Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung einer Berufung – Beschränkung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  21 ZB 15.1972

Datum:
9.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3089
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
SprengG § 27 Abs. 1, Abs. 3
WaffG § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1
ZPO § 116 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung ist schon vor der Zustellung des vollständigen Urteils zulässig, wenn das Gericht die Zustellung des Urteils in der mündlichen Verhandlung beschlossen hat, der Urteilstenor auf der Geschäftsstelle niedergelegt worden und zumindest einem der Beteiligten bekannt geworden ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das sprengstoffrechtliche Bedürfnis zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen ergibt sich aus dem Regelfall des waffenrechtlichen Bedürfnisses für den Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und die dafür bestimmte Munition. Mit dem Verweis auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. a WaffG wird nur ein abstrakter Bedarf geltend gemacht, der weder nach der Art noch nach dem Umfang der benötigten Munition hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht regelmäßig kein Bedürfnis dafür, mit Sammlerwaffen zu schießen. Denn das Waffenrecht erkennt in § 17 Abs. 1 WaffG für einen Waffensammler lediglich ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen an. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 14.3079 2015-07-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seinem Zulassungsantrag gegen Beschränkungen einer ihm erteilten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis.
Der Kläger ist Waffensammler, aktives Mitglied einer Schießsportvereinigung und als Jäger im Besitz eines gültigen Jagdscheins Nr. …08. Das Landratsamt Traunstein erteilte ihm am 29. Juli 1998 die zunächst bis 28. Juli 2003 gültige Erlaubnis zum Erwerb, Umgang, Verwenden und Verbringen von Nitropulver zum nichtgewerbsmäßigen Laden und Wiederladen von Patronenhülsen (Erlaubnis Nr. …98), wobei eine Gesamtmenge von 40 kg Nitropulver festgesetzt war. Die Erlaubnis wurde am 21. August 2003 bis zum 28. Juli 2008 und am 10. Juli 2008 bis zum 28. Juli 2013 verlängert.
Am 24. Mai 2013 beantragte der Kläger präzisiert mit Schreiben vom 1. Juli 2013 beim Landratsamt die Verlängerung der Sprengstofferlaubnis Nr. …98 und eine Erhöhung der Pulvermenge um 5 kg NC-Pulver sowie eine Erweiterung der Erlaubnis um 5 kg Schwarzpulver und zugelassene Ersatzstoffe.
Das Landratsamt verlängerte die Erlaubnis am 15. Juli 2013 bis zum 28. Juli 2018. Es erweiterte die Art des Pulvers wie beantragt und beschränkte die Erlaubnis wie folgt:
„Aufgrund dieser Erlaubnis darf für Kurzwaffen nur Patronenmunition wiedergeladen/hergestellt werden, für die der Erlaubnisinhaber eine gültige Erlaubnis nach dem Waffengesetz zum Erwerb von Munition besitzt. Ferner darf Langwaffenmunition wiedergeladen/hergestellt werden, die zum Zwecke der Jagd geeignet ist.“
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Juli 2015 die Klage abgewiesen, soweit sie auf Erteilung der Erlaubnis ohne die genannten Beschränkungen gerichtet ist.“
Der Kläger hat vor Zustellung des vollständigen Urteils (7.9.2015), aber nach Niederlegung des Entscheidungstenors bei der Geschäftsstelle (22. Juli 2015) am 18. August 2015 beim Verwaltungsgericht München die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, auch wenn er bereits vor Zustellung des vollständigen Urteils beim Verwaltungsgericht eingegangen ist. Hat das Verwaltungsgericht – wie hier – in der mündlichen Verhandlung, statt das Urteil zu verkünden, dessen Zustellung beschlossen (§ 116 Abs. 2 ZPO), kann ein Rechtsmittel jedenfalls dann eingelegt werden, wenn der Urteilstenor (§ 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO) auf der Geschäftsstelle niedergelegt worden ist und zumindest einem der Beteiligten bekannt geworden ist (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 6/2017, § 124 Rn. 34 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Wie das mit dem Zulassungsantrag vom 14. August 2015 Vorgebrachte zeigt, war dem Kläger der Inhalt des am 22. Juli 2015 der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts übergebenen Urteilstenors bekannt.
2. Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (2.1). Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht hinreichend dargelegt (2.2).
