Verwaltungsrecht

Anspruch auf Hilfe zur Erziehung obliegt dem Inhaber des Personensorgerechts

Aktenzeichen  B 3 K 15.888

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII SGB VIII § 27 Abs. 1 S. 1, § 33
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Auch wenn in der Praxis die Auszahlung des Pflegegeldes regelmäßig direkt an die Pflegepersonen erfolgt, die es für den Unterhalt des Kindes verwenden, steht der Anspruch nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB VIII nur dem Inhaber der Personensorge zu und kann auch nur von diesem gerichtlich geltend gemacht werden (ebenso VG Cottbus BeckRS 2016, 48126). (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Klage der Pflegepersonen ist mangels Klagebefugnis unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Gewährung von Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27, 33 SGB VIII für das Kind L. U. durch die Beklagte über den 31.10.2015 hinaus. Aufgrund des eindeutigen Klageantrags der anwaltlich vertretenen Kläger ist hingegen die Frage, ob den Klägern die Pflegeelterneigenschaft (rechtmäßig) entzogen wurde kein (unmittelbarer) Gegenstand des hiesigen Verfahrens (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 88 Rn. 6 ff.).
2. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört und erklärten sich damit einverstanden.
3. Die Klage ist mangels Klagebefugnis der Kläger bereits unzulässig.
Gem. § 42 Abs. 2 VwGO ist – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz wird daher grundsätzlich nur dann gewährt, soweit die Kläger die Verletzung subjektiver Rechte – und nicht nur rein objektiven Rechts – geltend machen können. Demnach schließt § 42 Abs. 2 VwGO auch Klagen aus, in denen sich der Kläger auf subjektive Rechte Dritter beruft (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn. 72 und 76). Zwar dürfen die Anforderungen an das Vorliegen der Klagebefugnis nicht überspannt werden (vgl. Happ a.a.O., § 42 Rn. 93), jedoch ist vorliegend unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Verletzung subjektiver Klägerrechte ersichtlich.
a) Die sogenannte Adressatentheorie (vgl. hierzu Happ, a.a.O., § 42 Rn. 88) kann jedenfalls schon deswegen nicht herangezogen werden, da die Kläger nicht (Inhalts-) Adressat des Bescheids der Beklagten vom 28.10.2015 sind. Der Einstellungsbescheid ist vielmehr an den Beigeladenen als Vormund für L. U. gerichtet. Die Kläger haben lediglich einen Abdruck des Bescheides zur Kenntnis erhalten.
b) Auch eine subjektive, materielle Rechtsposition, die das Klagebegehren – Fortzahlung der Hilfeleistung durch die Beklagte an die Kläger über den 31.10.2015 hinaus – tragen könnte, ist für das Gericht nicht erkennbar. Der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII obliegt dem Inhaber des Personensorgerechts. Inhaber der elterlichen Sorge über L. U. ist der beigeladene Landkreis Landsberg am Lech in seiner Eigenschaft als Vormund. Daher wurde die Hilfeleistung auch dem Landkreis Landsberg am Lech mit Bescheid vom 02.04.2014 als Vormund gewährt und mit Bescheid vom 28.10.2015 ihm gegenüber eingestellt. Dass in der Praxis die Auszahlung des Pflegegeldes regelmäßig direkt an die Pflegepersonen erfolgt, die es für den Unterhalt des Kindes verwenden, ändert nichts daran, dass der Anspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dem Inhaber der Personensorge zusteht und auch nur von diesem gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. auch VG Cottbus, U. v. 17.06.2016, Az. 1 K 101/14, juris). Da die Kläger nur die „faktische“ Pflege von L* … U* … übernommen haben, ihnen aber nicht das Personensorgerecht obliegt, steht den Klägern unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf Fortzahlung der Hilfe zur Erziehung für das Kind L. U. über den 31.10.2015 hinaus zu.
c) Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob § 42 Abs. 2 VwGO im Verwaltungsprozess überhaupt eine gewillkürte Prozessstandschaft erlaubt (s. hierzu Happ a. a. O., § 42 Rn. 76; Kopp Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 42 Rn. 60), ist nicht ersichtlich, dass die Kläger den Anspruch vorliegend im Namen des Beigeladenen geltend machen bzw. geltend machen können. Der beigeladene Landkreis Landsberg am Lech hat nämlich den mit Schreiben vom 25.11.2015 erhobenen Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid der Beklagten vom 28.10.2015 am 03.12.2015 zurückgenommen, so dass der Bescheid rechtskräftig geworden ist. Dementsprechend könnte ein möglicher Anspruch des Beigeladenen auch im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht zulässigerweise durch die Kläger weiter verfolgt werden kann.
d) Da den Klägern schon nicht die Personensorge für L. U. obliegt, ist im vorliegenden Verfahren auf Fortzahlung des Pflegegeldes gem. § 27 Abs. 1 SGB VIII nicht entscheidungserheblich, ob die Kläger weiterhin als Pflegepersonen geeignet sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159, 162 Abs. 3 und 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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