Verwaltungsrecht

Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung, Interessenabwägung, Zuständigkeit zwischen kirchlichen und staatlichen Verwaltungsgerichten, Pfarrerbesoldung, Auszahlung des Pfarrdienstwohnungsabschlags, Schadstoffbelastung der Pfarrdienstwohnung

Aktenzeichen  B 5 S 20.195

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46098
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Pfarrdienstwohnungsverordnung § 5
Pfarrbesoldungsgesetz § 25 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 28.10.2019 ab dem 01.05.2019 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin seit dem 01.05.2019 einen Dienstwohnungsabschlag und eine Minderung des Familienzuschlags vorgenommen hat. Der seit dem 01.05.2019 einbehaltene Dienstwohnungsabschlag sowie der Betrag, um den seit dem 01.05.2019 der Familienzuschlag gemindert wurde, sind dem Antragsteller auszuzahlen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
4. Der Streitwert wird auf 12.557,10 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Auszahlung des seit 01.03.2017 von seinen Bezügen einbehaltenen Pfarrdienstwohnungsabschlags sowie künftig ungeminderte Bezügezahlung.
1. Der Antragsteller steht als Pfarrer in Diensten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Mit Schreiben vom 21.11.2016 wurde ihm die Pfarrstelle … in … zum 01.03.2017 übertragen. Zur Pfarrstelle gehört ausweislich der Ausschreibung der Stelle das Pfarrhaus in der …Str. … in … als Dienstwohnung. Diese bezog der Antragsteller gemeinsam mit seiner Frau am 21.02.2017. Ab dem 01.03.2017 erhielt er Bezüge nach § 13 des Pfarrbesoldungsgesetzes (PfBesG) i.V.m. Anlage 1 einschließlich Familienzuschlägen nach § 27 PfBesG i.V.m. Anlage 4, die um einen Dienstwohnungsabschlag nach Anlage 3 PfBesG in der jeweils geltenden Fassung gemindert wurden.
Im Frühjahr 2017 entstand der Verdacht, dass die Dienstwohnung schadstoffbelastet sein könnte. Mit E-Mail vom 27.07.2017 bat der vorgesetzte Dekan den Antragsteller, sich deshalb als Sofortmaßnahme eine Ferienwohnung zu suchen, deren Mietkosten die Dienstherrin übernehmen werde. Die Übernahme der Kaltmiete für die anzumietende Wohnung sagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller nochmals mit Schreiben vom 20.11.2017 zu. Ab dem 01.08.2017 bezog der Antragsteller mit seiner Frau nacheinander verschiedene Ferienwohnungen, die er jeweils selbst anmietete und deren Kosten er selbst trägt und getragen hat. Seit 01.01.2018 wohnen der Antragsteller und seine Frau in der Mietswohnung …gasse** in … Eine Kostenaufstellung für die gezahlte Miete legte der Antragsteller der Antragsgegnerin bislang nicht vor, weshalb diese keine Kostenerstattung vornahm.
2. Mit Schreiben vom 06.10.2017 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Zuweisung der …Str. … als Dienstwohnung, die Übertragung der Pfarrstelle mit Schreiben vom 21.11.2016 sowie die Minderung seiner Bezüge um den Pfarrdienstwohnungsabschlag ein und beantragte die Auszahlung desselben rückwirkend zum 01.03.2017. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.07.2019).
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.03.2019 teilte diese dem Antragsteller mit, dass die Dienstwohnung in der …Str. … nunmehr schadstofffrei sei, und verpflichtete den Antragsteller zum Bezug des Pfarrhauses ab 01.05.2019. Auch der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.07.2019).
Am 16.08.2019 erhob der Antragsteller Klage zum Kirchlichen Verwaltungsgericht (Az. …*), mit der er unter anderem die Aufhebung beider Widerspruchsbescheide begehrt sowie die Feststellung, dass eine Zuweisung der …Str. … als Dienstwohnung niemals erfolgt und die Wohnung in untauglichem Zustand sei, dass keine Verpflichtung bestanden habe oder bestehe, dort zu wohnen und dass dem Antragsteller ungekürzte Besoldungsbezüge zustünden. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit Eilantrag zum Kirchlichen Verwaltungsgericht der ELKB vom selben Tag (Az. …*) beantragte der Antragsteller die Feststellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Zuweisung der …Str. … als Dienstwohnung, die Aufhebung der Vollziehung der Zuweisung durch Auszahlung des einbehaltenen Dienstwohnungsabschlags sowie die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28.03.2019.