2.1 Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
2.1.1 Der Kläger wendet ein, die sprengstoffrechtliche Erlaubnis zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen dürfe nicht auf die Herstellung solcher Munition für Kurzwaffen beschränkt werden, für die er eine waffenrechtliche Erwerbs- und Besitzerlaubnis habe. Ein sprengstoffrechtliches Bedürfnis ergebe sich aus der Möglichkeit, Waffen vorübergehend (erlaubnisfrei) zu erwerben. Das Verwaltungsgericht habe das damit verneint, das Ausleihen und Erproben einer Waffe stelle nicht den Regelfall der sportlichen Betätigung eines Sportschützen dar. Das sei nicht nachvollziehbar. Das Sprengstoffgesetz gebe keine systematische Handhabe, bei der Einschätzung des sprengstoffrechtlichen Bedürfnisses zwischen Patronen zu unterscheiden, die regelmäßig, weniger häufig oder nur selten wiedergeladen würden. Eine solche Unterscheidung sei widersinnig und widerspreche dem Zweck der Erlaubnis. Zweck des Wiederladens sei es auch, für solche Waffen Munition herzustellen, mit denen gelegentlich geschossen werde und Munition schwer oder gar nicht mehr erhältlich sei.
Das rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
Eine nach § 27 Abs. 1 SprengG für den nicht gewerblichen Erwerb und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen notwendige Erlaubnis ist unter anderem dann zu versagen, wenn der Antragsteller ein Bedürfnis für die beabsichtigte Tätigkeit nicht nachweist (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SprengG). Zweck der danach notwendigen Bedürfnisprüfung ist es insbesondere, im Hinblick auf die Gefährlichkeit von Sprengstoffen deren Erwerb sowie den Umgang mit ihnen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (vgl. Apel/Keusgen, Sprengstoffgesetz, Stand Dezember 2017, § 27 Rn. 5.2). Dem entspricht es, dass die Bedarfslage und das daraus folgende Interesse an der begehrten sprengstoffrechtlichen Tätigkeit nach Art und Umfang hinreichend konkretisiert sein müssen. Demgegenüber begründet das Interesse, für den Fall eines nur möglichen Bedarfs gleichsam vorsorglich eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu erhalten, regelmäßig kein Bedürfnis im Sinn des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SprengG (vgl. OVG NW, B.v. 1.2.2005 – 20 A 20/04 – juris Rn. 9).
Bei Anwendung dieses Maßstabs ergibt sich das sprengstoffrechtliche Bedürfnis zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen im Allgemeinen aus dem Regelfall des waffenrechtlichen Bedürfnisses für den Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und die dafür bestimmte Munition wie es etwa für Jäger in § 13 Abs. 1 WaffG und für Sportschützen in § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WaffG konkretisiert ist. Demgegenüber begründet § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WaffG, wonach der Inhaber einer Waffenbesitzkarte eine Waffe erlaubnisfrei von einem Berechtigten lediglich vorübergehend, höchstens aber für einen Monat für einen von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erwerben darf, für sich genommen kein sprengstoffrechtliches Bedürfnis zum Laden und Wiederladen von Patronen. Es handelt sich um eine Ausnahmebestimmung, die an den Eintritt einer besonderen Interessenlage anknüpft (vgl. Gade/Stoppa, WaffG, 1. Aufl. 2011, § 12 Rn. 1). Der Kläger macht deshalb mit Verweis auf diese Vorschrift lediglich einen abstrakten Bedarf geltend, der weder nach der Art noch nach dem Umfang der benötigten Munition hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Denn er begehrt eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis, um in allen Fällen, in denen er zukünftig möglicherweise erlaubnisfrei Waffen benutzen wird, jedwede benötigte Munition selbst herstellen zu können (vgl. zum Ganzen auch OVG NW, B.v. 1.2.2005 – 20 A 20/04 – juris Rn. 12 f.). Aus den gleichen Gründen kann der Kläger ein sprengstoffrechtliches Bedürfnis auch nicht aus der Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG herleiten, wonach solchen Personen, die nicht Inhaber einer Waffenbesitzkarte sind, die Möglichkeit eingeräumt ist, eine Waffe auf einer Schießstätte (§ 27 WaffG) lediglich vorübergehend zum Schießen auf dieser Schießstätte zu erwerben. In diese Auslegung fügt sich Nr. 27.8.1 Spiegelstrich 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz (SprengVwV) ein, wonach für ein sprengstoffrechtliches Bedürfnis insbesondere die Verwendung von Treibladungspulver zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen in Betracht kommt, wenn die für die Waffen erforderlichen Erlaubnisse vorliegen.
