Aktenzeichen 2 AS 16.420
BayBO BayBO Art. 47 III Nr. 2
Leitsatz
Eine zur Absicherung der Immissionsrichtwerte getroffene Auflage, welche eine Nutzung eines Schulparkplatzes für die außerschulische Vereinsnutzung einer Turnhalle in den Ruhezeiten gänzlich ausschließt, schränkt mögliche Beeinträchtigungen der Belange der Gesundheit auf Seiten der Nachbarschaft stark ein, da ein Überschreiten der Immissionsrichtwerte primär durch die Nutzung des Schulparkplatzes in den Ruhezeiten bedingt war, zumal wenn sicherzustellen ist, dass außerhalb der Nutzungszeiten die Schranke nicht durch außerschulische Nutzer geöffnet werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
2 AS 15.1886 2015-11-03 Bes VGHMUENCHEN VGH München
Tenor
I.
Unter Abänderung der Ziffer I. des Beschlusses des Senats vom 3. November 2015, Az. 2 AS 15.1886, wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt abgelehnt.
II.
Unter Abänderung der Ziffer II. des Beschlusses des Senats vom 3. November 2015, Az. 2 AS 15.1886, trägt die Antragstellerin die Kosten der Verfahren.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der nach § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässige Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses des Senats vom 3. November 2015, Az. 2 AS 15.1886, hat Erfolg.
1. Der Antrag der Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Abänderung des Beschlusses des Senats vom 3. November 2015, Az. 2 AS 15.1886, ist zulässig. Ziel des Antrags ist die Ablehnung des zunächst teilweise erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch eine Abänderung der früheren Gerichtsentscheidung. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Bindungswirkung von nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlüssen (vgl. B. v. 29.1.2003 – 23 CS 02.3176 – BayVBl 2003, 405; B. v. 14.9.2006 – 25 CS 06.1474 – juris; B. v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – NVwZ-RR 2007, 821; B. v. 22.1.2013 – 1 CS 12.2709 – BayVBl 2013, 344; B. v. 11.12.2014 – 15 CS 14.1710 – juris) erledigen sich diese Beschlüsse nicht durch eine die Identität des Vorhabens wahrende Änderung oder Ergänzung der außer Vollzug gesetzten Genehmigung. Daher ist es folgerichtig, dass sich auch der Eilantrag des Nachbarn nicht schon mit dem Erlass eines Tekturbescheids erledigt, so dass das Rechtsschutzinteresse für einen Änderungsantrag zu bejahen ist, der auf die Ablehnung des zunächst erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gerichtet ist. Soll also erreicht werden, dass von der (geänderten) Baugenehmigung Gebrauch gemacht werden darf, muss demnach ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO mit dem Ziel gestellt werden, dass der zunächst erfolgreiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird (vgl. auch SächsOVG, B. v. 15.7.1999 – 1 S 308/99 – NVwZ-RR 2000, 582; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.3.2006 – OVG 10 S 7.05 – juris).
Anders als vielleicht bei der Änderung der satzungsrechtlichen Grundlage für einen Bescheid (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.9.2007 – OVG 9 S 29.07 – juris) stellt ein eine Nachbarrechtverletzung korrigierender Tekturbescheid zu einer Baugenehmigung, der diese nicht aufhebt und durch eine gänzlich neue ersetzt, sondern sie lediglich in einigen Punkten modifiziert und daher nicht selbstständig ausgenutzt werden kann, keine Änderung des Streitgegenstands analog § 91 VwGO dar (vgl. BayVGH, B. v. 22.1.2013 – 1 CS 12.2709 – BayVBl 2013, 344; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.3.2006 – OVG 10 S 7.05 – juris). Vielmehr handelt es sich um veränderte Umstände im Sinn von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, so dass der Antrag statthaft ist (vgl. BayVGH, B. v. 22.1.2013 – 1 CS 12.2709 – BayVBl 2003, 344).
2. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist auch begründet. Die im Verfahren nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vom Gericht zu treffende Ermessenentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechenden -, ist aufgrund der veränderten Umstände neu zu treffen. Die Erfolgsaussichten der Klage bzw. des Antrags auf Zulassung der Berufung sind weiterhin als offen zu beurteilen, so dass auf eine Interessenabwägung abzustellen ist. Diese fällt nunmehr insgesamt zugunsten der Antragsgegnerin aus.
