Verwaltungsrecht

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei öffentlichen Abgaben und Kosten

Aktenzeichen  AN 1 S 15.01780

Datum:
18.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 6

 

Leitsatz

1 § 80 Abs. 6 VwGO normiert nicht nur eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung, die noch im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens erfolgen könnte, sondern eine Zugangsvoraussetzung, die nicht nachgeholt werden kann (Verweis auf VGH München BeckRS 2015, 42877 u.a.). (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine drohende Vollstreckung, die das behördliche “Vorverfahren” gemäß § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO entbehrlich macht, liegt nur vor, wenn die Vollstreckung schon begonnen hat oder die Behörde den Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen für einen unmittelbar bevorstehenden Termin ankündigt oder konkrete Vorbereitungen für eine alsbaldige Durchsetzung des Anspruchs trifft (Verweis auf VGH München BeckRS 2010, 21855; VGH BW BeckRS 2011, 49104). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 226,13 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin erließ am 10. September 2015 einen Bescheid über die Festsetzung des Verbesserungsbeitrages für die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin. Für das Grundstück des Antragstellers (Flurnummer…, Gemarkung …) wurde ein Verbesserungsbeitrag von 904,53 EUR festgesetzt (Beitragsanteil auf Grundstücksfläche 1.039 m² … 0,27 EUR/m² = 280,53 EUR; Geschossfläche 400 m² … 1,56 EUR/m² = 624,00 EUR). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Verbesserungsbeitrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu überweisen.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben an das Landratsamt … vom 14. September 2015 Widerspruch. Bereits am 17. August 2012 habe die Antragsgegnerin einen gleichlautenden Bescheid erlassen, der am 6. Oktober 2014 vom Landratsamt aufgehoben worden sei. Ohne eine neue Rechtsgrundlage könne die Antragsgegnerin nicht nochmals einen Verbesserungsbeitrag erheben.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015, bei Gericht eingegangen am 9. Oktober 2015, legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid „Klage – Widerspruch“ ein und beantragte
eine „einstweilige Verfügung, den Bescheid außer Vollzug zu setzen“.
Der gleichlautende Bescheid vom 17. August 2012 sei vom … am 6. Oktober 2014 aufgehoben worden, weil noch nicht alle Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der Erstellung des Bescheides abgeschlossen gewesen seien. Hier sei ein nicht heilbarer Fehler begangen worden, der zwingend die Nichtigkeit der Satzung zur Folge haben müsse.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2015, bei Gericht eingegangen am 16. Oktober 2015,
den Antrag zurückzuweisen.
Der gestellte Antrag erfülle nicht die Zulassungsvoraussetzungen und sei deshalb kostenpflichtig zurückzuweisen. Weiterer Sachvortrag sei damit entbehrlich.
Mit Schreiben vom 12. November 2015 wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass der Antrag unzulässig sein dürfte, weil kein Antrag nach § 80 Abs. 6 VwGO gestellt worden sei. Der Antragsteller wurde gebeten, bis zum 25. November 2015 zu erklären, ob er seinen Antrag aufrechterhalte. Auf Wunsch des Antragstellers wurde die Frist letztmalig bis zum 8. Januar 2016 verlängert.
Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 ergänzte der Antragsteller seine Argumentation. Dabei wies er vor allem auf Unstimmigkeiten in der Geschäftsführung und Wirtschaftsführung der Antragsgegnerin hin. Zudem könne ein bereits als rechtswidrig aufgehobener Bescheid nicht nochmalig erlassen werden, weil sich an den Fakten nichts geändert habe.
Zudem übersandte der Antragsteller eine Ablichtung der von ihm an die Staatsanwaltschaft … gerichteten Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der Antragsgegnerin mit der Bitte um Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und Verletzung der Amtspflichten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der gemäß §§ 86 Abs. 1 Satz 2, 88 VwGO sachgerecht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Verbesserungsbeitragsbescheid vom 10. September 2015 auszulegende Antrag vom 5. Oktober 2015 ist bereits unzulässig, da es an dem gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zwingend durchzuführenden behördlichen „Vorverfahren“ fehlt.
Nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist beim Entfall der aufschiebenden Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nur dann nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht.
Dabei normiert die Regelung des § 80 Abs. 6 VwGO nicht nur eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung, die noch im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens erfolgen könnte, sondern um eine Zugangsvoraussetzung, die nicht nachgeholt werden kann (BayVGH, Beschl. v. 5.3.2015, 6 CS 15.369, Rdnr. 11, juris; Beschl. v. 18.2.2010, 10 CS 09.3204, Rdnr. 11, juris; Beschl. v. 22.1.2007, 23 CS 07.68, Rdnr. 2, juris; Beschl. v. 15.5.2000, 6 ZS 00.1065, Rdnr. 3, juris; VGH BW, Beschl. v. 28.2.2011, 2 S 107/11, Rdnr. 3, juris; SächsOVG, Beschl. v. 15.11.2010, 5 B 258/10, Rdnr. 4, juris; Beschl. v. 9.8.2002, 5 BS 191/02, Rdnr. 4, juris; a.A. – allerdings vorliegend nicht entscheidungserheblich – BayVGH, Beschl. v. 9.6.2008, 8 CS 08.1117, Rdnr. 2, juris). Die durch den Gesetzgeber verfolgten Ziele des Vorrangs der verwaltungsinternen Kontrolle und der Entlastung der Gerichte können nur dadurch verwirklicht werden, dass § 80 Abs. 6 Satz. 1 VwGO nicht lediglich als nachholbare Sachentscheidungsvoraussetzung interpretiert wird.
Vorliegend ist ein solcher Antrag nicht gestellt worden. Dies ergibt sich daraus, dass ein solcher weder in den Akten enthalten ist, noch der Antragsteller vorgetragen hat, einen solchen gestellt zu haben. Ohne einen Antrag kann auch kein Fall des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO vorliegen.
Auch die Vollstreckung droht nicht. Das ist nämlich nur dann der Fall, wenn diese schon begonnen hat oder die Behörde den Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen für einen unmittelbar bevorstehenden Termin ankündigt oder konkrete Vorbereitungen für eine alsbaldige Durchsetzung des Anspruchs trifft (BayVGH, Beschl. v. 18.2.2010, 10 CS 09.3204, Rdnr. 11, juris; VGH BW, Beschl. v. 28.2.2011, 2 S 107/11, Rdnr. 5, juris). Dahingehend ist weder ein Vortrag erfolgt, noch sind sonstige Anhaltspunkte hierfür erkennbar.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013) und beträgt ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache.

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