Mit Beschluss des Kirchlichen Verwaltungsgerichts vom 30.12.2019 lehnte dieses den Eilantrag in der Sache … ab, weil sich dieser durch den Bescheid vom 28.10.2019 erledigt habe.
3. Bereits mit Bescheid vom 28.10.2019 hatte die Antragsgegnerin vorsorglich (nochmalig) dem Antragsteller die …Str. … als Dienstwohnung ab 01.03.2017 zugewiesen und die sofortige Vollziehbarkeit dieser Regelung angeordnet.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller unter dem 31.10.2019 Widerspruch sowie Eilantrag zum Kirchlichen Verwaltungsgericht (Az. …*) ein. Mit letzterem beantragte er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 31.10.2019 sowie die Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen durch Auszahlung des Dienstwohnungsabschlags seit 01.03.2017.
Mit Beschluss vom 23.01.2020 gab das Kirchliche Verwaltungsgericht dem Eilantrag in der Sache … insoweit statt, als es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28.10.2019 wieder herstellte. Es stützte sich hierbei auf eine Interessenabwägung, weil für eine Entscheidung in der Sache zuerst Klarheit über die Schadstoffbelastung der Wohnung hergestellt werden müsse. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Hinsichtlich der geforderten Auszahlung des Dienstwohnungsabschlags hielt sich das Kirchliche Verwaltungsgericht für unzuständig, weil der Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten eröffnet sei.
4. Mit am 27.02.2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz legte der Antragsteller Eilantrag ein. Er beantragt,
1.nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gegen die Antragsgegnerin die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28.10.2019 anzuordnen dergestalt, dass dem Antragsteller seit März 2017 Besoldungsbezüge der Besoldungsgruppe A 14 nach Anlage 1 zu § 13 Abs. 2 PfBesG ohne Dienstwohnungsabschlag nach § 25 Abs. 3 PfBesG und mit ungekürztem Familienzuschlag der Stufe 1 nach Anlage 4 zu § 27 PfBesGzu zahlen sind und dass die seit März 2017 fälligen Brutto-Differenzbeträge nachzuzahlen sind;
2.hilfsweise nach § 123 Abs. 1 VwGO die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller seit März 2017 Besoldungsbezüge der Besoldungsgruppe A 14 nach Anlage 1 zu § 13 PfBesG ohne Dienstwohnungsabschlag nach § 25 Abs. 3 PfBesG und mit ungekürztem Familienzuschlag der Stufe 1 nach Anlage 4 zu § 27 PfBesG zu zahlen sind und die seit März 2017 fälligen Brutto-Differenzbesoldungsbeträge nachzuzahlen.
Zur Begründung führt er aus, dass eine Zuweisung der …Str. … in … als Dienstwohnung zu keinem Zeitpunkt wirksam erfolgt sei. Die Wohnräume seien von Anfang an in einem schadstoffbelasteten Zustand gewesen, der bis heute andauere. Der Antragsteller, seine Frau und Besucher seien dadurch gesundheitlich geschädigt worden. Ob und inwieweit zwischenzeitlich eine Renovierung erfolgt sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Ebenso sei nicht bekannt, ob die Sanierung inzwischen abgeschlossen worden sei; es gebe keine unabhängige fachliche Begutachtung der …Str. …, die eine künftige Gesundheitsbeeinträchtigung ausschließen würde. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt eine angemessene Interims-Dienstwohnung angeboten oder zugewiesen oder dauerhaft Ersatzwohnraum gestellt.
