom 14. August 2015 untersagte die Beklagte dem Kläger die Hundehaltung (Nr. 1) und ordnete zugleich an, dass er die Wegnahme und die (weitere) Unterbringung seiner Hunde und der Welpen im Tierheim zu dulden habe (Nrn. 4, 5 und 6). Die Haltungsuntersagung sowie die Duldungsanordnungen stützt die Beklagte laut Begründung des Bescheids auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Bei den Duldungsanordnungen handelt es sich vorliegend in der Sache um eine Anordnung zur Herausgabe bzw. Sicherstellung der Hunde verbunden mit der Verfügung, dass die Hunde einschließlich der erst nach der polizeilichen Sicherstellung geborenen Welpen im Tierheim untergebracht werden (und nicht etwa der Kläger selbst für eine anderweitige Unterbringung seiner Hunde sorgen darf). Derartige Anordnungen der Sicherheitsbehörde finden ihre Rechtsgrundlage grundsätzlich in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG (Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Sept. 2015, Art. 18 Rn. 82). Da die Polizei die Hunde des Klägers bereits am 14. Juli 2015 in eigener Zuständigkeit sichergestellt und sie dem Tierheim zur Verwahrung übergeben hatte (siehe hierzu: BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 10 ZB 16.1735 – juris 13 ff.), sind die Duldungsanordnungen in Nrn. 4, 5 und 6 des Bescheids vom 14. August 2015 so zu verstehen, dass ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids die Beklagte als Sicherheitsbehörde tätig wird und in eigener Zuständigkeit die Herausgabe/Sicherstellung der Hunde und ihre Unterbringung im Tierheim anordnet.
Es handelt sich dabei insbesondere nicht um eine Tatmaßnahme nach Art. 7 Abs. 3 LStVG, da sich die Hunde im Zeitpunkt des Erlasses der Duldungsanordnungen bereits aufgrund der polizeilichen Sicherstellung im Tierheim befanden und die Sicherheitsbehörde deshalb aufgrund eigener Zuständigkeit die „Fortdauer“ dieser Maßnahme bestimmte.
1.2 Der Kläger hat als Veranlasser dieser Anordnung die Kosten dieser Amtshandlung (Gebühren und Auslagen) zu tragen.
Anders als Art. 28 Abs. 3 Satz 1 PAG für die polizeiliche Sicherstellung oder § 16a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG für eine tierschutzrechtliche Wegnahmeanordnung enthält Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG keine unmittelbare Regelung, wer als Adressat für die betreffende Anordnung in Betracht kommt und wer die durch das Verwahrungsverhältnis entstehenden Kosten zu übernehmen hat.
Nach Art. 9 LStVG sind Maßnahmen nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder Störung verursacht hat (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG). Kostenschuldner einer Amtshandlung ist derjenige, der sie veranlasst hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG). Veranlasser ist neben demjenigen, der einen Antrag stellt, auch, wer durch sein Verhalten, also sein Tun, Verhalten oder Unterlassen oder durch einen von ihm selbst zu vertretenden Zustand die Amtshandlung als adäquater Verursacher auslöst (Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht, Stand: April 2016, Art. 2 KG 3 c)). Der Adressat einer sicherheitsrechtlichen Anordnung ist daher in der Regel Veranlasser der Amtshandlung. Voraussetzung ist allerdings, dass er die Amtshandlung zu vertreten hat, also dafür verantwortlich gemacht werden kann (Rott/Stengel, a.a.O.). Zu beachten ist insoweit insbesondere Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KG.
Vorliegend ist der Kläger als Halter der Hunde für die von ihnen ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit verantwortlich, weil er nicht in der Lage ist, seine Hunde entsprechend zu beaufsichtigen, und nicht willens ist, behördliche Anordnungen zur Haltung seiner Hunde zu befolgen. Dies steht aufgrund der inzwischen bestandskräftigen Haltungsuntersagung, Herausgabe-/Sicherstellungs- und Unterbringungsanordnung fest. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist erfolglos geblieben (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 10 ZB 16.1735 – juris Rn. 4 ff.).
2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es rechtlich zulässig, bei der Vornahme der kostenpflichtigen Amtshandlung (Duldungsanordnungen) bei der Kostenentscheidung nur über den Kostenanspruch dem Grunde nach zu entscheiden und zunächst nur den Kostenschuldner zu bestimmen.
