Verwaltungsrecht

Antrag auf Rückführung eines abgeschobenen Ausländers und Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Eheschließung

Aktenzeichen  19 CS 18.430

Datum:
23.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8172
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 3, S. 6
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
BGB § 1309 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann nicht ausgegangen werden, wenn für den Ausländer nach einem amtsgerichtlichen Beschluss entweder ein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt werden oder zumindest das erforderliche Befreiungsverfahren tatsächlich eingeleitet sein muss. (Rn. 5 und 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 S 18.00274 2018-02-13 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit ihren am 16. Februar 2018 eingelegten Beschwerden verfolgen die Antragsteller – ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der nach der Einreise am 14. Januar 2014 erfolglos ein Asylverfahren betrieben hat (Ablehnungsbescheid vom 22.4.2016, klageabweisendes Urteil vom 25.8.2016), und eine deutsche Staatsangehörige, die heiraten wollen – nach einem erfolglosen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht und der Abschiebung des Antragstellers am 13. Februar 2018 nach Vietnam im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Rückführung des Antragstellers auf Kosten des Antragsgegners in das Bundesgebiet und die Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Eheschließung.
Nach dem Vollzug der Abschiebung des Antragstellers kann der vom Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht noch gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt werden‚ weil die Aussetzung der Abschiebung durch ihre Durchführung objektiv unmöglich geworden ist. Dementsprechend haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz neu gefasst: zum einen begehren sie die Rückführung des Antragstellers auf Kosten des Antragsgegners und zum anderen die Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Eheschließung.
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die mit ihr vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die Abschiebung des Antragstellers vorläufig auszusetzen, und dass die Antragsteller nunmehr seine Rückführung auf Kosten des Antragsgegners beanspruchen könnten. Deshalb kann dahinstehen, ob die Antragstellerin auch ohne Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren beschwerdeberechtigt ist (ablehnend VGH BW, B.v. 20.3.1990 – 11 S 3278/89 – juris Rn. 1 f.).
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass kein Anordnungsanspruch i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO vorliege. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die Eheschließung des Antragstellers mit der deutschen Staatsangehörigen stehe nicht unmittelbar bevor. Dieser sei vom Amtsgericht T. im Beschluss vom 23. Januar 2018 aufgegeben worden, das Verfahren nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses für ihren zukünftigen Ehemann einzuleiten.
Nachdem die Antragsteller auch in der Beschwerde nicht dargelegt haben, vor dem Ablauf der einmonatigen Rechtsmittelfrist des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 23. Januar 2018 und vor der Abschiebung des Antragstellers nach Vietnam entweder gemäß § 1309 Abs. 1 BGB ein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt zu haben oder gemäß § 1309 Abs. 2 BGB folgend dem Beschluss des Amtsgerichts das erforderliche Befreiungsverfahren tatsächlich eingeleitet zu haben (das Amtsgericht ist in der Nummer 1 seiner Entscheidung der abweichenden Rechtsauffassung der Antragsteller, zur Durchführung eines solchen Verfahrens nicht verpflichtet zu sein, nicht gefolgt), ist das Verwaltungsgericht zu Recht nicht von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung ausgegangen. Die amtsgerichtliche Entscheidung vom 23. Januar 2018 unterlag ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung:der Anfechtung im Wege der Beschwerde. Dass das Befreiungsverfahren gemäß § 1309 Abs. 2 BGB vor Ablauf der Rechtsmittelfrist von der Antragstellerin tatsächlich eingeleitet worden wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Von einem allein in der Verantwortungssphäre der zuständigen Stelle liegenden Eheschließungshindernis kann deshalb nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu Funke-Kaiser, GKAufenthG, § 60a AufenthG Rn. 163 m.w.N.).
Die Antragstellerin hatte 20 Monate Zeit, sich der – vom Amtsgericht bestätigten – Rechtsauffassung des zuständigen Standesamtes anzuschließen und das Befreiungsverfahren gemäß § 1309 Abs. 2 BGB auf den Weg zu bringen (zum Antragserfordernis vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1309 Rn. 14). In der Antragsschrift vom 14. Juli 2017 an das Amtsgericht hat die Antragstellerin jedoch entsprechend ihrer abweichenden Rechtsauffassung beantragt, das Standesamt anzuweisen, ohne Einleitung eines Befreiungsverfahrens gemäß § 1309 Abs. 2 BGB die Eheschließung vorzunehmen sowie festzustellen, dass das Beantragungsverfahren gemäß § 1309 BGB entbehrlich sei. Dieses Beharren auf einer nach Beurteilung des zuständigen Amtsgerichts unzutreffenden Rechtsauffassung geht zu Lasten der Antragsteller. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung war unter den gegebenen Umständen nicht auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2010 – 19 CE 10.364 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Infolge der aus dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht resultierenden Ungewissheit über den Eheschließungszeitpunkt konnte der Antragsteller auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK keine Unterlassung der Abschiebung beanspruchen; eine Rückführung des Antragstellers in das Bundesgebiet auf Kosten des Antragsgegners scheidet deshalb aus.
Die Anträge Nr. V bis IX der Beschwerdeschrift sind unbehelflich und bedürfen keiner Entscheidung.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Das Verfahrensziel einer Rückführung auf Kosten des Antragsgegners rechtfertigt den Ansatz des Regelstreitwerts, welcher im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Ein Fall des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG liegt nicht vor (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 152 Rn. 4); der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 VwGO unterliegt für die gegenständliche Streitsache auch seitens der Antragsteller keinen Zweifeln. Die unter Nr. VI des Schriftsatzes formulierten Fragen grundsätzlicher Bedeutung betreffen nicht die Frage des zulässigen Rechtswegs.

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