Im Rahmen der Interessenabwägung stehen sich weiterhin das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an einer Nutzungsaufnahme sowohl hinsichtlich des Schulsports als auch hinsichtlich der außerschulischen Vereinsnutzung sowie das private Interesse der Antragstellerin an der Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen und Störungen gegenüber. Unbestritten ist, dass zu den Ruhezeiten an Werktagen von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 13:00 bis 15:00 Uhr die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV – unabhängig von der Einstufung des Baugebiets nach der Baunutzungsverordnung – durch den Parkverkehr bisher überschritten werden. Die nunmehr zur Absicherung der Immissionsrichtwerte zu den genannten Ruhezeiten in der Änderungsgenehmigung vom 18. Februar 2016 getroffenen Auflagen, insbesondere die Auflage Ziffer 2c), welche eine Nutzung des Schulparkplatzes für die außerschulische Vereinsnutzung der Turnhalle in den Ruhezeiten gänzlich ausschließt, schränkt jedoch mögliche Beeinträchtigungen der Belange der Gesundheit auf Seiten der Antragstellerin stark ein, da ein Überschreiten der Immissionsrichtwerte primär durch die Nutzung des Schulparkplatzes in den Ruhezeiten bedingt war. Laut der Änderungsgenehmigung vom 18. Februar 2018 ist sicherzustellen, dass außerhalb der genannten Zeiten, die Schranke nicht durch außerschulische Nutzer geöffnet werden kann. Sollte es dazu kommen, dass in Einzelfällen außerschulische Nutzer mit ihren Fahrzeugen „gefangen“ wären, so dürfte sich dies auf eine „Eingewöhnungszeit“ beschränken und keinen Dauerzustand darstellen, da zum einen die Nutzer auf diese Regelung hinzuweisen sind und zum anderen sich dies unter den Nutzern schnell „herumsprechen“ wird. Eine dauerhafte nennenswerte Beeinträchtigung der Antragstellerin im Sinn einer regelmäßigen Überschreitung der Immissionsrichtwerte ist insoweit nicht zu befürchten.
Hinsichtlich der weiteren Auflage Ziffer 2a), nach welcher die für die außerschulische Vereinsnutzung bauordnungsrechtlich erforderlichen Stellplätze in der nahegelegenen Park & Ride-Anlage am M.platz nachgewiesen sein sollen, ist darauf hinzuweisen, dass dies entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht der Erfüllung der Stellplatzpflicht nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO genügen dürfte. Der Begriff der „Nähe“ ist im Gesetz nicht näher beschrieben. Die Zumutbarkeit der Entfernung bestimmt sich nach dem Zweck der Stellplätze, der Art des Baugebiets, der Verkehrsstruktur, dem Straßennetz und der Verkehrsverhältnisse zwischen dem Baugrundstück sowie dem vorgesehenen Stellplatz (vgl. Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand: September 2015, Art. 47 Rn. 148). Entscheidend sind insoweit die Verhältnisse des Einzelfalls. Vorliegend ist die Park & Ride-Anlage ca. 350 m fußläufig von der Turnhalle entfernt. Im Hinblick darauf, dass die Park & Ride-Anlage sich an der U-Bahn Station befindet und die Besucher sowie Nutzer der Turnhalle bei einer Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln denselben Fußweg zurückzulegen haben, sowie im Hinblick darauf, dass die Stellplätze nicht einer Wohnnutzung dienen, bei welcher geringere Entfernungen zum Ansatz kommen müssten, kann im vorliegenden Einzelfall das Kriterium der „Nähe“ noch angenommen werden. Allerdings fehlt es daran, dass die Benutzung der Stellplätze für diesen Zweck gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert ist. Notwendig hierfür wäre eine Grunddienstbarkeit zugunsten des Baugrundstücks. Rein schuldrechtliche Verträge – oder wie hier lediglich eine schriftliche Erlaubnis – reichen nicht für die notwendige rechtliche Sicherung aus.
Jedoch ist das sich aus Art. 47 BayBO ergebende Stellplatzerfordernis nicht nachbarschützend. Lediglich im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme können Nachbarrechte verletzt werden, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B. v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris). Insoweit ist zugunsten der Antragsgegnerin bei der Interessenabwägung zu berücksichtigten, dass die Stellplätze zwar rechtlich nicht gesichert, aber faktisch vorhanden und nutzbar sind. Zwar mag der von der Antragstellerin befürchtete Park- und Parksuchverkehr sich in der unmittelbaren Nähe der Turnhalle erhöhen. Dies kann sich zum einen aber im Lauf der Zeit legen, wenn die regelmäßigen Nutzer feststellen, dass in unmittelbarer Nähe keine Parkplätze im öffentlichen Verkehrsraum zu finden sind. Zum anderen sind die nutzenden Vereine gehalten, auf die Parkmöglichkeit in der Park & Ride-Anlage hinzuweisen. Zudem dürfte vor allem der Parksuchverkehr entgegen der Annahme der Antragstellerin außerhalb der Ruhezeiten stattfinden, da die dritte Hallenbelegung wochentags ab 20:00 Uhr stattfindet und die Nutzer entsprechend vorher anreisen müssen. Sonn- und Feiertags finden lediglich Wettkämpfe statt, die primär ebenfalls nicht während der Ruhezeit von 13:00 bis 15:00 Uhr beginnen.
Dass allein durch die Nutzung der Eingänge ein Lärmpotential gegenüber der Antragstellerin entsteht, welches die Grenzen der bloßen Belästigung in Richtung einer dauerhaften Gesundheitsgefährdung überschreitet, wurde nicht substantiiert vorgetragen. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin weitere Auflagen vorbehalten.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 GKG.