Die Aufhebung der Vollziehung der Zuweisung sei anzuordnen, da die Antragsgegnerin ihren Bescheid vom 28.10.2019 fortgesetzt vollziehe. Wirksamkeit und Vollziehbarkeit dieses Verwaltungsakts seien aber durch Beschluss des Kirchlichen Verwaltungsgerichts vom 23.01.2020 (Az. …*) gehemmt. Der Dienstwohnungsabschlag sowie der Betrag, um den der Familienzuschlag entsprechend gekürzt wird, seien als pauschalisierte Dienstwohnungsvergütung zu sehen. Mit Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss des Kirchlichen Verwaltungsgerichts erwachse dem Antragsteller von demjenigen Zeitpunkt an, auf den die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückwirke, gegen die Antragsgegnerin ein sofort fälliger Anspruch auf (Nach-)Zahlung der von da an fälligen Brutto-Bezüge in uneingeschränkter Höhe, weil es an einer Rechtsgrundlage für die Verringerung der Bezüge fehle. Da ein rechtsgestaltender Zuweisungsverwaltungsakt durch den Suspensiveffekt in seiner Wirksamkeit und Vollziehbarkeit gehemmt sei, fehle es an der Voraussetzung für die unmittelbaren weiteren Vollzugsfolgen, nämlich einer rechtmäßigen, bestandskräftigen bzw. sofort vollziehbaren Zuweisung. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beseitige die Wirkung des Sofortvollzugs vom 28.10.2019 ab. Für den davorliegenden Zeitraum sei bereits kein Sofortvollzug angeordnet worden. Die wiederhergestellte aufschiebende Wirkung wirke zurück auf die Regelung des Zuweisungsverwaltungsaktes vom 28.10.2019, der auch in die Vergangenheit zurückwirken und insoweit rechtsgestaltend ein Dienstwohnungsverhältnis schon ab März 2017 begründen und etwaige vorhergehende Zuweisungsverwaltungsakte ersetzen wolle. Davon gehe auch das Kirchliche Verwaltungsgericht aus. Dem Antragsteller dürfe kein Nachteil aus der Rechtswegaufspaltung zwischen kirchlichem und staatlichem Verwaltungsgericht erwachsen. Der Antragsteller habe einen Anspruch darauf, dienst- und besoldungsrechtlich so gestellt zu werden, als ob ihm zu keinem Zeitpunkt eine Dienstwohnung zugewiesen worden wäre. Er könne nicht darauf verwiesen werden, dass er das rechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung dulden müsse. Auch auf die drohende Vorwegnahme der Hauptsache könne man ihn nicht verweisen. Denn ohne Erlass einer Anordnung, die lediglich auf Herstellung derjenigen Verhältnisse gerichtet sei, die sich unmittelbar kraft Kirchengesetzes ergäben, müsste der Antragsteller für die unabsehbar lange Verfahrensdauer in der Hauptsache auf effektiven Rechtsschutz durch den Suspensiveffekt verzichten. Das sei ihm mit Rücksicht auf Art. 19 und 20 des Grundgesetzes (GG) nicht zumutbar.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, weil es an der Eilbedürftigkeit fehle. Ein faktischer Vollzug der Zuweisung der Dienstwohnung in der …Str. … würde bedeuten, dass die Antragsgegnerin die Dienstwohnungspflicht durchsetzen würde, gegebenenfalls durch Einleitung disziplinarrechtlicher Schritte. Das sei aber nicht der Fall. Die besoldungsrechtlichen Konsequenzen der Dienstwohnungszuweisung seien nur ein Reflex. Das mietfreie Wohnen in der Dienstwohnung sei Teil der Besoldung des Antragstellers als dienstwohnungspflichtigem Pfarrstelleninhaber.
Im Zeitraum vom Einzug in die Pfarrdienstwohnung bis zum Auszug zum 01.08.2017 sei diese unstreitig tatsächlich genutzt worden. Das damalige faktische Dienstwohnungsverhältnis könne nicht rückabgewickelt werden.
Hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem Auszug des Antragstellers aus der Dienstwohnung und dem 01.05.2019 sehe sich die Antragsgegnerin auch weiterhin in der Pflicht, dem Antragsteller die Mietkosten für die Ferien- und Interimsdienstwohnungen zu erstatten. Ein finanzieller Nachteil entstehe dem Antragsteller diesbezüglich nur aufgrund seines eigenen Verhaltens. Tatsächlich sei das verfügbare Einkommen durch die verminderte Bruttobesoldung des Antragstellers geringer. Diese Vermögenssituation habe der Antragsteller seit dem Auszug aus der Dienstwohnung aber selbst verschuldet, weil er entgegen wiederholter Aufforderungen keine Kostenrechnung dergestalt, dass die Antragsgegnerin die Mietkosten erstatten bzw. übernehmen könnte, vorgelegt habe. Er habe sich selbst in voller Kenntnis der Umstände finanziell schlechter gestellt. Der Eilantrag sei deshalb rechtsmissbräuchlich.
