Aktenzeichen 8 ZB 18.30692
Leitsatz
Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines Obergerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. BVerwG BeckRS 2017, 135212). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 3 K 17.31501 2018-02-19 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B* … wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einer verallgemeinerungsfähigen Tatsachenfeststellung von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechts- oder Tatsachensatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bzw. über den Tatsachensatz bestehen. Es kommt darauf an, ob das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen Rechts- oder Tatsachensatz zugrunde gelegt hat, der mit einem die Entscheidung tragenden Rechtsbzw. Tatsachensatz nicht übereinstimmt, den eines dieser Gerichte aufgestellt hat, nicht aber darauf, ob unterschiedliche oder ähnlich gelagerte Sachverhalte verschieden beurteilt worden sind. Ebenso wenig stellt die fehlende oder fehlerhafte Anwendung eines von einem Obergericht aufgestellten Rechtssatzes eine Abweichung dar (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.1998 – 2 B 74.98 – NVwZ 1999, 406 = juris Rn. 2; B.v. 22.6.2015 – 4 B 59.14 – NuR 2015, 772 = juris Rn. 15; B.v. 31.7.2017 – 2 B 30.17 – juris Rn. 5 ff.).
Die Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG setzt dementsprechend voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender abstrakter Rechts- oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz benannt wird, mit dem dieses von einem in der Rechtsprechung des Divergenzgerichts in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellten und entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz abgewichen sein soll. Die divergierenden Sätze müssen präzise einander gegenübergestellt werden, sodass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2017 – 1 B 68.17 – juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 6 ZB 17.1011 – juris Rn. 27; OVG NW, B.v. 8.6.2015 – 4 A 361/15.A – juris Rn. 2). Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines Obergerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 16).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt. Er begründet die angebliche Divergenz zum einen mit einer Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1977 (Az. I C 30.72). Dabei behauptet er, das Bundesverwaltungsgericht habe in der genannten Entscheidung den Grundsatz aufgestellt, dass das Gericht an die Glaubhaftmachung keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen dürfe, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen müsse, die auch nicht völlig auszuschließende Zweifel mit umfasse. Unabhängig davon, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 30.72 – Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 11) den vom Kläger dargestellten Grundsatz nicht enthält, genügt dieses Vorbringen auch deshalb in keiner Weise den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, weil der Kläger schon keinen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, der dem genannten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersprechen soll. Soweit er verschiedene Angaben des Klägers aufgreift und geltend macht, dieser habe insoweit klare, detaillierte und widerspruchsfreie Angaben gemacht, weshalb das Verwaltungsgericht sein Vorbringen hätte als glaubhaft werten müssen, rügt er der Sache nach eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Erstgerichts, die von vornherein keine Divergenz begründet.
Auch die behauptete Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 1987 (Az. 9 C 147.86) wird nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargelegt. Der Kläger gibt hierzu an, das Bundesverwaltungsgericht habe in dieser Entscheidung den Grundsatz aufgestellt, der Beweiswert der Aussage eines Asylsuchenden sei im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Andererseits müsse dieser von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag könne ihm nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden. Abgesehen davon, dass sich in der vom Kläger benannten Entscheidung lediglich die im zweiten Satz genannten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts finden (BVerwG, U.v. 20.10.1987 – 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 = juris Rn. 16), zeigt der Kläger auch insoweit keinen die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz auf, mit dem das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein soll; vielmehr rügt er wiederum dessen aus seiner Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da der Zulassungsantrag – wie sich aus obigen Ausführungen ergibt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten als Rechtsanwalt (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.