2.1 Die Kostenentscheidung besteht aus drei Teilen, der Entscheidung über die sachliche und über die persönliche Kostentragungspflicht sowie der Festsetzung der Kostenhöhe (Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, § 19 Rn. 140). Die Entscheidung darüber, wer die Kosten einer Amtshandlung zu tragen hat, stellt die Kostenlastentscheidung oder Kostengrundentscheidung dar. Den Umfang der Kostentragungspflicht bestimmen Art. 3 ff. KG. Ist der Kostenschuldner nicht sachlich (Art. 3 KG) oder persönlich (Art. 4 KG) von der Kostentragung befreit, so erhebt der Kostengläubiger Gebühren (Art. 5, 6 KG) und die Auslagen (Art. 10 KG).
In der hier streitgegenständlichen Nr. 8 des Bescheids vom 14. August 2015 hat die Beklagte den Kläger zum Kostenschuldner der Aufwendungen für die Unterbringung im Tierheim, für die Eingangsuntersuchung und sonstige tierärztliche Untersuchungen bestimmt. Sie hat damit eine Entscheidung über die persönliche und sachliche Kostentragung getroffen und somit die Kostenerstattungspflicht für die entstehenden Auslagen dem Grunde nach festgesetzt. Die Festsetzung der Kostenhöhe ist damit noch nicht erfolgt. Die Angabe der Tagessätze für das Tierheim und der Kosten für die Eingangsuntersuchung stellen lediglich einen Hinweis auf die etwaig entstehenden Auslagen dar, deren Höhe u.a. von der Verweildauer der Hunde im Tierheim abhängt. Eine den Kläger belastende Regelung, welche Auslagen in welcher Höhe von ihm zu bezahlen sind, war von der Beklagten damit weder beabsichtigt noch nach dem für den Adressaten erkennbaren, objektiven ErklärungsInhalt darin enthalten.
2.2 Ist eine Entscheidung über die sachliche und persönliche Kostentragung getroffen, können Art und Höhe der zu erstattenden Auslagen zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Kostenrechnung geltend gemacht werden (Linhart, a.a.O., § 19 Rn. 142). Die Auslagenschuld ist durch die gesetzliche Bestimmung in Art. 10 Abs. 1 KG und den tatsächlichen Aufwand, der für die Tierheimunterbringung und die tierärztlichen Untersuchungen entstanden ist, hinreichend bestimmbar. In einem nachfolgenden Leistungsbescheid wird die Kostenerstattungspflicht dann lediglich hinsichtlich der Höhe konkretisiert (vgl. zu § 16a TierSchG BVerwG, U.v. 7.8.2008 – 7 C 7.08 – juris Rn. 23).
Gesetzliche Bestimmungen oder der Vorbehalt des Gesetzes (s. Art. 20 Abs. 3 GG) stehen einem solchen Vorgehen der Beklagten nicht entgegen. Besteht – wie hier – eine Rechtsgrundlage für eine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers, ist die Behörde nicht verpflichtet, eine vollständige Kostenentscheidung zu treffen, wenn einzelne Teilentscheidungen auch später möglich sind. Insbesondere werden dadurch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers nicht verkürzt. Der Kläger kann sowohl die Entscheidung, dass er dem Grunde nach verpflichtet ist, die Kosten für die Tierheimunterbringung seiner Hunde zu tragen (Nr. 8 des Bescheids), als auch eine später ergehende Kostenrechnung (Leistungsbescheid), die die Höhe der Kosten konkretisiert, anfechten. Allerdings kann der Kläger im Verfahren gegen den Leistungsbescheid nur noch Einwendungen gegen die Höhe der Kosten geltend machen, wenn die Kostengrundentscheidung bestandskräftig geworden ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2005 – 25 CS 05.295 – juris Rn. 2).
Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Frage der Teilbarkeit der Kostenentscheidung im erstinstanzlichen Verfahren gegenüber den übrigen Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheids nur untergeordnete Bedeutung hat, ergibt sich insoweit keine weitergehende Kostentragungspflicht des Klägers für das erstinstanzliche Verfahren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.