Der Sonderfall der an der Dienstwohnung durchgeführten Schadstoffsanierung sei im März 2019 abgeschlossen gewesen. Gemäß Bescheid vom 28.03.2019 sei der Antragsteller seit 01.05.2019 wieder dienstwohnungspflichtig. Der Bescheid vom 28.10.2019 gebe dies nochmals wieder.
Dem Antragsteller sei durchgehend eine Dienstwohnung zugewiesen gewesen mit der gesetzlichen Folge der verminderten Bezügezahlung.
Der Antrag sei auch wegen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Erst dort sei zu klären, ob ein Dienstwohnungsverhältnis zwischen den Beteiligten bestanden habe. Hiervon hänge die Rechtmäßigkeit des Pfarrdienstwohnungsabschlags ab.
5. Ergänzend wird auf die Gerichtsakten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth sowie die Kirchenverwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
a) Der Antrag ist zulässig.
aa) Hinsichtlich der besoldungsrechtlichen Folgen der kirchenrechtlichen Streitigkeit der Beteiligten über die Zuweisung einer Pfarrdienstwohnung ist der Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten eröffnet. Bei Streitigkeiten in innerkirchlichen Angelegenheiten, zu denen auch die Dienstverhältnisse der Pfarrer zählen, ist infolge des den Kirchen verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV) der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben. Nach § 135 Satz 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) – diese Vorschrift ist mit Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) nicht außer Kraft getreten, vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG – ist es jedoch den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften überlassen, die Vorschriften des BRRG über den Verwaltungsrechtsweg für Klagen aus dem Beamtenverhältnis (§ 126, § 127 BRRG) für anwendbar zu erklären (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1994 – 2 C 23.93 – BVerwGE 95, 379; VGH BW, U.v. 15.3.2011 – 4 S 684/10 – juris Rn. 14). Eine solche kirchenrechtliche Rechtswegzuweisung an die staatlichen Verwaltungsgerichte liegt mit § 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes der Evangelischen Kirche Deutschland zum Pfarrdienstgesetz (AGPfDG) vor, wonach vermögensrechtliche Ansprüche vor dem staatlichen Verwaltungsgericht geltend zu machen sind und insoweit § 126 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) für anwendbar erklärt wird, sowie § 11 des Kirchlichen Verwaltungsgerichtsgesetzes der ELKB (KVGG), wonach das kirchliche Verwaltungsgericht nicht über vermögensrechtliche Ansprüche aus einem kirchlichen Dienstverhältnis entscheidet. Der kirchliche Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass für die Vermögensabwicklung im Rahmen eines kirchlichen Dienstverhältnisses der staatliche Rechtsweg beschritten werden muss (vgl. auch Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, U.v. 11.07.2008 – VG 05/07 -).
bb) Der Antrag ist als Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaft. Denn der Abzug eines Dienstwohnungsabschlags von den Bruttobezügen sowie gegebenenfalls der Erhalt nur verminderter Familienzuschläge erfolgt gem. § 25 Abs. 3 PfBesG qua Gesetzes als faktische Vollzugsfolge der Zuweisung einer Pfarrdienstwohnung durch Bescheid vom 28.10.2019.