2.1.2 Der Kläger rügt weiter, unzutreffend sei die Behauptung des Verwaltungsgerichts, das Bedürfnis des Waffensammlers umfasse nicht das Schießen mit Sammlerwaffen. Die Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz habe ausdrücklich anerkannt, dass das Sammlerbedürfnis auch das gelegentliche Schießen mit Sammlerwaffen miterfasse.
Das führt nicht zur Zulassung der Berufung. Es besteht regelmäßig kein Bedürfnis dafür, mit Sammlerwaffen zu schießen. Das folgt ohne Weiteres daraus, dass das Waffenrecht für einen Waffensammler anders als bei einem Jäger oder Sportschützen lediglich ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen anerkennt (§ 17 Abs. 1 WaffG). Eine Waffenbesitzkarte für Waffensammler umfasst deshalb nicht die Befugnis zum Munitionserwerb. Damit soll die Benutzung von Sammlerwaffen zum Schießen zumindest wesentlich eingegrenzt werden (vgl. Soens in Lehmann/Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand 12/2017, § 17. Rn. 15). Ein anzuerkennendes sprengstoffrechtliches Bedürfnis, ausnahmsweise mit bestimmten Sammlerwaffen zu schießen, hat der Kläger schon nicht substantiiert dargelegt.
2.1.3 Der Kläger meint, das „Raisonnement“ des Verwaltungsgerichts, wonach der Ausschluss von nicht zu Jagdzwecken tauglicher Munition durch die angefochtene Einschränkung rechtmäßig sei, stehe in klarem Widerspruch zum Gesetz. § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erlaube einem Jäger den Erwerb aller Langwaffenmunition, ganz gleich mit welchen Geschossen sie versehen sei, wenn sie nur nicht jagdlich verboten im Sinn des § 19 BJagdG sei.
Auch daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Inhaltsbestimmung der dem Kläger erteilten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis erlaubt nach ihrem Wortlaut das Wiederladen/Herstellen von „Langwaffenmunition“, „die zum Zwecke der Jagd geeignet ist.“ Der Zulassungsantrag verweist insoweit zu Recht auf die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Mit Blick auf das danach bestehende waffenrechtliche Bedürfnis zum Erwerb der für die Jagdwaffen bestimmten Munition ist die angegriffene Inhaltsbestimmung und letztlich in Übereinstimmung mit dem Zulassungsvorbringen sachgerecht nur dahin auszulegen, dass der Kläger für seine Langwaffen sämtliche Jagdmunition wiederladen/herstellen darf, mithin solche Munition, die nach dem Bundesjagdgesetz in der zum Zeitpunkt des Wiederladens/Herstellens geltenden Fassung nicht verboten ist (vgl. die Begriffsbestimmung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Damit ist es dem Kläger auch erlaubt, Jagdmunition mit Vollmantelgeschoss zu laden oder wiederzuladen, denn solche Patronen unterliegen jedenfalls hinsichtlich des Geschosses nicht den sachlichen Verboten des § 19 BJagdG.
Die so auszulegende Beschränkung berücksichtigt auch hinreichend das sprengstoffrechtliche Bedürfnis des Klägers bezogen auf das bei ihm als Sportschütze bestehende waffenrechtliche Bedürfnis für Langwaffen Munition zum Zweck des sportlichen Schießens zu erwerben (§ 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG). Denn insoweit hat der Kläger mit dem Zulassungsantrag vorgetragen, übliche Sportmunition für Langwaffen sei „auch gut geeignet beispielsweise für die Jagd auf Pelzträger, bei denen der Balg möglichst wenig beschädigt werden soll“.
2.2 Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 innerhalb der Begründungsfrist nicht dargelegt. Hierzu ist es erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit ausführt, die Klärungsbedürftigkeit der Frage erläutert und darlegt, warum die Frage über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 a Rn. 72).
Dem genügt der Zulassungsantrag nicht. Es fehlt bereits an einer konkret formulierten Tatsachen- oder Rechtsfrage. Das Zulassungsvorbringen erschöpft sich insoweit letztlich in der Behauptung, die Rechtssache sei bezogen auf die angegriffene Beschränkung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis grundsätzlich bedeutsam.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantragsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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