Verwaltungsrecht

Anrechnung des Witwergeldes auf das Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen

Aktenzeichen  3 ZB 17.1764

Datum:
1.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136973
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, Art. 34 Nr. 1, Art. 35, Art. 36 Abs. 1, Art. 69 Abs. 2 S. 1, S. 2, Art. 83
BeamtVG § 53, § 108 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

Das Witwergeld als Teil der Hinterbliebenenversorgung zählt zu den Versorgungsbezügen und wird daher nur bis zum Erreichen der in Art. 83 Abs. 2 BayBeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt, wenn der Versorgungsberechtigte daneben noch Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bezieht. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 12 K 16.317 2017-08-08 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 26.432,88 € festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger als versorgungsberechtigtem Hinterbliebenen nach seiner verstorbenen Ehefrau, die als Fachoberlehrerin (BesGr A 11) im Dienst des Beklagten stand (Versorgungsurheber i.S.d. Art. 34 Nr. 1 BayBeamtVG), über den ihm bewilligten Mindestbelassungsbetrag nach Art. 83 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Höhe von 275,34 € hinaus Witwergeld gemäß Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 BayBeamtVG einschließlich des Unterschiedsbetrags des Familienzuschlags zwischen der Stufe 1 und 2 nach Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBeamtVG in Höhe von insgesamt 1.101,37 € monatlich zu gewähren, zu Recht abgewiesen. Der Kläger, der bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) angestellt ist, hat keinen Anspruch auf Zahlung höherer Versorgungsbezüge, weil er aufgrund seiner Angestelltentätigkeit Brutto-Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 5.898,12 € monatlich bezieht, die nach Art. 83 BayBeamtVG zum Ruhen der Versorgungsbezüge führen.
1.1 Beziehen Versorgungsberechtigte Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Art. 83 Abs. 4 BayBeamtVG), werden daneben Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Art. 83 Abs. 2 BayBeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt (Art. 83 Abs. 1 BayBeamtVG). Das Witwergeld i.S.d. Art. 35 BayBeamtVG als Teil der Hinterbliebenenversorgung zählt gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 31 bis 44 BayBeamtVG zu den Versorgungsbezügen. Zum Erwerbseinkommen i.S.d. Art. 83 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG gehören u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Als Höchstgrenze für Witwer gelten die ruhegehaltfähigen Bezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, jedoch mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Bezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 3 (Art. 83 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG).
Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte zutreffend einen Anspruch des Klägers auf höheres Witwergeld neben dem Mindestbelassungsbetrag nach Art. 83 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG verneint, weil sein Erwerbseinkommen die Höchstgrenze (4.118,22 €) übersteigt, so dass der sich ergebende Versorgungsbezug von 1.376,71 € in voller Höhe ruht. Zu den Einzelheiten der Berechnung, gegen die der Kläger auch keine Einwendungen erhoben hat, wird auf die Anlagen zum Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 5. August 2015 Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht hat die Ruhensregelung des Art. 83 BayBeamtVG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NB.v. 11.12.2007 – 2 BvR 797/04 – juris) zur im Wesentlichen inhaltsgleichen (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 504), bis zum Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes am 1. Januar 2011 auch für bayerische Beamte geltenden (vgl. § 108 Abs. 1 BeamtVG) Vorgängerregelung des § 53 BeamtVG als verfassungsgemäß angesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verletzung des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) durch die Anrechnung von privatwirtschaftlichem Erwerbseinkommen auf die Versorgungsbezüge im Rahmen der Ruhensregelung des § 53 BeamtVG sowohl hinsichtlich der Anrechnung von Erwerbseinkommen des Ruhestandsbeamten selbst (a.a.O. Rn. 25 ff.) als auch von Erwerbseinkommen der Witwe auf das Witwengeld (a.a.O. Rn. 34 ff.) verneint. Das Verwaltungsgericht hat diese Begründung auf den vorliegenden Fall, der mit dem durch das Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall vergleichbar ist, übertragen und demgemäß ebenfalls einen Verstoß gegen das Alimentationsprinzip verneint. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1.2 Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände des Klägers vermögen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Ersturteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Soweit der Kläger rügt, weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht hätten eine eigene Prüfung und Abwägung vorgenommen, sondern nur pauschal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 53 BeamtVG auf den vorliegenden Fall übertragen, ohne sich mit dieser auseinanderzusetzen, legt er nicht dar, warum sich hieraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils ergeben sollten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass auch die Anwendung des im Wesentlichen inhaltsgleichen Art. 83 BayBeamtVG im vorliegenden Fall nicht gegen das Alimentationsprinzip verstößt. Mit der Behauptung, bei § 53 BeamtVG und Art. 83 BayBeamtVG handle es sich um zwei verschiedene Vorschriften des Bundes- und Landesrechts, so dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sei, vermag der Kläger die Richtigkeit des Ersturteils ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehen. Es erschließt sich nicht, weshalb die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf den im Wesentlichen inhaltsgleichen Art. 83 BayBeamtVG übertragbar sein sollte, da alle verfassungsrechtlichen Aspekte, die für die Anwendung von Art. 83 BayBeamtVG relevant sind, darin geklärt worden sind. Im Übrigen hat auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Anrechnung von privatem Erwerbseinkommen auf die Hinterbliebenenversorgung nach Art. 83 BayBeamtVG als zulässig angesehen (E.v. 11.2.2015 – Vf. 1-VII-13 – juris Rn. 46 f.). Der Kläger legt auch nicht dar, dass das einfache Landesrecht unzutreffend angewandt worden wäre, sondern behauptet einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Dieser ist aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verneinen. Dies gilt auch hinsichtlich der Berufung auf den – ebenfalls an Art. 33 Abs. 5 GG zu messenden – Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Vertrauen konnte insoweit aber allenfalls in die geltende Rechtslage bestehen, die nicht nur das Witwergeld auf 55% des Ruhegehalts des Versorgungsurhebers begrenzt (Art. 36 Abs. 1 BayBeamtVG), sondern auch eine – verfassungsrechtlich zulässige – Anrechnung von Erwerbseinkommen auf das Witwergeld vorsieht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger versorgungsrechtlich nicht beanspruchen kann, den bisherigen Lebensstandard auch nach dem Tod seiner Ehefrau und einem entsprechend geringeren Bedarf innerhalb der Familie ungeschmälert aufrechtzuhalten. Der Hinweis auf das private Unterhaltsrecht liegt mangels Vergleichbarkeit der Materien neben der Sache.
2. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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