§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gibt dem Gericht die Befugnis, zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Vollzugsfolgen gerichtlich ausgesetzter Verwaltungsakte vorläufig ganz oder teilweise zu beseitigen, um einen Folgenbeseitigungsanspruch vorläufig zu sichern. Streitgegenständlich sind die besoldungsrechtlichen Folgen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 28.10.2019, mithin der erneuten (vorsorglichen) Zuweisung der Dienstwohnung …Str. … in … rückwirkend ab 01.03.2017. Zwar erfolgt eine ausdrückliche Zuweisung durch Bescheid gem. § 5 Satz 1 der Pfarrdienstwohnungsverordnung (PfDWV) erst seit Inkrafttreten der Pfarrdienstwohnungsverordnung zum 01.01.2019. Zuvor erfolgte die Zuweisung nach der gängigen Praxis der Antragsgegnerin durch die Verknüpfung einer bestimmten Pfarrdienstwohnung mit einer bestimmten Pfarrstelle, die Ausdruck insbesondere in der genauen Bezeichnung der Wohnung in der Stellenaus- und -beschreibung fand, und Einzug des Stelleninhabers in die Wohnung. Jedoch wurde im Bescheid vom 28.10.2019 die Zuweisung für den gesamten Zeitraum seit Antritt der Pfarrstelle in … am 01.03.2017 wiederholt. Dieser Bescheid ist, wie sich aus dem Beschluss des Kirchlichen Verwaltungsgerichts ergibt, für den Gesamtzeitraum nunmehr allein maßgeblich (VG ELKB, B.v. 30.12.2019 – …*). An diese Einschätzung ist die beschließende Kammer gebunden. Denn die Entscheidung über die Vollzugsfolgenbeseitigung ist bloßes Annex zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts an sich (vgl. Bostedt in: Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 4. Aufl. 2016, § 80 Rn. 169). Nur aufgrund der Sonderkonstellation, dass das kirchliche Besoldungsrecht auf anderem Rechtswege als die kirchenrechtliche Vorfrage zu klären ist, entscheidet – insofern systemwidrig – nicht das Gericht der Entscheidung in der Sache über die Vollzugsfolgenbeseitigung. Die Rechtswegaufspaltung zwischen kirchlichem und staatlichem Verwaltungsgericht führt aber nicht zu einer Kompetenzerweiterung im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Vielmehr bleibt zur Beurteilung der spezifisch kirchenrechtlichen Fragen eingedenk des innerkirchlichen Selbstbestimmungsrechts das Kirchliche Verwaltungsgericht berufen (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2002 – 2 C 23.01 – BVerwGE 117, 145/148; BayVGH, U.v. 4.10.1995 – 7 B 94.593 – juris). Von dessen Vorbeurteilung kann die beschließende Kammer grundsätzlich nicht abweichen. Die Grenzen dieser Bindungswirkung finden sich dort, wo sich die Kammer in Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung begäbe, was aber nicht ersichtlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 4.6.1985 – 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 – juris; BGH, U.v. 28.3.2003 – V ZR 261/02 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 26.4.2012 – 1 K 1665/11 – juris LS 4 und Rn. 48).
Die Vornahme eines Dienstwohnungsabschlags ist Vollzugsfolge des Zuweisungsbescheids vom 28.10.2019 und nicht eine unmittelbar an die Wirksamkeit des Verwaltungsakts geknüpfte Folge, die von der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich unberührt bliebe (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2016 – 9 C 1/15 – BVerwGE 154, 68 Rn. 12; U.v. 20.11.2008 – 3 C 13/8 – BVerwGE 132, 250 Rn. 12; U.v. 21.6.2007 – 3 C 11/6 – BVerwGE 129, 66). Zu dem weit zu verstehenden Begriff der Vollziehung gehört bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten der Eintritt der gestaltenden Wirkung (z.B. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 12). In Bezug auf den Bescheid vom 28.10.2019 bedeutet dies, dass ein öffentlich-rechtliches Pfarrdienstwohnungsverhältnis nach § 3 und § 5 Satz 1 PfDWV bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht entsteht, bzw. entstanden ist. Aus diesem Rechtsverhältnis erwachsen zum einen pfarrdienstrechtliche Pflichten (z.B. die Dienstwohnungsnutzungspflicht nach § 38 Abs. 1 des Pfarrdienstgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland – PfDG), zum anderen besoldungsrechtliche Konsequenzen. Für die Dauer des Pfarrdienstwohnungsverhältnisses sieht § 25 Abs. 3 PfBesG insbesondere die gesetzliche Folge eines die Bezüge mindernden Dienstwohnungsabschlags vor, um Kompensation für den in Form der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung bereits vorhandenen Besoldungsbestandteil zu schaffen (§ 9 Satz 2 PfDWV). Mithin ist die gesetzliche Minderung der Bezüge nicht an die bloße Rechtswirksamkeit des Zuweisungsverwaltungsakts geknüpft, sondern Vollzugsfolge der Gestaltungswirkung desselben.
cc) Dem Antragsteller fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung. Dies wäre dann der Fall, wenn die Art und Weise der vom Antragsteller begehrten Rückabwicklung unproblematisch wäre und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Antragsgegnerin sie nicht nach Gesetz und Praxis durchführen werde (OVG NW, B.v. 29.5.2001 – 1 B 46/01 – juris LS 1). Gegenstand dieser Prognose im Rahmen der Zulässigkeit ist nicht das Verhalten der Antragsgegnerin nach Ausgang des Hauptverfahrens, sondern nach Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Im Nachgang zum Beschluss des Kirchlichen Verwaltungsgerichts vom 23.01.2020 (Az. …*) hat sich indes gezeigt, dass die Antragsgegnerin zu der Auszahlung der bislang einbehaltenen Abschläge und der künftig unverminderten Zahlung trotz Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht bereit ist.
b) Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet.
Zur Anordnung der Vollzugsfolgenbeseitigung ist grundsätzlich erforderlich, dass durch die Vollziehung ein fortdauernder rechtswidriger Zustand herbeigeführt worden und die Folgenbeseitigung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts, das die Anordnung zusätzlich von den Erfolgsaussichten der Hauptsache abhängig machen kann (vgl. Bostedt in: Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, § 80 Rn. 173 f.). Auch hierbei ist der Annexcharakter des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO und die enge Angliederung desselben an die Eilentscheidung in der Sache zu beachten.
Daran gemessen verbleibt es bei einer reinen Interessenabwägung. Denn das Kirchliche Verwaltungsgericht hat seinerseits den Ausgang des Hauptsacheverfahrens für nicht hinreichend absehbar gehalten und sich auf eine Abwägung zwischen dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers beschränkt. Eine differenziertere Prüfung im Rahmen des – ausnahmsweise isoliert gestellten – Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO wäre zum einen systemfremd, zum anderen müsste im Zuge dessen auf die erst durch das Kirchliche Verwaltungsgericht zu klärenden Fragen vorgegriffen werden. Namentlich stellt sich die Frage, ob durch den Verwaltungsakt vom 28.10.2019 auf Grundlage der erst seit 01.01.2019 in Kraft befindlichen Pfarrdienstwohnungsverordnung überhaupt eine auf den 01.03.2017 zurückwirkende Zuweisung erfolgen konnte und ob die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Zuweisung einer Dienstwohnung von der tatsächlichen Nutzbarkeit abhängig ist, oder ob ihre Rechtswirkungen auch bei Mängeln an der Wohnung eintreten, sodass der finanzielle Ausgleich auf Ebene eines möglichen Schadensersatzanspruches erfolgen müsste und die Rechtmäßigkeit des Dienstwohnungsabschlags unberührt bliebe. Aus den oben genannten Gründen bleiben diese Fragen aber der weiteren Klärung der spezifisch kirchenrechtlichen Aspekte durch das Kirchliche Verwaltungsgericht vorbehalten.
Aus der insoweit allein verbleibenden Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, von den finanziellen Auswirkungen des in seiner Vollziehbarkeit gehemmten Bescheids vom 28.10.2019 bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben und dem Interesse der Antragsgegnerin, angesichts offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur schwer rückgängig zu machende Maßnahmen zu vermeiden, ergibt sich das Folgende. Hierbei sind aus dem Blickwinkel des zur Klärung allein der vermögensrechtlichen Seite berufenen Gerichts die wirtschaftliche Dimension der Streitigkeit sowie das diesbezügliche Verhalten beider Beteiligter zu beachten. Das Interesse des Antragstellers resultiert insbesondere aus der finanziellen Doppelbelastung von um den Dienstwohnungsabschlag verminderten Bezügen einer- und den anfallenden Mietkosten andererseits. Für das Interesse der Antragsgegnerin spricht der administrative Aufwand, den die Berechnung der jeweils auszuzahlenden Bezüge und insbesondere der zusätzliche Aufwand und das Liquiditätsrisiko im Falle der Rückforderung bei endgültigem Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache bedeuten würde.
aa) Für den Zeitraum 01.03.2017 bis 31.07.2017 hat der Antragsteller eine – wenn auch mangelbehaftete – Dienstwohnung bewohnt und keine zusätzlichen Mietkosten erbringen müssen. Demgemäß ist es ihm zumutbar, den für diesen Zeitraum eingebüßten Dienstwohnungsabschlag einschließlich der Familienzuschlagsminderung jedenfalls nicht vor abschließender Klärung des Dienstwohnungsverhältnisses für diesen Zeitraum ausbezahlt zu bekommen.
bb) Vom 01.08.2017 bis zum Ende der im Bescheid vom 28.03.2019 genannten Wiedereinzugsfrist in die …Str. … am 30.04.2019 fielen dem Antragsteller zwar Mietkosten für verschiedene Wohnungen an, zuletzt für die …gasse**. Jedoch lag und liegt für den gesamten Zeitraum eine Zusage der Antragsgegnerin vor, sämtliche Kaltmietkosten zu übernehmen. Damit soll eben die Doppelbelastung des Antragstellers abgefedert werden, die durch den besoldungsrechtlichen Abzug und die zusätzliche schuldrechtliche Mitzinsverpflichtung entsteht. Dass es zu dem dergestalt angebotenen Kostenausgleich bislang nicht gekommen ist, liegt ausweislich der Aktenlage im Verantwortungsbereich des Antragstellers. Dieser hat das Angebot der Antragsgegnerin bislang nicht angenommen und es versäumt, eine Kostenaufstellung einzureichen, die eine Begleichung ermöglichen würde. Damit hat er sich selbst finanziell schlechter gestellt. Hinsichtlich dieses Zeitraums überwiegt daher das Interesse der Antragsgegnerin; die einbehaltenen Bezüge sind einstweilen nicht auszubezahlen.
cc) Seit dem 01.05.2019 ist der Antragsteller nach Sicht der Antragsgegnerin und gemäß Bescheid vom 28.03.2019 wieder zum Einzug in die …Str. … verpflichtet, weil die Wohnung wieder schadstofffrei sei. Damit endete zum 01.05.2019 auch die Bereitschaft der Antragsgegnerin, weitere Mietkosten zu übernehmen. Seither kommt es zu einer effektiven Doppelbelastung des Antragstellers, weil er die Wohnung in der …Str. … nicht für beziehbar hält und deshalb weiterhin auf eigene Kosten zur Miete in der …gasse * wohnt. Die Frage der zwischenzeitlichen Schadstofffreiheit ist Gegenstand der Beweiserhebung im noch laufenden kirchengerichtlichen Hauptsacheverfahren … mit offenen Erfolgsaussichten. Für den Zeitraum ab 01.05.2019 überwiegt daher das Interesse des Antragstellers, im Sinne des kirchgengerichtlich wiederhergestellten Suspensiveffekts bis zur Entscheidung in der Hauptsache rückwirkend von den besoldungsrechtlichen Folgen der Zuweisung freigestellt zu werden.
Daraus ergibt sich nicht nur, dass die Antragsgegnerin die seit 01.05.2019 einbehaltenen Bezügebestandteile an den Antragsteller zu erstatten hat. Sondern die Antragsgegnerin hat auch die künftig bis zur Entscheidung in der Hauptsache anfallenden Bezüge ungekürzt auszubezahlen. Die Auszahlung steht freilich unter dem Vorbehalt, dass bei Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache die entsprechenden Beträge durch die Antragsgegnerin zurückgefordert werden können.
Namentlich betrifft die Vollzugsfolgenbeseitigung den Pfarrdienstwohnungsabschlag nach § 27 PfBesG i.V.m. Anl. 3 in der jeweils gültigen Fassung. Ob oder inwieweit auch der Familienzuschlag nach § 27 PfBesG i.V.m. Anlage 4 seit 01.05.2019 nur gekürzt ausgezahlt wurde, ist aus den Akten nicht ohne weiteres ersichtlich, soweit erfolgt wäre aber auch diese Kürzung zu erstatten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Angesichts des geltend gemachten Gesamtzeitraums und des nur teilweisen Obsiegens des Antragstellers waren diesem die Kosten zu 2/3 und der Antragsgegnerin zu 1/3 aufzuerlegen.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Demnach orientiert sich das wirtschaftliche Interesse wesentlich an der Höhe der beantragten Geldleistung, mithin der seit März 2017 vorgenommenen Dienstwohnungsabschläge bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. § 40 GKG). Anlage 4 zum Pfarrbesoldungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung zugrunde gelegt, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 25.114,20 EUR. Durch das in der Zukunft liegende wirtschaftliche Interesse an künftig ungekürzter Bezügezahlung erhöht sich diese Summe nicht maßgeblich. Der Betrag ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hälftig anzusetzen. Hieraus ergibt sich ein Streitwert von 12.557,10 EUR.

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